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  • Day 23

    Thatˋs why I do Porn

    April 6, 2022 in the United States ⋅ ☀️ 13 °C

    Executive Summary for our new Member Miss T: do not be misguided, the reference is made to Food Porn ;-) But thank you for joining!

    Heute Abend war ein recht besondere Moment, denn auf dem Weg beziehungsweise der Suche nach einem Restaurant griff sich FF meine Hand und erzählte mir, wie er es sich vorstellt in unserer neuen Wohnung in N., wenn wir erstmal zurückgekehrt sind, in seiner eigenen Küche für andere Kinder zu kochen und damit seine Business-Überlegungen zu einem Restaurant voranzutreiben. Nachdem ich ihm erklären musste, dass wir zwar in seinem Reich eine Küche vorgesehene haben, diese aber erst später eingebaut würde, da er schlicht noch zu klein sei, fragte er ernst: Papa, ab welchem Alter darf man kochen.

    Die letzten Wochen und eigentlich Monate hatte er mir schon davon berichtet, dass er ein Restaurant in Thailand eröffnen möchte, als Chef, nicht im englischen Sinne also Koch sondern als Besitzer. Er würde schon manchmal kochen, aber selbstverständlich hätte er Angestellte, die sich um den täglichen Dienst kümmern (schließlich muss er sich ja auch noch um seinen Ninjago-Themen-Park in Deutschland kümmern, eines von vielen weiteren Projekten).

    Ihm zuzuhören, wie er Rezepte entwickelt („wir können aus Bananan Delfine schnitzen und die schwimmen dann in einem Meer aus blauem Wackelpudding mit Blaubeergeschmack“) lässt mir das Herz übergehen. Er legt dann eine solche Ernsthaftigkeit an den Tag und ist komplett detailversessen. Beispielsweise fällt mir gerade (23:15 Uhr!!!) nicht ein woraus dass Meer bestehen sollte. Diese Nachfrage wurde, obwohl selbst er sich inzwischen schon fast im Schlaf befindet, ohne Verwunderung, warum Papa überhaupt das Thema aufbringt beantwortet.

    Von seinen Eltern scheint er eine Menge zum Thema Essen mitgenommen zu haben. So kommentiert er fachmännisch und durchaus mit einem Sinn für Details fast jedes Essen was wir ihm vorlegen. Egal ob es sich um Krebs-Sandwiches, Corn Dogs oder Apple Butter handelt, alles wird mit seinen noch im Übermaß vorhandenen Geschmacksknospen analysiert und bewertet. Und ganz anders als ich aber sehr viel mehr Miss I hat er ein verlässliches Urteil, dem ich ich mich im Zweifel blind anschließen würde (zugegeben immer im Bewusstsein, dass das Urteil von einem 6jährigen kommt, wo Zucker durchaus durch noch mehr Zucker verbessert werden kann).

    Ich weiss dass Miss I eigentlich von Geburt unseres Sohnes an davon träumte, dass dieser eines Tages kein Koch, aber ein Restaurant-Kritiker werden sollte. Sicherlich ist damit die Vorstellung verbunden selbst mit zu Gala-Banqueten, Wine Tastinges etc. eingeladen zu werden. Klar, wenn der feiner Herr dann erstmal so weit ist, wird er sicherlich stets mit seiner Mama im Schlepptau zu solchen Veranstaltungen anreisen.

    Aber zugegeben sei, dass diese Wunschvorstellung zumindest schon mal eine deutlich sozial-adaptivere Arbeitszeiteinteilung erlaubt als der klassische Kochberuf, der sicherlich ebenso reizvoll ist, wenn man es denn erstmal zu seinem eigenen zweiten Stern und der Kochshow geschafft hat. Nur ob man dahin auf Bananen-Delfinen durch ein Jelly-Meer reiten kann bleibt zu bezweifeln……

    Was mich aber bei der Frage von FF sehr bewegte, war der Umstand, dass ich selbst unglaublich viele Erinnerungen meiner Kindheit und Jungend mit Essen verbinden. So wollte ich als Kind gerne Koch werden und habe mir beispielsweise Backbücher (das braune von Gräfe&Unzer, klar) schenken lassen, um dann darin zu schmökern und mir die 10 besten Kuchen und Torten für meinen zehnten Geburtstag zu wünschen. Ich war - und wer mich kennt - bin dem Essen nie abgeneigt und das war auch mehr oder minder offenkundig, aber neben den Mengen an Ungesundem gab es auch Ereignisse dich ich für mich als prägend empfand. So war eine meiner ersten geschäftlichen Tätigkeiten (nachdem ich die friedliebende Ortschaft Bammental als 6 oder 7 jähriger mal kurzzeitig mit einer neuen Betrugsmasche aufrollen wollte, indem ich herkömmliche Muscheln silbern anmalte und ernsthaft als Schatzmuscheln verkaufen wollte…inklusive Werbeschild und mit aufgerufenen Fantasiepreisen von um die 300 Mark) der Verkauf in der Küche meiner Oma (noch auf einem kombinierten Elektro-Feuer-Ofen) zubereiteter Dampfnudeln in unserem Ort. Es mag mittlerweile mehr auf den mir erzählten Geschichten basieren als auf eigener Erinnerung, wobei so oft wurde mir das gar nicht vorgetragen wie zum Beispiel das eine Mal wo ich mich (ähnlich wie FF heute) in der Stammwirtschaft meines Opas unter selbigen Stammtisch verbarrikadiert hatte und nicht mehr herauskommen wollte. Jedenfalls habe ich heute noch das Bild vor Augen wie ich mit der Apfelverkaufs-Schelle durch den Ort zog und meine Backwaren feilbot. Der Hang zu ausgefallenen Foodideen zieht sich also durch unsere Familie bis hin zu dem immer noch vorhandenen Traum einmal ein Ramen-Imperium oder ähnliches aufzubauen.

