Germany
Sulzbrunn

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Travelers at this place
    • Day 1

      Über diesen Blog

      March 29, 2021 in Germany ⋅ ☀️ 16 °C

      Liebe*r Leser*in

      Schön, dass Du auf meinen kleinen Blog gefunden hast. Ich bin sicher diese "Reise" hat auch für Dich den einen oder anderen Impuls dabei, der etwas in Dir anstösst oder Dir dabei hilft deine Möglichkeiten und Potentiale, deine Freiheit und deine Lebendigkeit mehr in den Alltag zu integrieren.

      Meine Vision und die Pläne zu diesem Vorhaben haben sich seit der Grundidee, die sich vor nun gut und gerne 8 Jahren bei mir eingepflanzt hat, grundlegend verändert. Zu dieser Zeit habe ich es als "Reise" aufgefasst und bezeichnet. Damals stand das "wo" ganz eindeutig vor dem "was" und "wie". Doch die Idee veränderte sich mit der Zeit und die "Reise" wurde durch das Wort "Auszeit" ersetzt. Das "was" und das "wie" hatten mit dem "wo" getauscht. Allerdings wird dieser Begriff gerne missverstanden. Es schwingt das Wort "Pause" und "Erholung" oder gar der Begriff "Kur" mit. Ein sich Distanzieren von den schwierigeren Themen im Leben. So ganz falsch ist das nicht und irgendwie doch.

      In den letzten zwei Jahren hat sich daraus der Begriff "Entwicklungszeit" kristallisiet. Er weist auf Veränderungen und ein "Überdenken" hin aber verdrängt gleichwohl nicht die schwereren Themen. Denn mein Weg in den nächsten Jahren wird und soll beides enthalten. Das ablegen von alten Balast, von eigenen und fremden Erwartungen und Mustern und auch ein fokusieren auf das wesentliche sowohl materieller Natur (als Wanderrucksack) , wie auch im Tun.
      Ich möchte in den nächsten Jahren meine Zeit exakt und ausschliesslich auf jene Sache verwenden, die mich auf persönlicher Ebene weiterbringen, erfüllen und glücklich machen.

      Ich möchte darauf hinarbeiten soweit zu kommen, dass ich nur noch Dinge tue, die ich aus freien Stücken und aus Überzeugung wirklich möchte. Und nein, dass heisst nicht, dass ich nur noch Dinge tuen werde, die mir total Spass machen. Auch ich werde weiter meine Steuererklärung ausfüllen und an der Ampel auf grünes Licht warten.
      Es heisst, dass ich mir möglichst immer bewusst bin, wieso ich etwas tue und welcher Wunsch, welche persönliche Überzeugung oder welches Bedürfnis dahinter steht.

      Ich möchte jene Ängste und Projektionen ins Auge schauen, die mich in meiner Freiheit zu entscheiden, wie ich handeln möchte, einschränken und gleichwohl verstehen wieso ich sie mit mir trage. Und ich möchte fremde Erwartungen und kulturell und sozial anerzogene Muster, die mir nicht mehr dienlich sind erkennen, ablegen oder transformieren
      Es kann also alles passieren in dieser spannenden Zeit.

      Ich bin mir bewusst, dass Du beim Lesen immer wieder über Rechtschreibfehler stolpern wirst und das diese auch deinen Lesefluss und dein Lesevergnügen beeinflussen könnten. Es ist keine Hast sondern eine meiner Schwächen. Verzeih mir also und mach für einmal den Versuch über sie hinweg zu lesen, statt an ihnen hängen zu bleiben.

      Vielleicht ist auch der eine oder andere Gedanke nicht vollständig zuende geführt oder fehlerhaft. Das was hier steht ist einfach ein Ausschnitt aus meinem persönlichen Erleben und meiner derzeitigen Weltansicht und hat weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch auf absolute Wahrheit. Nehmt es also als Anregung. Gerne dürft Ihr mit eurem Kommentaren das ergänzen, was Ihr hier vermisst.
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    • Day 2

      Schmetterlinge

      March 30, 2021 in Germany ⋅ ☀️ 15 °C

      Vielleicht hast Du Dich gefragt, was dieser Titel bedeuten mag. "Ways to Metamorphosis" klingt für Dich vielleicht erstmal etwas fremd. Vielleicht auch nach etwas aus einer Ecke, die Du sonst eher meidest oder anderen Menschen zuordnen würdest. Bunten Hippies aus 68er, einem esoterisch angehauchten feelgood Seminaren oder als Titel für eines von diesen perfekt inszenierten hochglanz Magazinen, die über Achtsamkeit, Yoga und morpogenetische Felder berichten.

      Darin mag sogar eine gewisse Absicht und eine gewisse Stossrichtung liegen, wie ich zugeben muss. Für mich ist der Titel vorallem mit einem Tier verknüpft. Ein Tier das mich bis heute fasziniert und ein Stück weit auch begleitet. So prägt sie das Logo und die Lieder meiner Lieblingsband (ASP), der ich nun schon fast 17 Jahr folge. Hier allerdings als düstere Version des freudschen animalischen "Es". Als Sinnbild der Polaritäten von gut und böse, die in uns allen schlummern. Er prägt für mich aber in einem weit positiveren Sinnbild als Utopie, wie ich mir unsere Bildung und unsere Arbeitswelt irgendwann vorstellen möchte. Und er prägt mich in meinem Bild zu unserer Entwicklung, die zuerst innerlich (im Kokon) stattfindet, bevor sie sich äusserlich zeigen kann.

      Ich konnte den Schmetterling übrigens vor ein paar Jahren sogar in Olten einschmuggeln. Er ziert seit ein paar Jahren das Logo der regionalen Transition Town Bewegung (Olten im Wandel). Aus meiner Sicht passt er perfekt zu dem was dieser Verein Aussagen und Erreichen möchte, weshalb ich diesbezüglich auch gar kein schlechtes Gewissen habe.

      Ich bin wohl auch nicht der einzige Mensch, der diesem speziellen Tier eine besondere Bedeutung zumisst. So ist seit diesem Frühling auch der vegane Unverpacktladen in Solothurn zu ehren dieses Tieres getauft. Diesmal aber ganz ohne mein zutun =)
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    • Day 3

      Leben oder gelebt werden?

      March 31, 2021 in Germany ⋅ ☀️ 13 °C

      Die fünf Tage Quarantäne, die ich hier im Zimmer, während draussen bestes Wetter herrscht, verbringen darf, sind bisweilen gar nicht so schlimm. In mir ist für einmal das Gefühl abhanden gekommen etwas "produktives" mit dem Tag tun zu müssen. Da ich weder raus darf, noch mit anderen Menschen direkt in Kontakt treten kann, sind meine Erwartungen an mich selber plötzlich komplett weg. Das ist so paradox es auch klingen mag auch sehr befreiend. Unsere Céline von der Wanderuni hat letztes Jahr die Erfahrung von "ich muss gar nichts" gemacht und vielleicht ganz ähnlich empfunden wie ich jetzt gerade.

