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  • Day 20

    Fokus

    April 17, 2021 in Germany ⋅ ☁️ 5 °C

    Wir sitzen im nachmittaglichen Sonnenschein vor der Villa. Es liegt noch einiges an Weiss und die Luft ist so frisch und kalt, dass wir uns alle Decken geschnappt haben. Der leichte Wind treibt den schmelzenden Schnee vom Hausdach als feinen, prickelnden Nieselregen über unsere Köpfe. Gespannt blicken alle Emil an, der gerade etwas in sich geht, um Kathrins Frage nach Forschungs- und Experimentierräumen nachzugehen. Räume um sich selbst, die Welt und alle Interaktionen dazwischen zu beleuchten. Wie können sie entstehen? Welche bestehen schon? Ist es dafür förderlich unterwegs zu sein oder ist es besser den Austausch in einer festen Gruppe an einem Ort zu organisieren um gemeinsam vorwärts zu kommen?
    Emil möchte zu allererst seinen ganz persönliche Art in diesem Feld zu Lernen aufzeigen. Er hatte eines Tages die Idee, seinen ganz eigenen Studienweg zu erschaffen, indem er diesen in Gedanken benannt und erschaffen hat. Welche Fächer würde er beinhalten? Wie würde das Lernen aussehen? Was würde mich wirklich von ganzem Herzen interessieren und entflammen? Ausgehend von dieser Idee suchte er sich daraufhin Orte, Menschen und Mitstudierende, die sich ebenfalls genau für diese Fragen interessierten. Dafür gab es für ihn zum Schluss zwar kein offizielles Diplom, aber die innere Gewissheit, genau das zu tun und seine Zeit mit jenen Dingen zu verbringen, die er sich wünscht. Was würde geschehen, wenn wir uns jeden Tag Raum geben jene Dinge zu erforschen, für die wir wirklich brennen? Wie würde sich solch ein Leben anfühlen?

    Ihr mögt nun vielleicht denken, dass diese Vorstellung zwar äusserst verlockend klingen mag, aber mit der Realität wenig gemeinsam hat. Dass das Leben immer auch mühsame und schwere Dinge mit sich bringt. Ich für meinen Teil, dachte früher auch so und tue es zeitweise noch heute.
    All jenen Zweifler/innen sei gesagt: Emil ist inzwischen für sehr viele Menschen in Deutschland ein Begriff, die sich eine andere Welt wünschen. Er hat eine vielzahl von Projekte gegründet, Menschen begleitet und inspiriert. Sein Wirken hat erstaunlich viel verändert, obwohl er stets nicht den einfachen und konventionellen Weg gewählt hat. Er z. B. der Mitbegründer des Wandererhauses, der Gestaltzeit, der Weltenwandererwoche und war Gründer und erster Student der Wanderuni.
    Mit seinem selber ausgebauten Bauwagen hat er bereits ein Eigenheim ohne dass er sich dafür verschulden oder mühselig abrackern musste. Er weiss sehr oft sehr genau was er will und braucht und besitzt eine Neugier und Offenheit, die mich immer wieder überrascht und Bewunderung in mir auslöst. Er zeigt mit seiner Lebensweise, dass es auch ganz anders geht und unterstützt daneben sehr viele Menschen auf ihren eigenen Wegen. Das macht Emil zu einer der bemerkenswertesten Personen, die ich in meinem Leben kennenlernen durfte.

    Auch Inca, die seit einigen Tagen hier vor Ort ist, war in den letzten Jahren auf ähnlichen Pfaden unterwegs. Sie hat immer wieder nach innen gefühlt und sich die Frage gestellt, welche Frage gerade in ihr brennt. Dieser Spur ist sie dann über Menschen, Orte und Bücher gefolgt, bis eine andere Frage aufgetaucht ist. Sie ging dabei kreative Wege. Über die Natur, hin zu Gedichten, Tanz, Fachliteratur, Seminaren aber auch persönliche Gespräche mit den Autor*innen zahlreicher Werke.

    Emil nennt derweil noch einige Tools, die ihm nützlich waren. Darunter die Gestaltausbildung, die "Heldenreise oder die KörperlICH Woche in Witten. Damit hat sich Kathrins Frage fürs erste geklärt

    Zoran, der hier vor Ort sein Studium in Theologie und Wirtschaftsethik absolviert, fragt Emil, wie er dieses integrativer unterbringen könnte. Er tut sich schwer in zwei Realitäten zu leben. Seinem Studium und der Villa. Zwei Menschen zu sein. Emil erzählt, dass er oft daran forscht für sich eine passende Tagesstrukur zu finden. Dass z. B. das Wetter bei Ihm sehr viel damit zu tun hat, welchen Schwerpunkt und welchen Fokus er setzt. Mal locker, mal sehr zielgerichtet. Er lädt Zoran aber auch ein, seine Inhalte mit uns zu teilen. Sein Studium als Lernfeld für die Menschen hier zu öffnen, geht er doch vielen Fragen nach, die auch uns beschäftigen.

    In mir kingt die Frage mit dem Fokus lange nach. Die Frage, wie ich meine Zeit hier verbringen möchte. Wie meine Struktur aussieht oder ob ich mir erlaube keine zu haben.
    Ich gehe derzeit keinem spezifischem Thema nach und bekomme doch täglich so viele Impulse wie sonst in mehreren Wochen. Es ist ein mitfliessen ohne Wissen wohin mich der Fluss trägt. Ich frage mich: Passt das gerade für mich?
    Ich höre auch eine Leise Stimme die sagt, dass ich ohne klare Richtung nicht weiterkommen kann. Doch stimmt das? Oder dehne ich mich vielleich gerade in alle Richtungen aus? Ich erkenne in dieser Stimme auch eine Konditionierung aus der Vergangenheit. Im Leistungsgedanken, der sich immer und in allem messen will. Vielleicht hat diese Stimme aber auch recht. Ich nehme mir auf alle Fälle vor, mir diese Frage in den nächsten Tagen öfters zu stellen.
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