• Rückschlag

    24 September, Belgium ⋅ 🌧 9 °C

    Der Morgen begann nicht mit Pferd und Sattel, sondern mit einem nüchternen Arztbesuch im Nachbardorf. Doch wenn der Doc schon die Marschrichtung vorgibt – „viel Spazierengehen, Cowboy“ –, dann sattelt man eben anders: den Wagen ein Stück weiter auf den alten Bahnhof von Konzen verlegt, Motor aus, Zündschlüssel abgezogen, und los. Dort, wo früher Züge rollten, beginnt heute mein Jagdrevier.

    Kaum die Stiefel geschnürt, zieht’s mich nach Nordost, hinein ins Gebiet, das die Leute hier „Om Schöllche“ nennen. Ein schmaler Fahrweg, längst überwuchert, als hätte die Natur ihn zurückerobert. Bald nur noch ein Pfad, dann eine Trittspur bis hinauf zu einem Hochsitz – und schließlich eine kleine Wildkamera, die mir wie ein stummer Sheriff den fotografischen Beweis liefert: Der Cowboy war hier. Vier Squadratinhos sacke ich dabei ein, mitten in dem widerspenstigen Revier namens „Hoscheit“. Ich weiß jetzt schon, das wird mir noch ein paar Mikroexpeditionen abverlangen, teils bei Nacht und Nebel um vom nahegelegenen Bauernhof nicht gesehen zu werden. So wie ein störrischer Mustang, den man nicht beim ersten Versuch zähmt.

    Zurück zum Bahnhofspfad, dann schwing ich mich auf die alte Bahntrasse gen Süden. Ein paar Feldwege zweigen ab, ziehen mich hinaus ins Venn, wo die Luft klarer und der Boden weicher wird. Unterwegs stoße ich auf eine Besonderheit, die nur die Grenzländer kennen: Rückschlag, die kleinste der sechs deutschen Exklaven.
    Nun, was ist so ’ne Exklave? Stell’s dir vor wie ’ne kleine Ranch, die zwar dem Sheriff deiner Stadt gehört, aber weit draußen mitten im Territorium der Nachbarn liegt. Abgeschnitten, umzingelt, aber doch immer noch dein eigenes Stück Land. Rückschlag ist so ein verirrtes Stückchen Deutschland, eingeklemmt zwischen Belgien und Grenzgeschichten.

    Mit weiten Haken ziehe ich weiter, sammel ein Squadratinho nach dem anderen ein, wie ein Trapper seine Fallen kontrolliert. Und dann tritt das Schmuggelpäddje in mein Blickfeld – ein alter Pfad, der sich über Wiesen und durch Wald zieht, direkt nach Belgien. Hier schleppten sie einst Zentner um Zentner Kaffee über die Grenze, in Nächten voller Risiko. Heute trag ich nichts außer einer digitalen Landkarte im Kopf und der Gier nach Quadraten unter den Stiefeln.

    Schließlich stehe ich am Rand des Hohen Venns, dieser stillen, wilden Weite. Strenges Naturschutzgebiet – hier bleibt manches Squadratinho unberührt, wie ein verbotenes Goldvorkommen hinterm Zaun. Ich umrunde, nehme mit, was geht, und markiere im Herzen die Lücken: ein andermal, Cowboy, ein andermal. Für das Übersquadratinho ist hier jedenfall Schluss.

    Nach gut 8,5 Kilometern, 44 Squadratinhos und zwei brandneuen Squadrats kehre ich heim zum Ausgangspunkt: der alte Konzener Bahnhof. Ein Yard, der gewachsen ist. Ein Cowboy, der seinen Auftrag erfüllt hat. Und ein Doc, der wohl zufrieden wäre: Bewegung verordnet, Abenteuer geliefert.
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