      Ich bin noch etwas müde weil es gestern irgendwie doch spät geworden ist. Die "Game of Thrones" Hörbücher sind wohl nicht die beste Nachtlektüre... Es stresst mich kein bisschen und spielt auch keine Rolle. Wenn ich schlafen möchte, kann ich das schliesslich jederzeit tun.
      Mein Hungergefühl ist in den letzten Tagen etwas abhanden gekommen. Ich bin immer wieder am snacken und habe nur Abends eine feste grosse Mahlzeit. Erdnüsse, Karotten, Äpfel, Brot mit Aufstrich, Kekse oder Schokolade in einem wilden durcheinander. Ich bin mir derweil aber noch unsicher, ob ich die nächsten Tage so weitermachen möchte. Wohl eher nicht.

      Gleichzeitig sind diese fünf Tage, in denen ich mich nur mit mir selber beschäftigen kann, irgendwie auch ein spannender Übergangs in diese neue Zeit. Ich freue mich schon sehr darauf am Samstag (sofern alles gut läuft) in die Villa Damai einziehen zu können. In ein Trubel von zwanzig jungen Menschen, die sich derweil mit ganz ähnlichen Themen beschäftigen.

      Ist es nicht ein riesiges Privileg sich einfach die Zeit nehmen zu können, das zu tun was man wirklich will? Nur ein sehr kleiner Anteil der Menschen auf dieser Welt können diese Wahl treffen. Und von jenen, die könnten, tuen es die wenigsten.
      Wieso eigentlich? Bin ich mutiger? Oder naiver?
      Bleibt die Mehrheit in ihrer Struktur weil sie es so will oder weil sie bereits zum Sklave der Gewohnheit geworden ist?

      Diese Frage habe ich mir die letzten Jahre oft gestellt. Sie war auch mit viel Unsicherheit verbunden, wie ich selbst reagieren würde, wenn es dann wirklich konkret wird. Ich hatte in dieser Zeit einige Begegnungen mit Menschen, bei welchen ich diesen Funken der Neugier und der Sehnsucht, gewohnte Strukturen hinter sich zu lassen, auch gespürt habe. Bei einigen, bei welchen dies sehr stark gezeigt hatte, hat sich daraus tatsächlich eine Art Feuer entwickelt und sie sind schliesslich aufgebrochen. Sie konnten nicht anders. Bei andern erlosch der Funke kurz darauf wieder. Umstände kamen dazwischen: Der/die Partner*in, eigene Kinder, der Job oder die eigen Ansprüche an Konfort oder Status. Es gibt viele rationale Gründe es nicht zu tun. Es ist bis zu einem gewissen Grad total unvernünftig und unsicher. Ängste spielen nicht selten eine grosse Rolle. Oder auch der Verlust von Sinnhaftigkeit, der sich einstellt, wenn sich jemand stark mit seinem Beruf identifiziert oder die eigene Arbeitsleistung und den Selbstwert stark verknüpft hat. Solcherlei Erfahrungen können Verbindungen aufzeigen, die manchmal überraschen.

      Aber bleiben wir mal realistisch. Vieles vom oben genannten geht nicht verloren, auch wenn wir uns für einen anderen Weg entscheiden sollten. Wir müssen einfach eine andere Struktur dafür finden. Der Weg wird vielleicht unsicherer aber nicht unpassierbar. Man könnte auch behaupten, dass das was da "passiert" und unsicher ist, genau das ist, was wir als letztlich Leben oder Lebendigkeit wahrnehmen und uns nährt in einem tieferen Sinne nährt.
      Ist uns Sicherheit und Kontrolle so wichtig, dass wir dafür sogar unsere innersten Wünsche und Träumen aufgeben, weil sie uns kindisch und naiv erscheinen? Dass wir dafür sogar bereit ein Teil unserer Lebendigkeit eintauschen?

      Ein Stück weit nehme ich dies so wahr. So wurde Isolde aus unserer Wanderunigruppe (Sie ist 19!) tatsächlich gefragt ob sie sich denn noch keine Gedanken über ihre Rente mache. Bei ihr stand gerade die Entscheidung an ihre Ausbildung abzubrechen, weil diese für sie nicht stimmig war. Wieviele Menschen leben(?) mit dem Vorsatz: "Wenn ich dann in Rente bin..."
      Sind denn Erfahrungen und lebendige Erinnerungen und Geschichten nicht auch eine art Vorsorge in die es sich zu "investieren" lohnt?
      Wenn uns unser Leben wie ein täglicher Kampf erscheint, dann sollten wir uns vielleicht fragen, ob nicht wir uns diesen selbst aufzwingen. Ob wir damit nicht fremde Erwartungen erfüllen statt unsere eigenen Bedürfnisse.

      Es ist vergleichbar mit dem Schwimmen in einem Fluss. Schwimmen wir der Strömung entgegen, können wir uns der Landschafts um uns herum sicher sein. Sie wird Tag für Tag gleich aussehen. Und vielleicht ist sie auch ganz hübsch. Das Schwimmen für sich aber ist verdammt anstrengend.
      Lassen wir uns hingegen vom Fluss treiben so werden wir verschiedene Landschaften erleben. Solche die mit ihrer Schönheit und Anmut beglücken, aber auch solche die uns schmerzt und Angst machen wird. Doch genau dadurch setzten wir auch einen Kontrast zum Glück und zur Schönheit. Damit werden wir beides intensiver wahrnehmen und fühlen können. Und wie ich aus persönlicher Erfahrung weiss: Nur fühlen heisst Leben.

      In diesem Gleichnis zeigt sich aber noch ein weiterer wichtiger Punkt. Nicht nur die Landschafts verwandelt sich, wenn wir uns mit dem Fluss treiben lassen, sondern auch wir verwandeln uns dabei.

      Wir durchlaufen eine Metamorphose in der wir ähnlich einer Raupe mit vielen Möglichkeiten und Potential starten. Unterwegs stellen wir uns unseren Ängsten und Mustern, die uns wie ein Kokon einschnüren und uns unserer wahren Freiheit berauben. Jedes Mal wenn wir in einer solchen Situation Selbstverantwortung übernehmen anstatt uns als Spielball des Zufalls zu sehen, gewinnen wir ein Stück Form. Um zum Schluss als vollendete Gestalt, als eine feste Manifestation aus den unzähligen Formen die möglich gewesen wären, herauszubrechen. Welche Verschwendung nach innen und aussen wäre es also als Raupe zu sterben aus Angst, bei der Suche nach der Form verloren zu gehen?

