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  • Day 39

    Huayna Potosi Tag 3: Gipfelglück

    May 9, 2016 in Bolivia ⋅ 🌬 8 °C

    Um 12 Uhr hieß es aufstehen...Nachts! Zu einer Zeit da normale Leute sich Richtung Bett begeben, ziehen wir uns eilig unsere Kleidung für den Gipfeltag an. Dies ist grundsätzlich jegliches warmes Kleidungsstück übereinander bis wir alle wie Michelin-Männchen aussehen. Nach 30 Minuten gibt es ein schnelles Frühstück bestehend aus einer trockenen Semmel und Punacap, unserem liebgewonnenen Medikament gegen Höhenkrankheit. So haben wir auch noch Zeit 5l Cola durch mehrfaches umschütten gleich zu verteilen und zudem die Kohlensäure daraus zu entfernen. Toll. Mit Steigeisen in der linken Hand, Pickel in der rechten Hand, Stirnlampe auf dem Kopf und einem Rucksack mit ca. 2 Liter Flüssigkeit auf dem Rücken ging es dann pünktlich um 1 Uhr in völliger Dunkelheit aber nicht zu eisigen Temperaturen los...10 Schritte weit, denn dann war der Gletscher schon erreicht und es wurden die Steigeisen angezogen. Zudem bauten unsere Guides, Patricio und Mario, unsere 3er Seilschaften Team Marlboro (Patricio, Jule, Basti) und Team Vamos-a-la-playa (Mario, Annabelle, Chris).

    Mit langsamen und kleinen Schritten und einer Pause alle 20 Minuten, in der getrunken und/oder Schokolade verschlungen wurde, lief es am Anfang recht geschmeidig. Die ersten Hindernisse, 2 Gletscherspalten, wurden je nach Körpergröße mit einem großen Schritt übergangen oder übersprungen. Nach ca. 1 Stunde kam dann die technische Schlüsselstelle: eine fast senkrechte Eisflanke. Durch geübten Einsatz der Eispickel (siehe Tag 1) sowie Trittstufen der vorherigen Bergsteiger gelang die Überwindung aber fast mühelos. Diese ersten 2 Stunden Aufstieg waren noch recht gut zu bewältigen. So können wir auch den Ausblick auf das beleuchtete El Alto genießen und einem donnerndern Lawinenabgang in einiger Entfernung lauschen.

    Aber mit zunehmender Höhe wurde jeder Schritt anstrengender und jeder Anstieg zu einer größeren Herausforderung. Dadurch nahm auch die Häufigkeit der Pausen stark zu. Dies war vor allem bedingt durch unsere Ladies, deren konstantes Husten die sonst ruhige Bergnacht durchdrang. Durch die zunehmende Kälte war auch unser gesamtes Wasser gefroren. Glücklicherweise motivierten die tollen Guides uns immer wieder durch Höhen- und Restlaufzeitangaben unsere Grenzen (der Ladies) noch etwas weiter zu überschreiten. Und wenn das nicht half, appellierten Basti und Chris an den starken Ehrgeiz von Jule und Annabelle. Der letzte steile und lange Anstieg war dann nach Annabelle: "Pickel ins Eis hauen, zweimal sehr schnell atmen, ein Fuß hoch, zweimal sehr schnell atmen, zweiten Fuß hoch, zweimal atmen. Nach 10 Schritten Pause von 30 Sekunden." ein Schritt-zweimal atmen-Schritt mit einer kurzen Pause alle 10 Schritte. Aber auch dieses finale Hindernis zum Gipfel wurde überwunden...von uns allen. Wir kamen, kämpften und sahen gegen 7 Uhr einen tollen Sonnenaufgang über den Wolken. Wir beglückwünschten uns und unsere Guides mit einem glückseligen "Berg heil", Basti schloss Jule in die Arme und auch Annabelle und Chris gaben sich eine "geschafft"-Faust. Toll!

    Nach den obligatorischen Fotos ging es dann nach ca. 45 Minuten zügig bergab, da es doch recht kalt am Gipfel wurde. Der Weg nach unten war nicht zu vergleichen mit den Strapazen in der Nacht. Durch die geringere Anstrengung und den zunehmenden Luftdruck wurden vorher unüberwindbar scheinende Flanken zu einem entspannten Spaziergang. Dies war auch dem präzisen und sicheren Gehen mit den Steigeisen zu verdanken. So erreichen wir gegen 9 Uhr das Hochcamp von den wir 8 Stunden vorher gestartet waren. Leider gab es hier kein 2. Frühstück und so schauten wir, das wir fix unsere Sachen, die nicht mit am Gipfel waren, z. B. die Schlafsäcke, zusammen packten, damit wir zügig zum Base Camp absteigen konnten. Dieser 2 Stunden dauernde Haatsch strapazierte nochmals arg unsere Nerven, da wir nun schon über 10 Stunden unterwegs waren. Und als ob das nicht genug ist, brach Annabelle kurz vor dem Base Camp (tatsächlich 10 Meter und 5 Stufen) zusammen, da ihr schwarz vor Augen wegen Unterzuckerung wurde: Sie hatte beim Aufstieg nur wenig essen können, da ihr vor Anstrengung immer schlecht war und auch danach war ihr mehr nach etwas salzigen, was aber nicht aufzutreiben war. Glücklicherweise war es aber nicht so ernst und ein Dextro richtete sie schnell wieder auf. Das Mittagessen im Base Camp füllte die leeren Reserven dann wieder auf, so dass wir alle wieder halbwegs fit waren.

    Nach dem Mittag verabschiedeten wir uns von unseren Guides und fuhren zurück nach La Paz. Glücklicherweise war Hugo mit seinem Jeep nicht angereist, sondern ein Minibus stand bereit. Trotz der vergleichsweise geringen Beinfreiheit war die Fahrt eine Entspannungskur im Gegensatz zu Hugos Kamikaze-Hinfahrt (siehe Tag 1). Nachdem wir gegen 3 Uhr La Paz erreichten und schnell in unser bekanntes Hostel einzogen, gingen wir erstmal zu Bett. Die Strapazen des Tages forderten ihren Tribut und jeder musste erstmal etwas Schlaf nachholen. Beschränkt erfrischt ließen wir dann den Abend bei etwas Bier ausklingen und die unvergessliche Tour Revue passieren.
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