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  • Day 60

    nach der Bergwanderung sind wir platt...

    January 28, 2017 in Argentina ⋅ ☀️ 15 °C

    Zu Hause bei Davide und Florinda angekommen, springen wir erst einmal unter die Dusche, um die dicke Staubschicht abzuwaschen. Wir sind alle fix und fertig und Davide lädt uns anlässlich seines Geburtstages noch zu Empanadas ein. Und na klar, es gibt auch selbst gebrautes vorzügliches Bier.

    Heute reden wir nicht viel, da wir alle auch richtig erschöpft sind. Dafür reden wir aber über ein richtig interessantes Thema. Wir kommen auf unsere Generation zu sprechen. Wir fragen die beiden, wie ihre Eltern mit der Auswanderung so zurecht kommen und was ihre Meinung dazu ist. Sie sagen, dass sie geteilter Meinung sind. Einerseits ist die Meinung, dass man etwas aus seinem Leben machen muß und die andere Seite ist eher unverständlich und meint, dass die beiden ihre Zeit verschwenden. Wir können die Argumentationen der beiden sehr gut nachvollziehen und wir diskutieren darüber warum wir so anders denken als unsere Vorfahren, bzw. die Generationen, die vor uns gelebt haben.

    Davide hat einen sehr interessanten Einwand zu dieser Diskussion und und meint, dass es uns erst möglich geworden ist, durch die Generationen unserer Vorfahren ein solches Leben zu führen, wie wir es führen. Dafür sind wir alle sehr dankbar und einig. Was wir für uns festhalten ist aber auch, dass sich Geschichte bisher immer wiederholt. Es gibt schwere Krisen, danach gibt es einen Aufschwung und goldene Zeiten, danach kommt wieder ein Niedergang. Es ist wie eine natürliche Wellenbewegung, die unaufhaltsam vor sich hinrollt. Dies ist, eben genau das, was wir nicht mehr wollen. Dass sich die Menschheit immer wieder in Krisen manövriert die einfach nicht sein müssen. Wir wollen ein konstantes, entspanntes, glückliches Leben. Dafür braucht es unserer Meinung nach nicht viel.

    Es war eine andere Zeit und es waren andere Umstände, die das Leben unserer Grosseltern und Eltern geprägt haben. Die Aufgaben zu diesen Zeiten waren auch andere und damit hat man einen Fokus auf die wichtigen Dinge im Leben gehabt. In den Generationen vor unserer Zeit lag der Fokus darauf, zerstörte Städte wieder bewohnbar zu machen, Land zu bewirtschaften, um sich ernähren zu können, Wirtschaft zu stärken, um ein Gesundheits-, Versicherung-, Renten- und Finanzsystem aufzubauen. Ein riesiger Bildungsapparat wurde geschaffen und ein jeder kann in Deutschland unbesorgt aufwachsen.

    Unsere Generation geniesst eine Bandbreite an Auswahl. Wir sind hoch entwickelt und können uns in alle möglichen Richtungen weiterbilden. Die Auswahl ist riesig. Wir sind damit so überfordert, dass wir uns dafür entscheiden, sich zu dem zu entwickeln, was wir für wichtig empfinden.

    Was wir wollen ist mehr Zeit für Familie und für eigene private Ziele. Diese sind verknüpft mit mehr Selbstverwirklichung und Eigenständigkeit innerhalb eines dementsprechend passendes Umfeldes, in dem man wiederum ein Teil einer Gemeinschaft sein kann, in der ein jeder seinen Platz hat und gewertschätzt wird, unabhängig von seiner Arbeit, seines Alters und seiner Herkunft.

    Wir reden ausserdem über Patriotismus, den es scheinbar auch auf der ganzen Welt gibt. Vor allem dieser Lokalpatriotismus ist in Italien genau so vertreten wie in Deutschland zwischen den Schwaben und den Badenern, den Ober- und den Niederbayern, den Deutschen und den Schweizern usw. Da stellen wir also auch immer wieder Parallelen auf der ganzen Welt fest. Auch hier in Südamerika gibt es diesen Lokalpatriotismus, nützen tut er keinem etwas, ausser dass er Neid und Missgunst verursacht.

    Zuletzt fragt uns Davide wie wir über den Terrorismus in Europa denken. Wir haben dazu garkeine richtige Meinung, da wir keinen Fernseher haben bekommen wir von den meisten Nachrichten garnichts mit und haben dementsprechend auch keine Angst davor. Davide erzählt uns dass seine Eltern extrem eingeschüchtert sind seitdem sie immer wieder davon hören. Unser Fazit dazu ist, dass einen die Massenmedien nur in Angst und Schrecken versetzen. Sie bekommen ihre Informationen aus Zeitungen und Nachrichten im Fernsehen. Das ist wohl der Grund warum wir alle nicht solche Befürchtungen haben, da wir uns mit diesen Nachrichten nicht beschäftigen.
    Auch die beiden haben keinen TV und lesen keine Klatsch- und Tratschnachrichten.

    Wir freuen uns immer mehr darüber, Gleichgesinnte in der Welt anzutreffen. Immer wenn man so über die Lebenseinstellung und Visionen redet, kommt man an ähnliche Punkte und dann hört man den Satz: "Irgendwie ist es schön, Menschen zu treffen, die genau so denken. Dann fühlt man sich nicht so alleine."
    Wenn aber doch viele so denken, dann kann man doch auch etwas bewegen. Wir freuen uns schon sehr, auf das was uns noch so erwartet und was wir noch so erleben.

    Es ist Zeit ins Bett zu gehen. Gute Nacht.
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