      Richtige Raupen haben zum Glück keine Wahl. Sie werden immer zum Schmetterling. Uns aber obliegt die Verantwortung diesen Schritt bewusst und willentlich zu tun. Ob das Fluch oder ein Segen ist, dass entscheiden wir letztlich selber.
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    • Day 4

      Privilegien und wie wir sie nutzen

      April 1, 2021 in Germany ⋅ ⛅ 18 °C

      Ich habe gestern mit Alex telefoniert. Sie ist vor wenigen Tagen in die Schweiz zurückgekehrt, nachdem sie die letzten Wochen Bihac, einer Stadt im Bosnien nahe der kroatischen Grenze verbracht hat. In dieser Region halten sich momentan viele Flüchtlinge auf, in der Hoffnung irgendwie über die Landesgrenze in die EU gelangen zu können. In den Medien ist davon eher spärlich zu hören. Ein "Problem" von dem in Europa nicht gerne gesprochen und geschrieben wird, weil es in direktem Kontrast zu den Werten steht, deren sich dieser Länderverbund verschreibt. An diesen Grenzen scheiden sich nicht nur Politik und eine gemeinsame Währung, sondern auch die Gewinner und Verlierer der Globalisierung und des Klimawandels. Eine unsichtbare aber gewollte Grenze zwischen Arm und Reich und zwischen priviligierten und unpriviligierten Menschen. Eine Trennlinie zu deren Verteidigung auch der Verlust von Würde oder Leben in Kauf genommen wird.
      Derweil findet eine starke Verdrängung und Verwischung diese Thematiken statt, die sogar darin gipfelt, das die Verteidigung der Menschenrechte zu einem Akt der Kriminalität wird. Fast scheint die naive Hoffnung zu bestehen, dass sich "solcherlei Geschichten" irgendwie in Luft auflösen werden und diese Krise dafür nur lange genug ausgesessen werden muss. Derweil leiden vorallem Geflüchteten. Sie mussten den letzten Winter unter Umständen überstehen, die wohl den Titel "würdelos" tragen könnte. Ähnlich Geschichten spielen sich anderen Orten ab, dass bei uns bekannteste Beispiel ist wohl Moria in Griechenland.

      Alex erzählte mir von ihrem kulturellen Schock bei ihrer Rückkehr. Es fiel ihr sehr schwer, nachdem sie all das Leid und die Not der Menschen vor Ort erfahren hat, einfach wieder in den Alltag einzusteigen, wie wir ihn kennen. Ihr ist bewusst, welche Privilegien wir hier als allzuschnell als selbstverständlich erachten.

      Auch ich habe mich in der Vergangenheit schon öfters diesem Thema beschäftigt. Und vor einigen Jahren erstaunliches herausgefunden. Wer in der Schweiz geboren wurde, hatte sehr viel Glück. Es kommt tatsächlich einem 4er im Lotte gleich, machen wir doch nur etwa 0.1% der Weltbevölkerung aus. Wer in unserem Land lebt und 50'000 Franken im Jahr verdient, gehört sogar zum einkommensreichsten Prozent dieser Welt. Selbst wenn wir hier am Existenzminimum Leben sind wir noch unter den Einkommensreichsten 5% zu finden. Höhere Preise für Mieten, Krankenkassen, Lebensmittel bereits eingeschlossen. Wenn wir also der von der "Elite" oder dem reichsten Prozent dieser Welt ankreiden möchten nichts gegen solcherlei Zustände zu tun, dann beschuldigen wir uns sogar selbst.

      Was für uns normal ist oder vielleicht sogar an unseren Vorstellungen von minimalem Komfort kratzt, ist alles im Grunde genommen andere als selbstverständlich. Weshalb aber, nehmen wir dies so selten war?
      Zum einen besitzen wir die Tendenz, uns mit jenen zu vergleichen, die mehr besitzen als wir. Zum andern vergleichen wir uns natürlich vorwiegend mit unserem direktem Umfeld. Beides verzerrt die Wahrnehmung was eigentlich "normal" wäre enorm.

      Wir besitzen, selbst wenn unser Konto komplett leer wäre unglaubliche Privilegien: Wir haben Zugang zu hochwertigen Bildungseinrichtungen und eines der besten Gesundheitssysteme weltweit. Wir haben ein Justizsystem, dass nicht auf Willkür beruht. Wir können und dürfen unsere Ansichten frei äussern und haben Medien, die unabhängig berichten könn(t)en. Wenn wir einen Schweizerpass besitzen, können wir wählen und gewählt werden. Wir können jede Arbeit aufnehmen die wir möchten und unseren Wohnsitz frei bestimmen. Wir sind frei in der Wahl unserer Partner*in(nen), in der Ausübung unserer Religion und in unserer sexuellen Orientierung. Wir haben ein Anrecht auf ein minimales Einkommen und ein Dach über dem Kopf, ganz egal wie unsere Situation gerade ist usw.

      Dies mag dazu verleiten unglaublich stolz auf all diese Privilegien zu sein und unser Land als weltweites Vorbild zu betrachten. Dabei wird aber gerne vergessen, das vieles dieser Errungenschaften einen langen und manchmal blutigen Weg in der Geschichte hinter sich haben. Unser Land, Europa und auch Teile des amerikanischen Kontinents verdanken ihren Wohlstand zu einem massgeblichen Teil den bis heute andauernden kolonialistischen und ausbeuterischen Strukturen von Kapitalismus und Neoliberalismus. Wir sind reich weil andere arm sind. Wir konnten uns bilden weil andere derweil für uns zu Hungerlöhnen und unter schrecklichen Bedingungen für uns arbeiten.
      Es gibt also einen hohen Preis, den zumeist andere für unsere Freiheit zahlen.

      Gewiss, wir können mit unseren Handlungen und unserem Konsum dazu beitragen, dass diese Strukturen abgeschwächt werden. Aber ganz abwerfen könnten wir sie nur durch einen kompletten Ausstieg oder Systemwechsel. Und selbst dann verbleibt die Ungewissheit, ob das neue System wirklich gerechter sein wir. Zu viel in unserem derzeitigen System beruht noch auf diesen alten Strukturen, als das wir es mit etwas grünem Konsum gänzlich verändern könnten.
      Ist Aussteigen und der damit einhergehende Verlust der Privilegien also die einzige Lösung?
      Sollten wir uns für unsere Privilegien schämen?

