• Day 23

    Eisige Weiten

    January 30 in Norway ⋅ ☁️ -2 °C

    Nach einer Nacht bei knackigen -23 Grad, in der Knutschi tapfer durchgehalten hat, packen wir unsere sieben Sachen. Noch schnell entsorgen, noch einmal unsere liebe Bekanntschaft Sonja und René drücken – ein Wiedersehen ist sicher– ein kleiner Moment, der sich wie ein Versprechen anfühlt: „Wir sehen uns wieder. Irgendwann, irgendwo.“ Ihre Reise geht weiter Richtung Süden, unsere führt uns weiter gegen Norden. Das Nordkap ruft, es lockt uns noch tiefer in die ewige Dunkelheit vorzudringen.

    Finnland verabschiedet uns mit gefüllten Diesel- und Lebensmittelvorräten. Ein letzter Blick auf die verschneiten Wälder, dann – zack – Norwegen! Und wie immer: Ein anderes Land, eine andere Welt. Der Wechsel ist fast greifbar. Die Landschaft wird karger, die Bäume spärlicher. Nur noch vereinzelte Birken, und Tannen, die wie dunkle Schatten aus dem weissen Nichts ragen. Ein wildes, raues Land, das in seiner Unbarmherzigkeit atemberaubend schön ist.

    Wir fahren weiter, stoppen immer wieder für Fotos – diese Szenerie muss einfach festgehalten werden. Und schliesslich erreichen wir unseren Stellplatz: direkt am Meer, wo die Wellen leise gegen das Ufer schlagen. Ein kurzer Blick auf die Strasse gegenüber – da gibt es einen kleinen Souvenirladen.

    Rolf geht hinein, um uns einzuchecken, während ich durch den Laden schlendere. Und dann sehe ich ihn: den Daunenmantel. Perfekt geschnitten, warm, leicht – und so geräumig, dass meine selbstgestrickten Pullover nicht wie eingepferchte Sardinen aussehen. Ein Mantel, gemacht für arktische Expeditionen. Und für mich. Schliesslich will ich nicht nur frieren, sondern dabei auch gut aussehen.

    Draussen hat sich der Himmel bereits verdunkelt. Obwohl es gerade erst Nachmittag ist, umhüllt uns schon eine Dämmerung. Hier, so weit im Norden, verabschiedet sich die Sonne, wenn sie scheinen würde, bereits gegen 13:42 Uhr. Ein seltsames Gefühl – als hätte jemand den Tag einfach übersprungen. Die Dunkelheit kommt nicht schleichend, sie fällt plötzlich über uns her, legt sich über die verschneite Landschaft und verwandelt sie in eine surreale Traumwelt. Die wenigen Lichter in der Ferne flackern wie kleine Versprechen in der Finsternis.
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