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  • Day 228

    Einmal Brücke sehen und sterben

    June 12, 2017 in the United States ⋅ ⛅ 17 °C

    Die California State Route 1 säumt die amerikanische Westküste von San Francisco bis nach Los Angeles. Und wie bereits geschrieben, zählt sie nicht nur zu den schönsten Strecken der USA, sondern auch zu den schönsten Küstenstraßen weltweit: sie verläuft entlang steiler Klippen, besitzt alte, steinerne Brücken und bietet einen Ausblick auf wunderschöne, versteckte Strandbuchten – der tosende Pazifik stets im Hintergrund. Mit nur einer kleinen Einschränkung für uns: so richtig malerisch wird sie erst ab Monterey südwärts: wir aber waren schon in Monterey und eigentlich Richtung Norden unterwegs.

    Wir wollten uns den Spaß trotzdem nicht nehmen lassen, und beschlossen deswegen, die Route 1 zumindest 50 km bis nach Big Sur runterzufahren. Weiter wären wir sowieso nicht gekommen: im Januar dieses Jahres begrub ein gewaltiger Erdrutsch 500m der 1 unter sich, weshalb sie mindestens für ein weiteres halbes Jahr noch gesperrt ist. Die Sache ging glimpflich aus, da die Straße zu diesem Zeitpunkt sowieso geschlossen war aufgrund einer schadhaften Brücke auf ähnlicher Höhe. Es ist trotzdem eine schlimme Sache für den Tourismus, da die Route 1 keine Umfahrungen besitzt und sich auf ihr zahlreiche Motels und Inns befinden, die empfindliche Umsatzeinbußen erleiden müssen. Nach ein paar warnenden Straßenschildern war es soweit: Die Route 1 hörte einfach auf, es wurden keine Umleitungen angeboten. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als umzukehren und uns auf dem Weg Richtung San Francisco zu machen.

    Ich hatte mir meinen ersten Besuch der "Belle of The Bay" immer anders vorgestellt: ich fahre bei Sonnenuntergang in die Stadt rein, im Radio spielt Scott McKenzie, leichtbekleidete Mädchen mit Blumen im Haar winken mir bekifft zu...
    Unsere tatsächliche Einfahrt in die Stadt lief ein wenig anders ab. Keine Ahnung, ob gerade Sonnenuntergang war, denn der Himmel war komplett bewölkt und es regnete. Im Radio lief irgendein schräger Rapsong, den ich nicht kannte. Wir steckten im Stau. Und ein kalter Wind wehte, der auch bis zu unserem Abflug vier Tage später nicht mehr abflauen sollte.

    Sicherlich nicht die besten Voraussetzungen, um einen Ort toll zu finden... und doch ist San Francisco großartig! Angefangen mit der Lage: man kann sich alle fünf Staffeln von "Die Straßen von San Francisco" hintereinander anschauen und trotzdem kein Gefühl dafür bekommen, wie unglaublich hügelig die Stadt wirklich ist. Es gibt Straßenzüge, bei denen selbst unser SUV ins Schwitzen kam und im ersten Gang bleiben musste. Wir hatten ursprünglich vor, die gesamte Stadt mit dem Fahrrad zu erkunden, verwarfen aber diesen Gedanken ganz schnell (wir haben uns am zweiten Tag trotzdem für ein paar Stunden Räder ausgeliehen, um damit über die Golden Gate zu fahren). Nicht selten muss man auch mitten in der Steigung vor einem Stoppschild oder einer Ampel anhalten; da sollte man eine Automatikschaltung oder eine gute Autoversicherung besitzen. Letztendlich ist es aber ein grandioser Spaß, einfach nur durch die Gegend zu fahren.

    Was sich zudem in Monterey schon andeutete, wird in San Francisco zum Dogma erhoben: die gesunde, nachhaltige und tolerante Lebensweise. LGBT ist hier kein blosses Akronym, sondern allgegenwärtig und offen gelebte Realität. Kathrin konnte zum ersten Mal seit Wochen vegetarische Gerichte bestellen, und nicht wenige Restaurants waren komplett vegan (versuche mal, in Utah das Wort "vegan" nur in den Mund zu nehmen...). Auf den Straßen befinden sich stets drei Mülleimer nebeneinander, damit der Müll getrennt entsorgt werden kann. Und bei Safeway (die ökigere Version von Walmart - letzteren haben wir in San Francisco gar nicht gefunden) wirst du nicht mit Plastiktüten zugemüllt, es gibt nämlich gar keine - nur Papiertüten. Und selbst die kosten Geld.

    Was aber unseren Aufenthalt in San Francisco wirklich besonders machte, hat mit der Stadt selbst nur am Rande zu tun: wir trafen uns nämlich mit einem unserer ältesten und besten Freunde, Marcel. Er ist Stewart bei Lufthansa und legte sich seine Flugroute so, dass er einen kompletten Tag in der Stadt frei hatte und mit uns verbringen konnte. Nach einem ausgiebigen Frühstück (unter anderem im Fillmore Bakeshop, die das beste Gebäck in der ganzen Stadt verkaufen!) fuhren wir zusammen nach Sausalito, um den restlichen Tag dort zu verbringen. Was gibt es schöneres, als mit guten Freunden eine solch großartige Stadt erleben zu können?

    Am darauffolgenden Morgen war es soweit: nach 33 Tagen und ca. 6.000km Fahrt durch den nordamerikanischen Kontinent verließen wir USA Mainland Richtung Hawaii.
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