• Ein Wintertag wie ein Gedicht

    21 de janeiro, Finlândia ⋅ ☁️ -12 °C

    Ich wache auf und bin todmüde. Wirklich, als hätte ich die ganze Nacht einen Marathon gelaufen – in meinen Träumen natürlich, mit Umwegen durch Labyrinthe und Gesprächen mit Eichhörnchen (keine Ahnung, wo die plötzlich herkamen). Aber dann, der Wendepunkt des Morgens: Mein lieber Mann bringt mir einen Kaffee ans Bett. Und in genau diesem Moment beginnt der Tag, sich von „Bitte nicht!“ zu „Vielleicht doch!“ zu wandeln.

    Kaum sind wir abfahrbereit, verabschieden wir uns von diesem wunderschönen See, der sich gestern wie eine Postkarte ins Gedächtnis gebrannt hat, und düsen los nach Kuopio. Unser Ziel? Der berühmte Puijo-Turm. Heute Abend werden wir dort dinieren, und ich schwöre, ich sehe uns schon, wie wir mit einem Glas Wein in der Hand auf die schneebedeckte Landschaft hinabblicken und uns fühlen wie König und Königin des Winters.
    Doch bis dahin haben wir noch einiges vor.

    Rolf, mein Wikinger, macht sich an die Arbeit, die Langlaufskier startklar zu machen. Er gleitet los, als hätte er in einem früheren Leben ein Rentiergespann angeführt. Ich hingegen bin eher mit der Frage beschäftigt, wie ich meine Finger vor dem sicheren Kältetod bewahren kann. Minus 12 Grad sind keine Kleinigkeit. Nach wenigen Minuten lande ich zurück im Knutschi, der wunderbar warmen Komfortzone unseres mobilen Zuhauses.

    Rolf macht noch eine weitere Runde auf der Loipe, während ich es mir im Wohnmobil gemütlich mache. Dann tauschen wir: Gemeinsam schauen wir noch beim Skispringen zu. Diese Waghalsigen, die sich von der Schanze stürzen – ich bewundere sie, während ich froh bin, mit beiden Füssen fest auf dem Boden zu stehen.

    Aber jetzt wird’s magisch: Wir fahren zu einem riesigen See. Und Leute, ich sag’s euch, mein Herz macht einen Sprung. Der See ist zugefroren, das Eis glatt wie ein Spiegel, und überall Menschen auf Schlittschuhen – so lässig, als wären sie direkt aus einem finnischen Wintermärchen geschlüpft.

    Ich spaziere mit Rolf über den See. Ja, über das Eis. Ich bin hin und weg. Das Eis wird sogar von einer Maschine geglättet – wie in einem überdimensionierten Outdoor-Traum. Es glitzert, funkelt und sieht so surreal schön aus, dass ich am liebsten eine Ode an diesen Moment schreiben würde.

    Es sind diese Tage, an denen die Welt einem zuflüstert: „Hey, so wunderschön bin ich, wenn du mal kurz innehältst.“ Und genau das mache ich. Mit kalten Fingern, einem glücklichen Herzen und einem Lächeln, das vielleicht sogar das Eis zum Schmelzen bringt – hoffentlich nicht wörtlich.
    Es ist ein Moment, den ich am liebsten in eine Schneekugel packen und für immer bewahren würde.

    Als die Sonne langsam am Horizont verschwindet, machen wir uns auf zum Puijo-Turm. Der Gedanke an ein Dinner über den Lichtern von Kuopio lässt mein Herz ein bisschen höher schlagen. Es sind Tage wie diese, die einem zeigen, wie wunderschön das Leben sein kann – mit einem treuen „Knutschi“, einem geliebten Menschen und einer Welt, die immer wieder aufs Neue verzaubert.

    Wir geniessen die Aussicht während des Essens, und ich muss zugeben: Es hat etwas Magisches, wenn man während eines leckeren Menüs ganz langsam einen 360-Grad-Blick auf die Umgebung bekommt. Ein bisschen fühlt es sich an wie in einem Film – wir, die Hauptdarsteller, auf einer drehenden Bühne. Die Lichter in der Stadt gehen an. Ein Lichtermeer, das sich im See spiegelt. Ich erwische mich dabei, wie ich einfach nur aus dem Fenster starre und fast mein Dessert vergesse.

    Rolf schaut mich schmunzelnd an und fragt, ob er mich ans Fenster kleben soll, damit ich gleich bis zum Frühstück sitzen bleiben kann. Ich lache, aber insgeheim überlege ich wirklich, ob ich einfach hier bleiben möchte. Wie gemütlich wäre es, in den weichen Polstern sitzen zu bleiben, bis der Morgen graut?

    Nach dem Essen entscheiden wir, noch einen letzten Rundgang draussen auf der Plattform zu wagen – diesmal gut eingemummelt. Der Wind pfeift uns um die Ohren, und ich fühle mich wie in einem epischen Abenteuerfilm.

    Zurück im Wohnmobil kuscheln wir uns in Decken ein, trinken einen Schluck Rotwein und lassen den Tag Revue passieren. Es fühlt sich an, als wären wir auf einer anderen Ebene unterwegs gewesen – nicht nur geografisch, sondern auch irgendwie spirituell. Der Turm, die Aussicht, das Essen, der Wind: alles hat seinen eigenen kleinen Platz in diesem wunderbaren Puzzle, das wir Reise nennen. Und ich kann es kaum erwarten, was morgen auf uns wartet.
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