      Ich für meinen Teil kann heute beide Fragen mit einem klaren Nein beantworten. Und
      die beiden lassen sich auch zusammen beantworten. Zum einen ist schwierig Privilegien abzuwerfen. Wir können zwar ihre Nutzung verweigern, aber die meisten bleiben trotzdem als Möglichkeit und Recht bestehen.
      Sie zu verweigern hat in vielen Fällen wenig oder keine Auswirkungen auf den Rest der Welt und beruhigt höchstens unser Gewissen. Manche sind aber auch schlicht Errungenschaften, deren Erhaltung sich lohnt, wie ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem.
      Es gibt deshalb noch einen weiteren Weg.
      Er geht darüber Scham und nicht das Privileg selbst abzulegen. Privilegien sind Macht und Macht können wir nutzen um Veränderungen zu bewirken. Achtsam verwendet, können wir damit unseren Mitwesen dazu verhelfen selber mehr Rechte und Möglichkeiten zu erlangen.

      Wenn wir einen hohen Verdienst besitzen, können wir durch gezielte Spenden und Interventionen Strukturen beeinflussen. Wenn wir unsere freie Meinung äussern dürfen ohne Angst auf Repression, so können wir dies nutzen um auf Missstände aufmerksam zu machen. Wenn wir Zeit haben, können wir diese nutzen um direkt zu intervenieren oder politische Instrumente zu aktivieren, um Veränderungen und Abhilfe zu schaffen.
      Während uns Scham und Abwehr bremst und lähmt, bringt uns Akzeptanz und Integration weiter.

      Dieses Wissen hat mich vor einigen Jahren dazu ermutigt in einem ersten Schritt den Pladge bei Giving what we can zu unterzeichnen und fortan 10% meines Einkommens an eine Organisation zu spenden, die damit möglichst viel Wirkung erzielt. Bis heute sind daraus gar 15% daraufs geworden.

      Hier kommen wir an einen Punkt, der mich schon ebenfalls schon länger beschäftigt.
      Ist die Nutzung unserer Privilegien zum Allgemeinwohl hin nicht eher ein Pflicht denn eine Kür? Müssen wir die Vorstellung von "Wohltätigkeit" vielleicht überdenken und zum Schluss kommen, das es falsch wäre unsere Rechte und Mittel nicht für altruistischen Zwecke sondern nur für uns selbst zu nutzen? Wie würde wohl ein Welt aussehen in der dieses Ideom selbstverständlich wäre?

      Diese Fragen kann und will ich in den nächsten Monaten auch auf die praktische Ebene meiner Entwicklungszeit herunterbrechen. Das Privileg so etwas tun zu dürfen, birgt in sich immer auch die Frage mit sich, was dabei meine Pflicht sein könnte. Die Antwort wird sich mit der Zeit geben.
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    • Day 5

      Zwischen Gedanken und Gefühlen

      April 2, 2021 in Germany ⋅ ⛅ 11 °C

      Heute ist mein letzter voller Tag im Quarantäne.
      Und auch wenn ich mehr und mehr auf die Vorstellung freue, mich ab morgen wieder völlig frei bewegen zu können, ist es mir bisweilen noch nicht langweilig geworden.

      Vor gut zwei Tagen, habe ich mit Damiano Nöthen vom Gestaltforum Freiburg telefoniert. Seit vielen Jahren bildet und befähigt er Menschen im Bereich der Gestalt-Therapie/Arbeit. Und wenn alles klappt, werde auch ich ab April in seiner Lerngruppe sein.

      Damiano hat mich ein bisschen über meine Geschichte und Hintergründe ausfragt, weshalb ich diese Ausbildung machen möchte. Ziemlich schnell wir sind zu einem Thema vorgestossen, dass mich nach wie vor sehr beschäftigt und wohl auch mein Denken massgeblich verändert hat. Als ich dann gestern in meiner Quarantäne Lektüre weitergelesen habe, fand ich eine sehr ähnlich Aussage im Lehrbuch von Frederick S. Pearls, der als Begründer der Gestalttherapie gilt. Es ist der vorherrschende Glaubenssatz, dass wir Emotionen (subjektive Wahrnehmung) und die tatsächlich Realität (objektive Betrachtung) strikte trennen sollten. Das die Vermischung der beiden zu einer verzerrten Realität führt.
      Als Chemiker und Chemielaborant, ist mir dieses Paradigma in Fleisch und Blut übergegangen. Mit der Folge, dass über die Jahre ein grossen Teil meiner Ausdrucksfähigkeit verloren und zu einer wohlstrukturierten aber weitgehend toten und trockenen Sprache übergegangen bin.

      Zweifellos bringt diese Ausdrucksweise auch gewisse Vorzüge mit sich. Sie ist so einheitlich, dass weniger Interpretation stattfinden kann. Wie ein Kochbuch kann es von Dir und mir gelesen werden und das Resultat unserer Bemühungen wird, sofern wir genügen mit Sprache vertraut sind und ein gewisses Geschick aufweisen, fast identisch sein.

      Die objektive Sprache bringt aus meiner Sicht aber grosse Gefahren mit sich. Sie kann dazu führen, dass Empathie unterbunden wird und wir mit kühlem Blick nur auf die Oberfläche der Dinge zu schauen Vermögen. Es ist wie schwimmen in einem See ohne abzutauchen.
      So wird uns z. B. im Militärdienst ein stereotyopisches und objektives Feindbild indoktriert. Und bei Schiessübungen wird auf Siluetten geschossen, die einem menschlichen Oberkörper gleichen. Mit nur einem Zweck: Der Objektifizierung vom Subjekten. Sollte tatsächlich einmal der Kriegsfall eintreffen wäre es höchst hinderlich, wenn Soldat*innen ihr gegenüber als emotionalen und sozialen Wesen mit Eltern, Kindern, Freunden, Partner*in, die ihn/sie lieben, wahrnehmen würde. Als jemand, der Dir und mir selber sehr ähnlich ist. Jemand der gerade auch Angst empfindet und eigentlich gar nicht kämpfen möchte. Könntest Du in in diesem Gefühl wirklich noch abdrücken? Über 80% können es ohne "Training" nicht.
      Wir haben in unserem inneren einen tiefen Wiederstand ein fühlendes und damit uns ähnliches Mitwesen zu töten. Vorallem denn, wenn Du ihm dabei noch in die Augen schauen müssen. Deshalb "externalisieren" wir solcherlei immer häufiger durch Maschinen (Drohnen, Bomben) oder Menschen, die eine bestimmte Tätigkeit professionell lernen und ausführen. Schlachter*innen sind ein glänzendes Beispiel für die professionelle Umwandlung von Subjekten (nichtmenschliche Tiere) zu Objekten (Wurst, Steak etc.). Eine "Dienstleistung", welche die meisten von uns nicht ausführen wollen und könnten oder dennoch häufig nutzen.

