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  • Day 105

    Der Zahn des Buddhas

    January 13 in Sri Lanka ⋅ ☀️ 26 °C

    Wir waren zunächst etwas zögerlich, ob wir überhaupt einen Halt in Kandy einlegen wollen, sind jetzt aber nun sehr froh, dass wir dies getan haben.

    Als buddhistische Pilgerin hätte mir natürlich auch etwas gefehlt, wenn ich nicht den Zahn des Buddhas besichtigt hätte, der dort in einem Tempel aufbewahrt werden soll. Von der Richtigkeit dieser Angaben konnten wir uns allerdings nicht überzeugen, denn einen Zahn haben wir dort nicht zu Gesicht bekommen (bis auf diverse Stoßzähne). Dafür aber ein sehr schönes Gelände und viele blumige Opfergaben. Außerdem (laut Angaben auf den Schrifttafeln) einen von zwei auf der Welt existierenden ausgestopften Elefanten. Die Geschichte des Elefanten, der aus dem Dschungel gefangen und gezähmt wurde und dann 60 Jahre bis zu seinem Tod in bunten Kostümchen den Menschen gedient hat, fand ich aber doch sehr traurig.

    Insgesamt fühlt sich Kandy ein bisschen an wie die Seenregion in Norditalien. Nettes Ambiente mit Uferpromenade und vielen Touris, nur guten Espresso und Eis haben wir vermisst. Es fühlt sich hier alles sehr easy an, sodass wir immer mehr den Eindruck erlangen, Sri Lanka auch unseren Freund:innen empfehlen zu können, für die Indien vielleicht eine Nummer too much wäre.

    Als Einschränkung muss ich allerdings die Zugfahrten nennen. Wenn man (zumindest in der Hochsaison) nicht mehrere Wochen im Voraus einen Zug mit Sitzplatzreservierung bucht, scheint es auf den beliebten Strecken fast unmöglich zu sein, nicht in überfüllten Zügen zu landen. Der Zug von Kandy nach Gampola (wo wir den coolen Turm besichtigt haben, den ihr auf den Bildern sehen könnt) war so voll, dass ich immer wieder überprüft habe, ob der Junge, dessen Kopf an meinen Bauch gequetscht wurde, noch genug Luft kriegt. Needless to say dass ich nach der Fahrt erstmal fix und fertig und den Tränen nahe war. Jedenfalls hatte ich genug Adrenalin im Blut, dass ich an unserem Zwischenziel, dem coolen Turm, nicht mehr bis ganz nach oben wollte und wir danach mit dem Taxi weitergefahren sind zu unserem nächsten Ziel, statt mit dem Zug zu fahren.

    Da fühle ich mich manchmal schon wie eine Luxustouristin, wenn ich „nicht mal“ die öffentlichen Verkehrsmittel ertrage. In Indien waren es ja die Busfahrten, die ich so anstrengend fand. Ich merke, dass ich aufpassen muss, mir nicht selbst eine mit dem Löffel überzuziehen und zu streng mit mir ins Gericht zu gehen.

    Im schlimmsten Falle sieht es dann so aus, dass ich mich schlecht fühle, eben WEIL es mir jetzt gerade mit diesem oder jenem (z.B. Zugfahrt) nicht gut geht und ich dann nicht die relaxte Langzeitreisende bin, die ich gerne wäre. Und noch schlimmer: Ich mache mir Vorwürfe, dass ich Rolf mit meiner Stimmung belaste und uns am Ende noch unsere Reise versaue - auf die ich in solchen Momenten ja eh schon gar keine Lust mehr habe, was ich dann manchmal auch noch laut äußere und mich daraufhin wieder dafür schämen kann. Denn ich bin ja total privilegiert, diese Reise überhaupt machen zu können, und sollte mich nicht auch noch darüber beschweren. So zumindest meine Gedanken in so einem dunklen Moment. Während ich diese Zeilen schreibe, muss ich fast schon ein bisschen lachen, denn es ist nur allzu offensichtlich, dass diese Gedanken/Gefühle zu nichts anderem als einer Krise führen.

    Was in diesem kleinen Einblick bereits in Ansätzen deutlich wird, ist, dass diese Reise zu einer anderen Herausforderung und Entwicklungsaufgabe für mich geworden ist, als ich es im Vorhinein gedacht hätte. Ich übe mich aktuell in Ambiguitätstoleranz - ich muss auf der Reise nicht alles super finden, und das ist absolut ok. Ich kann die Reise an manchen Tagen toll finden und an anderen Tagen richtig scheiße. Und auch das ist okay und bedeutet nicht, dass ich den Kopf in den Sand stecken muss. Die buddhistischen Bücher, die ich gerade lese, sowie die Meditationspraxis empfinde ich als hilfreich in der Entwicklung von mehr liebevoll-annehmendem Gewahrsein mir selbst gegenüber. Und ich bin wirklich glücklich darüber, beides aktiv in mein Leben zu integrieren.
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