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  • Day 33

    Auf den Spuren der Erleuchtung

    November 2, 2023 in India ⋅ ☁️ 17 °C

    Danke an alle, die uns die Daumen gedrückt haben! Wir ihr euch vielleicht schon durch die Stille hier gedacht habt, wir haben es in den Buddhismus-Kurs geschafft und sind (auch nach dem Kurs noch) sehr happy darüber.

    Mit uns sind knapp 100 Leute aus aller Welt angetreten, sich mit den Themen Buddhismus, Meditation und dem eigenen Bewusstsein zu beschäftigen. Es folgen Einblicke in unsere jeweiligen Gefühls- uns Erlebniswelten, die doch ein bisschen unterschiedlich aussahen.

    Annies Welt im Rückblick:
    Juhuu, ich freue mich total, den letzten Platz im 12er Dorm ergattert zu haben und schiebe ins Unterbewusstsein, dass die Wand hinter meinem Bett verschimmelt ist. Das Kopfkissen schaue ich mir erst gar nicht an (Anm: Leider mussten wir zum Schluss noch die Betten abziehen. Den Anblick hätte ich mir gerne erspart).

    Das Essen ist mega lecker und wird zum Höhepunkt meines Tages. Es gibt selbst gemachte Erdnussbutter und allerlei Backwaren und frisch gekochtes Essen mit viel Gemüse - alles ohne Knoblauch oder Zwiebeln. Es ist ein Traum! Ich muss mich beherrschen, nicht jedes Mal nach den Kursen direkt zum Essen zu rennen. Ich erkenne, dass ich an meiner Anhaftung an Genuss arbeiten könnte. Aber wehe, ein Affe klaut mir meine Banane!

    Um 6 Uhr aufzustehen und den ganzen Tag ein strukturiertes Programm zu haben, ist eigentlich ganz cool. Ich muss überhaupt keine Entscheidungen treffen und kann mich nach den turbulenten ersten Reisewochen entspannen und diesen friedlichen, ruhigen Ort genießen. Ich bin total berührt davon, wieviel Mühe sich hier alle geben, damit es uns gut geht. Ich fühle mich wohl. Dass wir unser Handy abgegeben haben und schweigen müssen, stört mich eigentlich wenig (über die vorher besorgten Wecker und Taschenlampen bin ich aber durchaus froh). Die ersten 7 Tage besteht der Hauptteil eh aus Teachings über Buddhismus. Wir hören also zu, können Fragen stellen und haben auch Discussion Groups über die bearbeiteten Themen. Wir haben zusätzlich täglich 3 Meditationen - einerseits stabilisierende Meditationen mit Fokus auf den Atem, andererseits analytische Meditationen, in denen man über Themen kontempliert mit dem Ziel, ein korrektes Verständnis davon zu erlangen, wie die Dinge wirklich sind.

    Zu den buddhistischen Teachings: Ich finde es super, mal einen strukturierten Einblick/Überblick in die (tibetisch) buddhistische Philosophie zu bekommen. Auch Themen wie Karma oder Wiedergeburt schaue ich mir interessiert an, ich chante die Mantren mit, entwickle Bodicitta (den Erleuchtungsgeist) und widme die Praxis zum Wohl aller Wesen. Aaaber der arme Rolf - für ihn ist das sicherlich ein bisschen zu viel. Hoffentlich hält er bis zum Ende durch.

    Die letzten zwei Tage sind Meditationstage mit 7 Mediationen à 45 Minuten. Ohjee, da schmerzt der Rücken schon sehr. Ich kann mich teilweise kaum auf die Meditationen konzentrieren. Wie halten Leute bloß Vipassana-Retreats durch?!

    Mein Highlight des Kurses: die Light Offering-Zeremonie: Jede Person bekommt eine Kerze und wir singen zusammen das Mantra Om Mani Padme Hung (Das ist DAS Mitgefühlsmantra. Die Bedeutung ist so in der Art: „Mögen Weisheit und Mitgefühl in dir erwachen.“) und stellen die Kerzen mit unserem persönlichen Wunsch für uns und die Welt an der Stupa ab. Sehr berührend!

    Und nun…
    Rolfs Welt im Rückblick:
    Cool war‘s! Tushita ist schon ein besonderer Ort. Man ist ganz oben auf einem Berg, die Luft ist kalt und klar, aber in der Sonne (wir haben jeden Tag blauen Himmel) ist es schön warm. Man kann ins Tal hinuntersehen, und in den Pausen schaue ich den Affen zu, die sich um Bananen streiten und ein wenig buddhistische Gelassenheit durchaus gebrauchen könnten.

