• 440 Kilometer hinterm Regen her

    October 4 in France ⋅ ☀️ 14 °C

    Heute Morgen, wir schauen aus dem Fenster, alles glänzt noch nass von der Nacht, aber der Himmel strahlt so blau, dass man fast vergisst, dass es die halbe Nacht gestürmt hat. Geschlafen haben wir beide nicht wirklich. Ich, weil meine Nase komplett zu ist und ich mich fühle wie ein wandelnder Dampfinhalator, und Rolf – ja, keine Ahnung warum, das wissen wohl nur die Götter. Vielleicht hat ihn der Wind aus dem Schlaf geweht.

    Also stehen wir etwas gerädert auf (im wahrsten Sinne des Wortes) und fahren für unsere Verhältnisse ziemlich früh los. Noch kurz einkaufen, Diesel tanken.

    Wir fahren auf klatschnassen Strassen Richtung Süden, die Sonne scheint uns aber schön ins Gesicht. Vor uns das Sturmtief, ein richtig zähes Ding. Es zieht genau gleich schnell wie wir. Erst nach gut 140 km kommen wir ihm näher, so nah, dass die Sonne sich langsam wieder verabschiedet. Und dann… nochmals 300 km, bis wir endlich den Regen eingeholt haben! 440 km lang nasse Strassen, aber keinen einzigen Tropfen Regen. Das muss uns erst mal jemand nachmachen.

    Als wir dann endlich in der grauen Zone sind, machen wir Fahrerwechsel. Rolf ist dran, und ich bekomme den Auftrag, einen Stellplatz zu suchen. Ich so: «Sollen wir nach Colmar fahren?» Und keine zehn Sekunden später steht fest – Colmar soll’s sein.

    Schnell sind wir auf dem Stellplatz parkiert, Jacke an, und los geht’s zu Fuss ins Städtchen. Nur zehn Minuten später sind wir mitten in der Fussgängerzone. Hübsche Häuser, viele Menschen, viele Touristen – und nur 10 Grad. Nicht ganz so gemütlich, wie wir uns das vorgestellt haben. Ich schnupfe immer noch, und Rolf ist offenbar auch nicht in seiner besten Tagesform.

    Eigentlich wollten wir einen feinen Flammenkuchen essen, aber draussen ist’s zu kalt und drinnen zieht’s uns auch nicht richtig rein. Irgendwie ist’s heute einfach nicht unser Tag. Nicht Colmars Schuld – die Stadt ist wirklich wunderschön aber manchmal passt’s halt einfach nicht.

    Also zurück zu Knutschi. Ich mache mir eine heisse Suppe – das beste Rezept gegen Schnupfen und zu viele Eindrücke auf einmal. Rolf verputzt die letzten Baguette-Resten und meint trocken: „Man muss ja nicht jeden Tag ein Gourmetmenu haben.“ Recht hat er.

    Jetzt sitzen wir im warmen Knutschi und langsam kehrt Ruhe ein. Dieses vertraute Brummen vom Heizlüfter, das goldene Licht auf dem Tisch, das leichte Klirren der Tassen – Knutschi ist wieder einmal der schönste Ort der Welt.

    Heute kein Flammenkuchen, kein grosses Abenteuer, kein Postkartenmoment. Aber dafür ein Abend, der echt ist.
    Und manchmal ist genau das das Schönste am Reisen: wenn man merkt, dass Glück nichts mit Sehenswürdigkeiten zu tun hat, sondern einfach damit, wo (und mit wem) man gerade sitzt. ❤️
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