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  • Day 31

    Gurken

    May 1, 2016 in Bolivia ⋅ ⛅ 17 °C

    Unser obszön gemütlicher Bus gurkt ereignislos durch die Anden. Einzig das von Sternen übersähte Himmelszelt sorgt für Staunen.

    Um 7 in der Frühe erreichen wir unser Ziel: La Paz. Es schmiegt sich wie ein Neoprenanzug in ein Gebirgstal. Jede nicht senkrechte Fläche ist bebaut. Hier wird Baugrund wirklich bis auf das Letzte, nicht selten kreativ, ausgenutzt. Bei so waghalsigen Konstruktionen bleibt den Bauherren allerdings nur selten Geld für Putz an den Hauswänden.

    Wir kommen schnell im Hostel an. Doch weil wir so früh dran sind, müssen wir noch warten, bis wir unsere Zimmer beziehen können. Die Zimmerdame arbeitet in atemberaubender Geschwindigkeit. Atemberaubend deswegen, weil sie so langsam ist, dass man beim Zusehen sofort in eine Art Trance verfällt, in der man sogar das Atmen vergisst. So ähnlich, wie wenn man am Sonntag Nachmittag, während man ein Radrennen im Fernsehen verfolgt, sabbernd auf der Coach stagniert.

    Jedenfalls wird sie nach Äonen fertig und wir beziehen unsere Zimmer. Die beiden Pferdehelden erkunden die Stadt. Schon den ganzen Vormittag haben wir Musik gehört. Marschmusik. Manch deutscher Schützenverein wäre neidisch! Schnell erkennen wir, dass die Musik deswegen gespielt wird, weil 1. Mai ist. Und deswegen ist auch ein Volksfest in der Stadt. Aber dort haben die bolivianischen Wiesnwirte vergessen, Bierzelte aufzustellen. Anfänger.

    Und die Helden kommen an einem Platz vorbei, der durch die Polizei hermetisch abgeschirmt wird. Das ist wegen länger anhaltenden Demonstrationen von Personen mit besonderen Bedürfnissen. Deswegen stehen hier an jedem Zugang zu dem Platz, um den es geht, an die 30 Polizisten in voller Kampfmontur. Die Personen mit besonderen Bedürfnissen müssen in Bolivien schon sehr spezielle Fähigkeiten haben...

    Wir brechen gegen Abend auf, um eine schöne Dachterrassenbar zu besuchen. Die ist aber zu. Da der Weg dorthin bergauf geht, haben wir offensichtlich wertvolle Kalorien verschwendet. Welch Unglück! Wie die Franzosen sagen würden: Quel Malheur!

    Auf unserer langen und strapaziösen Suche nach einem Ersatz kommen wir an Leuten vorbei, die mitten auf der Straße zu lauter Musik tanzen. Was in Deutschland unweigerlich zu Anzeigen wegen Ruhestörung und Erregung öffentlichen Ärgernisses führen würde, ist hier eine Geburtstagsfeier.

    Wir setzen unseren Gewaltmarsch, der nun schon etwa 45 Minuten dauert, fort. Durch Zufall erblickt Jule, die mit Adleraugen gesegnet ist, ein weiteres Restaurant im obersten Stockwerk eines Hauses. Wir setzen zum Sturm an. Nur gebremst durch einen Türsteher, der unsere Namen und Passnummern haben will, fallen wir in das Restaurant ein. Das gehört zu einem Hostel und ist voll mit Touristen.

    Unbeirrt beziehen wir Kaltgetränke und vier volle Mahlzeiten vom ansässigen Schnapsjockey. Diese genießen wir in vollen Zügen bei toller Aussicht über die Stadt. Die Lichter derselben funkeln bei Nacht gar wundervoll. Man könnte sagen: Bildpostkartenschön.

    Nachdem Hunger und Durst angemessen gestillt sind, begeben wir uns zu unserem verdienten, aber nicht notwendigen Schönheitsschlaf.
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