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  • Day 20

    Tallinn und Weiterfahrt nach Pärnu

    August 1, 2019 in Estonia ⋅ ⛅ 16 °C

    Die Nacht ist wider Erwarten ausgesprochen ruhig gewesen für einen öffentlichen Parkplatz. Um 22.00 Uhr hören die Geräusche der Baustelle nebenan auf. Der komplette Hafen wird neu gemacht und es wird gerade am zweiten Hafenbecken gearbeitet. Schon beim Abendspaziergang durch den Hafen zeichnete sich Ruhe ab. Die meisten PKWs sind verschwunden und der Verkehr ruht. Gegen Mitternacht kommt noch eine Fähre. Einige startende Autos bringen kurz etwas Unruhe. Aber wir haben wunderbar bis 9.00 Uhr geschlafen.
    Unser Plan für heute in Tallinn ist eine weitere Fahrt mit dem Hopp-on-Hopp-off-Bus in die Randgebiete. Beim Frühstück stellen wir allerdings fest, dass die Busse erst ab 12.00 Uhr starten. So gehen wir erst noch ein wenig shoppen in dem Harbour Shop gegenüber. Der ist voll auf den Konsum der anreisenden Finnen eingestellt, die mit der Fähre von Helsinki zum Einkaufen vor allem von Alkohol herüber kommen. Für die Finnen ist Estland ein Einkaufsparadies. Und so wird Hochprozentiges gleich kistenweise angeboten. Da machen wir uns mit unserer Packung Milch und der Dose Bier, dazu noch alkoholfrei, etwas sonderbar an der Kasse aus.
    Schnell die Einkäufe verstaut, und dann ab in die Altstadt. Auf dem Weg dorthin, unmittelbar am Hafen, liegt das Rotermann Viertel. Hier hat man ähnlich der Speicherstadt in Hamburg, die alten Fabrikgebäude der Rotermann Firma renoviert und zu Wohnungen, Läden, Cafes und Lokalen umgebaut, wo sich um 1900 ein Kaufhaus, eine Stärke-, Spirituosen-, Tisch- und Makkaronifabrik, eine Brotfabrik, eine Mehlmühle, eine Graupenmühle, ein Dampfsägegebäude sowie ein Salzspeicher befunden haben. Dazwischen findet man architektonische kleine Wunder, die in und zwischen die alten Häuser integriert wurden.
    Wir schauen nach der Haltestelle der roten Busse in der Nähe der Altstadt, bevor wir uns ins Getümmel der ersten Kreuzschifffahrer stürzen. In der Nähe befindet sich ein kleiner Markt mit "Handmade original estnischer" Kleidung. Der Geruch nach Mottenpulver, der mir beim Bummeln entlang der Stände in die Nase steig, lässt eher "Made im ferneren Osten" vermuten.
    Auf dem Rathausplatz stehen heute unzählige Räder und warten darauf gemietet zu werden. Aber ganz ehrlich, durch diese vollen Gassen mit dem Kopfsteinpflaster zu fahren, ist bestimmt nicht der Hit.
    Auch auf dem Rathausplatz ist heute ein Markt mit "Handmade Ware" aufgebaut und die Beschicker warten auf Kunden. Langsam wird es Zeit zur Haltestelle zurückzugehen. Als wir ankommen, steht der Bus der blauen Tour, so ist die Route in die Außengebiete gekennzeichnet, schon zum Einsteigen bereit und es geht bereits kurz danach los. Der Bus ist ziemlich leer. Wir haben wieder einen Platz auf dem Oberdeck bekommen. Ich habe das Gefühl, bis auf die Altstadt ist Tallinn eine einzige Baustelle. Überall schießen Bauten aus der Erde, werden Straßen erneuert und Plätze gepflastert.
    Es gibt viel auf-und nachzuholen.
    Ganz Estland hat 1,4 Millionen Einwohner und 0,4 Millionen leben davon in Tallin. Die Jugend zieht es aus den einsamen Dörfern hinaus in die Stadt. Das ist ein großes Problem. Viele gut ausgebildete Fachkräfte gehen ins Ausland, weil dort besser verdient wird. Das macht sich gerade im Gesundheitswesen bemerkbar. Es gibt in Estland eine gesetzliche Krankenversicherung, aber viel zu wenig