    Ich bin sehr froh, dass wir vorher noch einen 2*1m-Riesenschal gekauft haben, in dem ich schön warm bin. Die Duschen dagegen sind eiskalt. Ich bin selbst erstaunt darüber, wie gut ich damit klarkomme, meinen Duschrhythmus auf zweitägig statt täglich umzustellen. Da man sich kaum bewegt, geht das eigentlich ganz gut. Und die Toiletten sind weniger schlimm, als ich dachte.

    Das Essen auch! Es ist richtig gut. Endlich mal keine Zwiebeln!!! Keine Ahnung, ob mir nach den üblen Magenproblemen jetzt einfach alles schmeckt, aber ich haue richtig rein. Und kämpfe sogar mit den Affen, wenn sie meine Banane klauen wollen.

    Ich brauche dafür lange, bis ich eine bequeme Meditationshaltung gefunen habe. Lotussitz kann ich irgendwie nicht. :-/ Rechtzeitig zu den Meditationstagen am Ende habe ich es dann aber geschafft. Überhaupt ist Meditation hier mein klarer Fokus. Ich habe einen Riesen-Wälzer von Wien aus mitgenommen und lese den hier in den Pausen fleißig durch, um besser zu verstehen, warum es so schwer ist, sich auf den Atem zu konzentrieren. ;-)

    Leider wird viel zu viel geredet. Den halben Tag lang sind Vorlesungen zum Buddhismus, und auch in den Meditationen selbst labern die Meditationsleiter viel zu viel. Insbesondere die „analytischen“ Meditationen bringen mir sehr wenig. Man soll über diverse Themen angeleitet nachdenken… aber wenn ich nicht schon im Vorfeld glaube, dass „jedes Wesen schon einmal meine Mutter war“ oder ähnlichen Unfug, ist es sehr schwer, dabei stillzusitzen. Ich komme zu dem klaren Schluss, dass „analytische Meditationen“ und die „Insights“, die man darin gewinnen soll, a) epistomenologisch vollkommen invalid sind und b) nichts als eine Form der Selbst-Gehirnwäsche darstellen. Das ist schade, da in meinem (sonst sehr guten) Buch der Autor mehrfach betont, die Insights seien absolut notwendig zur Erleuchtung. Anders gesagt: Erleuchtung kann ich wohl vergessen - ich bin nicht bereit, meinen klaren Verstand dafür aufzugeben. Ich werde mich wohl mit den Jhanas begnügen müssen. :-D Die habe ich noch nicht abgeschrieben, aber inzwischen ein deutlich klareres Bild davon, wie lang der Weg dorthin noch ist.

    Die „Einführung in den Buddhismus“ selbst ist sehr gemischt. Den Teil zur Ethik und Lebensführung kann ich noch - einigermaßen - mitgehen. Es ist klar, schon wenn man sich die Leute hier in Tushita ansieht, dass die Buddhisten etwas vom Glücklichsein verstehen. Ist vielleicht auch kein Wunder, wenn man sich damit 2.500 Jahre beschäftigt. Aber die Metaphysik!!! Karma, Wiedergeburt, Götter, Devas, der ganze Kram - was für ein Mist. Am schlimmsten ist, dass unser Teacher, ein amerikanischer Mönch, immer wieder betont, dass im Buddhismus ja Logik und Rationalität so wichtig seien und dann mit den haarsträubendsten Schlussfolgerungen daherkommt. Wenn einfach nur gesagt würde, „wir glauben dies und das“, hätte ich gar keinen Stress, aber so zu tun, als hätte man die Rationalität auf seiner Seite, wenn man Wiedergeburt und Karma „herleitet“, ist eine Beleidigung meiner Intelligenz.

    Bei Tag fünf bin ich deshalb kurz vorm Hinschmeissen, mache es aber Annie zuliebe nicht, und denke mir, Geduld und Langmut bilden ja den Charakter. ;-) Außerdem sind die Sitznachbarn total nett, ich bin froh, mal meine Handysucht ablegen zu können, und wir haben ja einmal am Tag für eine Stunde Diskussionsgruppe, und meine ist wirklich super. Außerdem ist es schon interessant, dass man sich mit Leuten anfreunden kann, mit denen man kein einziges Wort gewechselt hat (die meiste Zeit des Tages ist ja glücklicherweise Schweigen).

    Fazit: Ein Meditations- oder Schweige-Retreat mache ich gern wieder. Gern mit viel mehr Schweigen. Es war schon eine tolle Erfahrung! Nur vom Buddhismus weiß ich jetzt genug. Und es war toll, neue Leute kennenzulernen, und natürlich (an Tag 2) Seine Heiligkeit den 14. Dalai Lama direkt zu sehen. Er wirkt in echt schon seeeeehr gebrechlich und wird mehr geschoben und gehalten, als dass er geht. Aber sympathisch ist er und man wünscht ihm natürlich, dass er noch lange durchhält.

    Und wir begeben uns nun als nächstes auf die Spuren Ihrer Heiligkeiten, den Beatles!
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