      Eine objektive Sprache bringt auch einen Verlust an Kreativität mit sich. Die wissenschaftliche Sprache ist sehr begrenzt und engt uns ein. Sie wirkt wie Schauklappen und verhindert damit Innovation.
      Es findet eine Entwertung der Kunst und Posie statt. Sie finden sich in der Kategorie "Freizeit" wieder und werden dadurch oft viel weniger wertvoll und wichtig gewertet, als eine wissenschaftliche Abhandlung. War die Philosophie einst eine Königsdisziplin, hat sie heute in unserem Alltag stark an praktischer Bedeutung verloren, dabei wäre es ungemein wichtig sie wieder stärker in unseren Leben und die Politik zu integrieren. Schliesslich sind Sinn und Werte für ein grossteil der Menschen sehr zentrale Lebensaspekte.
      Eine derart eingeengt und verkümmert Sprache birgt letztlich sogar grosse Gefahren für unsere Freiheit und Demokratie. Georg Orwell bringt dies in seinem Buch "1964" als sogenannte "Neusprache" sehr deutlich und passend zum Ausdruck. In ihr wird sogar das Denken an Wiederstand und Veränderung unmöglich, weil uns schlicht der Wortschatz fehlt.

      Wir neigen heute dazu in der Politik und in den Nachrichten dazu fast nur noch über Fakten zu debattieren. Fakten sind wichtig, zweifellos. Sie geben uns eine Orientierung und Hintergrundwissen bei Themen, die sich unserer Intuition entziehen. Doch ist ihre Stimme ohne die mitschwingenden Emotionen fast tonlos. Wir wissen inzwischen alle bestens was uns global mit dem dem gegenwärtigen Kurs droht oder bereits Realität ist. Die drohende Klimakatastrohe, das rapides Artensterben, 70 Milliarden Nutztiere die jährlich ausgebeutet werden, Menschen die wir für unseren Wohlstand ausbeuten oder die wir direkt an unseren Grenzen ertrinken lassen, sind nur einige Beispiele.
      Die Fakten zu diesen Themen sind alle da. Sie sind glasklar. Wir können sie prüfen, umdrehen und wir verfügen über unzählige Quellen, die uns Belege liefern. Aber sie berühren uns irgendwie nicht. Sie haben kein Macht. Es sind kalte Zahlen und Prognosen und wir tuen uns schwer damit mit sie in unser Leben zu integrieren. Sie sind uns "artfremd und schwer zu greifen. Der Mensch funktioniert scheinbar anders. Fakten sind eine Sprache, die wir zu produzieren gelernt haben und auch kognitiv zu verstehen. Wir haben aber grosse Mühe mit ihnen konstruktiv umzugehen.

      Weshalb ist das so? Ich glaube es ist letztlich die Angst vor Schmerz. Es ist unsere Überforderung mit Gefühlen umzugehen. Wir lernen rechnen, schreiben, lesen und das Objekt von dem Subjekt zu trennen. Was wir wir nicht lernen ist der Umgang mit Angst, Wut, Trauer und Freude.
      Deshalb halten wir den gegenwärtigen Kurs.
      Wir wissen und können es schlicht nicht besser.

      Auch mir geht es oft so. Verdrängen ist nicht nur negativ, sondern bietet uns auch einen Selbstschutz. Wenn wir all das Leid, das existiert ungefiltert durchleben müssten, würden wir wohl innert weniger Augenblicke wahnsinnig werden. Sich aber nur noch zu verstecken und zu verdrängen bringt uns an den globalen Abgrund. Zu fühlen birgt ein unglaubliches Potential und ist letztlich der Schlüssel für Veränderung.

      Stell Dir vor: Was wäre wenn wir lernen würden all diese Dinge zu spüren, die derzeit schieflaufen? Und sei es nur ein Teil davon.
      Wir könnten nicht mehr so weitermachen wie bisher. Es wäre zu schmerzvoll und es wäre wahrscheinlich auch gegen Deine und meine innere Überzeugung. Die Welt würde tatsächlich ganz anders aussehen wenn wir unsere Freude, Wut, Angst und Trauer öfters zulassen und leben würden. Wenn wir den Schmerz von anderen als unseren eigenen Schmerz wahrnehmen könnten.

      Und wisst Ihr was das beste daran ist? Zu fühlen bedeutet auch mehr Lebendigkeit, ein tieferes und erfüllenderes Erleben unsere Umwelt und Begegnungen. Es ist für mich als würde ich mich von Schwarz-Weiss Bild in ein farbiges Gemälde bewegen oder entdecken das der See in dem ich schwimme auch eine Tiefenebene besitzt.
      Diese Erfahrungen habe ich in den letzten in der Gestaltzeit gemacht und ich bin sehr dankbar dafür.

      Gestalt-Therapie/arbeit kann genau diesen Zugang schaffen und vertiefen. Deshalb möchte ich in den nächste drei Jahren lernen wie ich selber besser mit meinen eigenen Gefühlen umzugehen und auch wie andere Menschen dabei begleiten kann, an diesen Ort zu gelangen.
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    • Day 6

      Veränderungen im System

      April 3, 2021 in Germany ⋅ ❄️ 0 °C

      Der heutige Tag beginnt mit einer unglaublichen Fülle. Wir sitzen vor der Villa und der Himmel über uns gleicht einer leuchtenden, hellblauen Leinwand aus Krepppapier. Es ist einer jener Tage im Frühling oder Herbst, die ich über alles liebe. Ein leichter frischer Wind streicht über meine Haut während mich die Sonnen warm hält. Ein Tag an dem ich weder schwitze noch friere, sondern sich die Temperatur genau so einpendelt hat, dass ich versucht bin stundenlang faul draussen herumzuliegen und Sonnenlicht aufzutanken. Vor uns steht ein massives Stück eines wunderbar verzweigten Baumstumpfs auf dessen Flächen sich all die leckeren Speisen unseres Osterbrunchs präsentieren. Es gibt selbstgemachten Schokoladen- und Linsenaufstrich, frischer Apfelkuchen, aufgebackene Brötchen, Gemüseeintopf, gebratene Bananen und bunten Ostereiern. Das meiste davon wurde aus Containern gerettet. Die Stimmung gleicht dem Wetter und ist leicht und fröhlich. Gleichsam ist eine Achtsamkeit, Demut und Dankbarkeit für all die tollen Speisen und diesen einmaligen Ort zu verspüren.

      Karim sitzt neben mir. Er hat Politik-
      wissenschaften und Psychologie studiert und beschäftig sich oft und gerne mit Systemen und deren Veränderungsprozessen.
      Er beschreibt ein Modell über zwei Systeme, welche die Welt definieren, durch die wir uns bewegen.