    Fachärzte. Daher muss oft monatelang auf einen Termin gewartet oder ein Arzt privat bezahlt werden. Probleme gibt es auch im Pflegebereich und in den Krankenhäusern. Tallinn hat 9 Krankenhäuser, aber viel zu wenig Fachpersonal. Während wir am Krankenhaus vorbeifahren, gibt es immer wieder die Warnung, wegen der niedrig hängenden Oberleitungen der Straßenbahn, nicht aufzustehen. Etwas mulmig schaue ich auf die knapp einen Meter über unserem Bus hängenden Leitungen und versuche mir nicht auszumalen,was passieren kann, wenn mal eine herunterfällt,
    Wir passieren inzwischen das ehemalige Arbeiterviertel, das Kalamaja, das aus Straßenzügen mit grauen und verfallen wirkenden Holzhäusern besteht. Einst, ein Viertel in dem Fischer und Bootsbauer ansässig waren. Im Zuge der Industrialisierung durch den Bau der Eisenbahn nach St. Petersburg im 19. Jahrhundert wurden die Häuser mehr und mehr zu Unterkünften für Arbeiter, die in den entstandenen Fabriken arbeiteten. Die besondere zwei- und dreistöckige Bauweise hat den Häusern den Namen "Tallinnhäuser" gegeben, und es gibt ca. 500 von ihnen. Die alte Industrieinfrastruktur ist in Kalamaja noch intakt und zum Teil noch in Betrieb. Vielen der Häuser ist der Zahn der Zeit deutlich anzusehen, aber in den letzten Jahren hat sich das Viertel durch den Zuzug von kreativen Lokalen. Geschäften und Bars neu gefunden und gilt inzwischen als eines der angesagtesten Viertel in Tallinn. Wir kommen zum russischen Kulturcenter und fahren weiter zum Freiluftmuseum und zum Zoo. Im Freiluftmuseum kann man reetgedeckte Bauernhäuser im Stil des 18. bis 20. Jahrhunderts, Windmühlen, eine hölzerne Kapelle und eine Dorfschule besichtigen und sehen,wie damals Menschen gelebt und gearbeitet haben. Allein für den Besuch von Zoo und Museum benötigte man zwei Tage, und wenn man noch in die, sich in der Nähe befindenden, riesen Shopping Mall "Rocca al Mare" geht will, noch mehr Zeit. Wir streifen "Pirita", einen Vorort von Tallinn. Dort befindet sich der zu den Olympischen Sommerspielen 1980 in Moskau gebaute olympische Yachthafen. Dann geht es wieder in Richtung Altstadt und Hafen zurück. Dabei erfahren wir, dass über 40 Prozent von Estland Sumpfgebiet ist. Wen wundert es da, dass die Stechmücken auch Landflucht betreiben und in der Stadt nach Nahrung suchen.;-)
    Nach eineinhalb Stunden nähert sich der Bus wieder unserer Haltestelle am Fährterminal. Aber was macht der Busfahrer? Er fährt einfach an der Haltestelle vorbei. Als ich anmerke, dass wir den Bus hier verlassen wollen, meint er, wir sollten am Kreuzfahrtterminal aussteigen, wir wären ja nicht früh genug heruntergekommen. Dabei wurde immer wieder darauf hingewiesen, erst aufzustehen, wenn der Bus hält. Verstehe einer die Denkweise. Uns beschert es einen kleinen zusätzlichen Spaziergang, um zum Wohnmobil zu kommen. Jetzt wird es aber Zeit,Tallinn zu verlassen, denn an diesem Wochenende wird hier der" Iron Man" ausgetragen und es sind bereits einige Straßen gesperrt. Ich bezahle die Parkgebühr am Automaten. Neun Euro für 24 Stunden. Dann geht es relativ problemlos aus Tallinn heraus und auf der A4 nach Pärnu, das wir gegen 15.00 Uhr erreichen. Wir fahren in den etwas außerhalb gelegenen "Solar Caravanpark", eine relativ neue und super ausgestattete Anlage. Dort erleben wir eine Überraschung. Wir sind das 900. Fahrzeug auf dem Platz und bekommen deshalb eine Tafel Schokolade "handmade" in Pärnu. Die zweite Überraschung , allerdings negativer Art erfolgt wenig später im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Fuße. Eine Wespe ist in meine Sandale geschlüpft und sticht zu. Den weiteren Verlauf des Tages bin ich damit beschäftigt, den Fuß zu kühlen.
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