      Zum einen das kulturelle System, das unsere direkte Umgebung widerspiegelt. Der Ort, die Menschen um uns, unsere Erziehung, unsere Erfahrungen, unser Umgang miteinander und mit uns selbst. Hier finden sich auch Glaubenssätze und Erwartungen wieder wie wir zu leben haben. Hier definiert sich, was sich geziemt und was nicht. Die "Spiele" die wir miteinander spielen, die Rollen und Masken, die wir tragen. Unser Verhalten und das unserer Verhalten der Umwelt auf uns. Es sind jene Dinge, zu welchen wir durch Achtsamkeit Zugriff erhalten und die wir direkt verändern können. Oder zumindest unsere Reaktion auf die äusseren Reize.
      Wir können sie durch eigene Entscheide massgeblich verändern.

      Daneben existiert das strukturelle System. Es liegt eine Ebene höher und umfasst den gesellschaftlichen und politischen Überwurf. Also z.B. den Zugang zu Ressourcen wie Bildung oder Privilegien wie Wahlrecht oder Privatbesitz. Es definiert die "Spielregeln" und auch wer bevorteilt oder benachteiligt wird. Missstände die darin auftauchen sind zumeist schwieriger zu erkennen, da dieses System eher träge ist und sich nur langsam wandelt. Vieles ist gewohnt und wird deshalb seltener hinterfragt.
      Das strukturelle System umfasst in gewisser Weide auch unser Denken und unsere Herangehensweise an Dinge und gibt vor wie Wirtschaft, Bildung, Gesundheitswesen, Politik, Religion und Arbeit aufgebaut und zu verstehen sind.
      Dieses System kann von einer Einzelperson zwar in Frage gestellt aber zumeist nicht umgestossen werden. Es sind de Machtträgerinnen und die Gesellschaft als ganzes, die sie definieren.

      Im kulturellen System rückt die Perspektiven jedes einzelnen Individiums stark ins Zentrum, während sich das strukturelle System sich auf historische Werte, Gesetze und Glaubenskonzepte stützt, die in der Mehrheit der Gesellschaft tief verankert sind. Es ist eine Art oberflächliches Puzzle, das sich aus den Einzelperspektiven bestehender und vergangener Generationen zusammensetzt.

      Viele Organisationen, die sich dem Systemwandel verschreiben, beziehen sich zumeist auf eine dieser Ebenen um ihre Ziele zu erreichen. So ist der Klimastreik primär an einer Änderung des strukturelle Systems interessiert. Also der Veränderung des Spielfeldes auf dem wir uns bewegen dürfen. Dies umfasst vorwiegend die politischen Ebene (Steuern, Gesetze usw.) während andere Organisationen wie z. B. Extinktion Rebellion ihren Fokus auf kulturelle Systeme legt, in dem wir unseren Umgang miteinander und mit unserer Umwelt verändern wollen.

      Entsprechend haben solcherlei Organisationen zwar dasselbe übergeordnete Ziel unterscheiden sich aber erheblich im Weg zur Lösung und der Art wie sie ein Problem angehen und an welcher Stelle sie das derzeitige Scheitern überhaupt erkennen.
      Es stellt sich nun die Frage welcher dieser Wege fruchtbarer ist. Verlangsamt sich der Prozess nicht ungemein wenn wir Veränderung vorwiegend in unser direkten Umgebung vorantreiben bevor wir die wirklich grossen Hebel der Politik in Bewegung setzten? Dauert eine Kuluränderung letztenendes nicht zu lange bei derart dringlichen Problemen?

      Oder auch umgekehrt: Was bringt es die Oberfäche eines Systems zu verändern, wenn ihr Innenleben noch auf den alten Struktur und Denkmustern beruht? Wäre es nicht neuer Wein in alten Schläuchen? Ein neues Bühnenbild mit alten Requisiten? Wunden, die mit einer dünnen neuen Haut überzogen wurden und nach kurzer Zeit erneut wieder aufzuplatzen drohen?

      Vor vielen Jahren habe ich meinem Lehrmeister Peter eine sehr ähnliche Frage gestellt. Damals hatte ich festgestellt, dass Systeme immer an ähnlichen Mustern scheitern. Ich hatte ihn also gefragt, was sich eigentlich Verändern muss, wenn wir ein gerechtes System erschaffen wollen, das zugleich nicht wieder in alte Muster verfällt. Peter hatte damals eine klare Meinung dazu: Es sind die Menschen, die sich ändern müssen.

      Was aber wenn wir einen Schritt zurückgehen. Wenn unsere Frage nicht primär darauf zielt, wie ein neues System aussehen könnte, sondern eher die Gründe zuerforscht, weshalb solche Muster auftreten und was für Bedürfnisse sich hinter Ängsten, Projektionen und Misstrauen verstecken. Was sind denn die Gründe unter der Oberfläche, welche uns und unsere Umwelt unglücklich und krank machen und zu den gegebenen Ungleichheiten führen. Es sind also viel eher Fragen der emotionalen und sozialen Natur, als jener der Mechanik.

      Ein weiterer möglicher Weg führt darüber, sich vor den Gedanken lösen, dass eine Utopie eine feste Gestalt haben muss. Gedanken und Ziele, die vor wenigen Jahrzehnten noch Utopien waren, sind heute Realität. Eine Realität, die gerade kippt. Die ersehnte neue Welt hat uns nicht ins ersehnte Paradies sondern eine Reihe von neuen Herausforderungen mit sich gebracht. Es wäre also gesünder und realistischer Veränderungen als fortwährender Prozess zu verstehen, als Wegrichtung aber nicht als festen Zielpunkt.
      Als Leuchtsterne können uns dafür Werte und Lebensinn eine Orientierung bieten. Sie verhindern, dass wir uns in einer Trennung über das "wie" verirren und führen zu Integration statt zu Separation. Es macht es auch für andere Menschen erheblich einfacher ihre Verhalten zu verändern, wenn sie erkennen, dass ihre derzeitige Handlungsweise ihrer ehemaligen Intension nicht mehr dienlich ist. Wir können uns über diesen Weg auch mit Menschen verbinden, die uns auf den ersten Blick sehr entfernt erscheinen. Er ist konstruktiv und nicht destruktiv, wie viele derzeitige Strategien.

      Gerade beim Thema Corona ist diese Polarisierung des "wie handeln müssen" sehr stark zu spüren. Wir übersehen dabei, das beide Lager ein ähnliches Ziel und damit verbunden eine ähnlich Intension verfolgen. Mit einem Dialog der auf diesen Gemeinsamkeiten fusst, wäre eine Lösung, die alle tragen können, um einiges denkbarer als mit dem momentanen Kurs der Diffamierung, der polarisiert und separiert.

      Und genau in dieser Weise, sollten wir auch andere globale Krisen, wie z. B. den Klimawandel oder die Globalisierung angehen, die bisweilen nur klare Gewinner/innen und Verlierer/innen kennt. Ich bin zutiefst überzeugt, das jeder Mensch Werte und Überzeugen pflegt, die ich und wir allw unterstützen können. Es ist am Ende nur die Frage des "wie", die wir anders beantworten.
      Ist es nicht augenscheinlich, dass ein Mensch, der sein Leben damit verbracht hat zu etwas beizutragen, von dem er sich eine bessere Welt erhofft hat, mit starkem Wiederstand reagiert, wenn wir ihm vorwerfen er habe damit unsere Existenz bedroht?

      Wäre es auch vielleicht auch ein Ansatz mehr im Jetzt statt in der Zukunft zu leben? Dann würden ich nicht irgendwann in einem Alptraum aufzuwachen und festzustellen das meine langfristigen Mühen und Leiden ins Gegenteil geführt haben. Wir könnten einfacher alte nicht mehr zeitgemässe Muster aufgeben und sie in neue konstruktive Handlungen transformieren.
      Eine bessere Welt würde schon heute entstehen, wenn wir die Vorstellung aufgeben, dass morgen das Paradies da sein könnte.

      Dank Karim habe ich heute viele Einsichten gewonnen, die ich in meinem zukünftigen Wirken als Aktivist, in der Politik, vorallem aber in Umgang mit Menschen und mir selber weiterhelfen können. Und ich hoffe ganz stark, dass auch die nächsten Tage, Wochen und Jahre immer solcherlei Impulse für mich bereithalten mögen.
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    • Day 15

      Glaubenswelten

      April 12, 2021 in Germany ⋅ ❄️ 0 °C

      Glaubenssätze prägen und definierem unsere Realität. Könnten wir uns ein Leben ohne sie vorstellen? Wohl eher nicht. Wir würden durch einen Strudel der Eindrücke torkeln, in den wir nichts einordnen könnten und noch grössere Mühe hätten, darin zu agieren.
      Und doch sind unsere Vorstellungen von der Welt letztlich nichts weiter als persönliche oder kollektive Gedankenkonstrukte, die gleichwohl unser Bild von unserer Umwelt und von uns selbst in einem absoluten Mass prägen. Sie bilden unsere Realität und alles was uns antreibt und erhält. Sie schenken uns Erfüllung und Freude. Sie bieten uns Sicherheit, Klarheit und ein Bild von dem was wir sind. Gleichwohl sind sie auch unsere grössten Hemmer und inneren Zweifler, die uns Wut, Angst, Trauer und Schmerz bescheren.
      Sie beschränken uns im Raum, in dem wir zu Denken wagen, in unserem Handeln, in unserer Wahlfreiheit und der Fähigkeit mit anderen Mitwesen in Kontakt zu treten. Wenn wir anderen Wesen mit Vorurteilen und festen Bildern begegnen, so begegnen wir auch immer unserem Inneren, unseren Projektionen, unserer Glaubenswelt. Was ist also Realität? Existiert sie unabhängig von uns? Unabhängig von Interpretation?
      Glaubenssätze entfalten ihre Wirkung aber nicht nur in unserer Gedankenwelt. Sie beeinflussen auch unseren Körper und unsere Psyche. Können zutiefst destruktiv wirken und unsere physische und psychische Gesundheit gefährden. Sie können uns aber auch befreien und Dinge möglich machen, die wir als Grenze von Existenz und Leistung definieren würden.
      Gleichwohl sind Glaubenssätze keine starren Konstrukte. Wir können sie erforschen, ablegen oder integrieren.
      Ungesunde, uns einengende Glaubenssätze zu akzeptieren und zu transformieren befreit uns und gibt uns mehr Handlungsspielraum. Gesunde Glaubenssätze geben uns Kraft und Selbstbewusstsein. Sie sind wie eine Programmiersprache und wir der/die Programmierer*in. Wir können uns so als Gott/Göttin erfahren, weil es in unseren Möglichkeiten liegt unsere eigene Welt so umzumodelieren, wie es uns beliebt. Eine Fähigkeit, die uns als Spezies wohl einzigartig macht. Wenn wir dies allerdings nicht erkennen, so sind wir Sklaven. Wir sind ein wie ein Schiffspassagiere in einem tosenden Sturm und erkennen nicht, das es in unserer Hand liegt, die Wellen und den Wind zu zähmen.
      Die letzten Tage hat mich eine Neugier erfasst, meine eigenen Glaubenssätze zu erkunden. Und auch die Frage, ob etwas wie Glaubenssatz-Minimalismus möglich ist. Eine maximale Freiheit, die in Sicherheit fusst. Ich verspüre viel Lust meinen Handlungsspielraum zu erweitern und die Treibkräfte hinter den Glaubenssätzen zu erforschen. Ein Thema, das mich ganz bestimmt noch lange begleiten wird.
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    • Day 16

      Lebensgeschichten

      April 13, 2021 in Germany ⋅ ☁️ 0 °C

      Im Raum ist es andächtig still. Die roten Sitzkissen sind im Halbkreis ausgelegt in dessen Mitte ein kleines Podest, umrundet von sanft flackernden Kerzen, ruht. Vorfreude und die Spannung einer sich ankündigenden Geschichte liegen in der Luft. Die Bewohner*innen der Villa sitzen zusammengedrängt da und sammeln sich innerlich zuhören zu können, sodass Olli schon bald mit seiner Erzählung beginnen kann. Es ist mein erster Abend dieser Art in der Villa, wie es sie hier regelmässig gibt und ich verspüre eine unglaublich Neugierde darauf, mehr über diesen wunderbaren Menschen in unserer Mitte zu erfahren. Sein Leben mit all seinen Facetten, Ausschweifungen, den Schatten aber auch den Lichtmomenten zu erleben und zu würdigen.
      Mitzufühlen und auch die Erfahrungen zu bezeugen, die Olli zu dem Menschen machen, den ich heute vor mir habe.
      Seine Geschichte nimmt mich in den nächsten zwei Stunden auf eine Reise mit, die mich komplett verschlingt. Ganz ungeschminkt erzählt er uns auch von jenen Lebensabschnitten, die von Schmerz, Trauer und Scham begleitet waren. Ich spüre sehr deutlich, dass Schatten und Abgründe, wenn sie akzeptiert und integriert werden, zu Kraftspendern werden können. Das sie uns als deutliches Signal dienen können aufzuzeigen, wie wir nicht Leben oder mit uns und anderen umgehen wollen. Und, dass daraus eine Klarheit entstehen kann, die dem Leben und der Lebendigkeit dienlich ist. Zu verstehen, dass ganau dieses Leid wichtige Schritte auf seinem Weg waren, ohne die er heute nicht hier wäre. Ohne die er jetzt gerade nicht in diesem Zustand der Befreiung ruhen würde. Olli hat durch seine Geschichte seinen ganz eigenen Weg gefunden. Zu sich selbst und auch zu jenen Dingen, die ihn wirklich nähren. Er hat es vollbracht, die Fesseln aus fremden Erwartungen und Glaubenssätzen, die ihn schon so früh im Leben gebremst und beengt haben, abschütteln. Hat der Welt und sich selbst verzeihen können, dass seine Vergangenheit nunmal so war, wie sie ist aber, dass die Zukunft in unserer Verantwortung liegt. Er hat trotz allen Schmerzen immer wieder eine Möglichkeit gefunden, sich selbst und allem um ihn herum, mit Liebe und Mitgefühl aufrichtig und ehrlich zu begegnen, statt sich in Vorwürfe und Konflikte zu verstricken.
      Seine Geschichte hat mich sehr berührt. Sie zeugt von Stärke und Wille, aber auch von Weichheit und Sanftmut.

      Ich stelle mit vor, was wohl geschehen würde, wenn wir alle einmal die Gelegenheit hätten, unsere Lebensgeschichte zu erzählen. Wieviel mehr Verstehen, Verbindung und Mitgefühl könnte daraus entstehen?
      Wie oft empfinden wir nur den Weg der vor uns liegt als wertvoll und vergessen die ganzen Schätze in unserem Rücken. Wie können wir wissen wohin wir gehen, wenn wir verdrängen und nicht würdigen woher wir kommen? Wie könnten wir glauben uns ohne unsere Vergangenheit jemals selbst verstehen zu können?
      Danke Olli, für deine Geschichte.
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    • Day 17

      Das Geschenk des Teilens

      April 14, 2021 in Germany ⋅ ☁️ 3 °C

      Draussen ist es schon wieder dunkel. Langsam, ganz langsam kriecht die Müdigkeit in meinen Körper und umhüllt mich zaghaft, wie eine federweiche warme Decke. Mein Körper fühlt sich schwer an aber auch gesättigt an. Ein weiterer Tag geht zu Ende, der voll von Austausch, von Erfahrungen und den unterschiedlichen Energien der vielen Hausbewohner*innen war. Heute konnte ich wieder aus der ganzen Fülle schöpfen und durfte wunderbare Momente und viel Lebendigkeit erfahren.
      Aus dem Wohnzimmer höre ich das Spiel einer Gitarre, begleitet Veras melancholische Stimme.
      Sie singt ein Lied, das ich auch kenne, das ich mit Sommerabenden am Lagerfeuer und dem einfachen Leben in der Natur verbinde. Es liegt viel Dankbarkeit, aber auch Demut darin und erinnert mich in seiner Botschaft wieder daran, weshalb ich eigentlich hier bin und was mich zu dieser Reise aufbrechen lies. Es tut gut dieses Lied zu hören. Es bringt mich zu mir selbst zurück und erdet mich.
      Still kletterte ich auf das kleine Podest, lege mich hin und lausche still und mit geschlossenen Augen der Musik. Es gibt hier im Haus einige Musiker*innen. Einige davon mit Liedtexten, die annähernd genial sind. Keine*r erreicht mich persönlich jedoch wie die Lieder und Texte von Vera. Es sind Gedanken zu Themen, die auch bei mir viel Resonanz auslösen und mich bewegen oder einst bewegt haben.
      Irgendwann höre ich Christians Stimme von der Küche her. Wir drei haben uns als ich hier vor fast zwei Wochen in der Villa angekommen bin, vorgenommen, jeden Tag ein "Sharing" zu machen. Wir erzählen uns jeweils, was uns heute bewegt hat, welchen Themen wir nachgegangen und auch welche Fragen uns beschäftigt haben oder neu aufgetaucht sind. Was wir gefühlt und in welchen Kontakt wir gegangen sind. Es ist eine Würdigung. Des vergangenen Tages, des Lebens und an uns selbst.
      Wir teilen um weiterzugeben, aber auch um bezeugt zu werden. Nicht selten tauchen Aspekte auf, denen wir durch den Tag wenig Beachtung geschenkt haben, deren Wert wir unterschätzt oder die uns zu einer unerwarteten neuen Erkenntnissen verhelfen. Das Teilen schafft Verbindung, Vertrauen und Tiefe. Zwischen uns als Menschen aber auch in uns selbst. Und es ist natürlich auch eine gute Möglichkeit um Gedanken und Emotionen vor dem Schlafen ablegen zu können um in die Ruhe kommen zu können. Was wir teilen, legen wir nicht zurecht. Wir schöpfen nur ab, was sich an der Oberfäche zeigt. Sind mehr Sprechrohr als Sprecher. Solche Worte fühlen sich lebendig und echt an. Ihnen wohnt eine grosse Kraft innen, zeugen sie doch von Wahrheit, Einfachheit und Gefühlen. Sie offenbaren uns uns selbst. Und das führt dazu, dass wir nicht nur Freude sondern auch Angst, Wut und Trauer den nötigen Raum geben und indem wir ihnen die selbe Stellung und Wichtigkeit eingestehen. In so manchem Moment entdecken wir, dass es unserem Gegenüber genau so geht wie uns selbst. Dass wir uns mit den selben Fragen und Themen beschäftigen. Dass wir etwas in unserem Inneren miteinander gemeinsam haben. Dass wir Menschen sind. Wir ehren damit auch diese Verbindung, die ungemein wertvoll ist.

      In einer Welt, in der unsere Mitteilungen oft auf das funktionelle reduziert wird, fehlen ebendiese Zwischentöne. Wir tuen sie als unwichtig und zeitspielig ab und verkennen damit sowohl ihren wahren Wert und ihre Funktion. Sie benennen all das, was uns in unserer Lebendigkeit und Verbindung ausweist und nährt. Und damit ganz zentrale Lebensaspekte.

      Wie kann es sein, dass soetwas als "nicht wichtig" wahrgenommen wird? Was wären wir ohne diese Zwischentöne ?
      Was bedeutet Leben ohne Sinn, Gefühle und Verbindung? Was sonst bringt uns in unserer Entwicklung weiter als ebendies?

      Wir sollten unseren reduzierten Umgang mit Worten, anderen Menschen und uns selbst überdenken und öfters den Mut aufbringen, einfach mal von innen heraus zu teilen, was uns gerade bewegt und beschäftigt. Wir alle können dies tun. Es ist die einfachste Sache überhaupt und kostet keine Kraft. Viel eher ist es eine Quelle dafür.
      Deshalb sei mutig, und lass dich überraschen, was ein solches "Sharing" mit Dir macht und sei gespannt darauf, was daraus alles wunderbares entstehen kann.
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    You might also know this place by the following names:

    Sulzbrunn

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