    Aber seien wir ehrlich, die Arbeitszeit als Koch oder auch erfolgreicher Inhaber eines Restaurants, der nicht nur selbst sein bester Kunde ist, erfordert Fleiß und die Bereitschaft das eigene Privatleben zumindest für einige Zeit hintenanzustellen, da man in der Küche/ dem eigenen Laden steht, wenn Freunde ausgehen und das Leben genießen.

    Daher war ich zumindest immer zweigleisig als theoretischer Restaurateur aber noch viel mehr als aktiver Nutzer der Gastronomie unterwegs und letztlich hoffe ich, genau wie Miss I, dass unser FF dies vielleicht einmal als Profession für sich entdeckt und wenn es das nicht ist, so bin ich mir jetzt schon ziemlich sicher, dass er die verschiedensten Küchen high or low as long as it is good zu genießen versteht, denn das tut er schön heute.

    Schließlich wurde er nicht nur ab dem ersten Lebensjahr in jedes (auch gute oder besternte) Restaurant mitgenommen. Es war uns auch immer wichtig, dass er mit uns isst, also keine Kinderteller mit Pommes und Nudeln. Zumindest nicht, wenn es so viel Leckereres zu entdecken gab * **

    Ich hoffe, nein ich weiss, dass wir ihm damit etwas mitgeben, was ihn prägen wird. Zumindest verbinde ich einen nicht unwesentlichen Teil Kindheitserinnerungen mit vorrangig gutem, manchmal aber auch mittelmäßigem Essen unter jeweils ganz besonderen Bedingungen.

    So werde ich nie vergessen, dass ich zusammen mit meinem Vater und meinem Onkel Billy anlässlich eines komplett langweiligen Geschäftsessens bei dem ich im Adler in Lahr irgendwie dabei sein musste zum ersten Mal Kartoffel-Gratin gegessen habe. Das mag sich lächerlich anhören aber war zu dieser Zeit noch absolut aussergewöhnlich. Es gibt Gerichte, die man sein Leben lang mit einer Geschichte verbinden wird, so kann ich keine Muscheln essen ohne an einen Nachmittag, keine Ahnung, ich war vermutlich zwischen 6 und 8, an dem ich mit meiner Mutter in einem Einkaufzentrum unter dem Motto „Leben wie Gott in Frankreich“ Muscheln gegessen habe, Zu ihren Lebzeiten konnte man es darauf anlegen, dass diese Geschichte hervorgeholte wurde, sobald auch nur jemand das Wort Muschel in den Mund nahm. Ähnlich wie unsere Reise nach London im Jahr 1982 wo einerseits der Umstand, dass mir einem per se außergewöhnlichen Spaziergang alleine durch Picadilly Circus das Portemonnaie gestohlen wurde und ich es radebrechend schaffte nicht nur den Diebstahl bei der Polizei anzuzeigen sondern mir irgendwie auch noch drei oder vier Pfund zu erschnorren um mir nicht nur das Ticket nach Whitehall zu kaufen sondern mich zuvor auch noch mit einem Tee zu stärken (es war 5 Uhr, was wollte ich machen, Gin bekam ich damals noch nicht) anderseits hatte meine Mutter aber (vollkommen zu Recht) jedesmal wenn die Geschichte darauf kam eine nahezu kindliche Freude daran sich an unseren Ausflug in die andere Londoner Unterwelt zu erinnern, nämlich in China-Town, wo wir ihrer spontanen Eingebung folgend in einen Keller hinabstiegen um für uns beide erstmals in den Genuss von Yam Cha also südchinesischen Speisen die üblicherweise vormittags und oft, so auch hier, mittels eines Karrens an die hungrigen Gäste verteilt wurden.
    Ich glaube meine Mutter war bis zum Ende überzeugt, dass sie mich damit auf meine Reisen nach China aber auch auf das Leben das ich heute führe vorbereitet hat. Und natürlich hatte sie damit Recht. Und ich hoffe bei FF hinterlassen Mss I und ich einmal ebensolche Spuren.

    Last but not least und ehrlicherweise auch weil ich damit angeben möchte ein weiteres, für mich selbst gar nicht so prägendes kulinarisches Ereignis. Mit dem damaligen Partner meiner Mutter verbrachte ich zwischen 8 und 11 fast jeden Sommer in Ampuriabrava an der, na klar Costa Brava in Spanien. Alleine hierzu könnte ich tausend kulinarische Geschichten zu auf Schnecken und Kaninchen spezialisierten Mühlen irgendwo in der Pampa oder dem Versuch meine Mutter zur Zubereitung einer gefangenen Möwe zu überreden (vergeblich). Aber ein geschichtlich einprägsameren Besuch war im El Bulli. Hätte ich gewusst, dass das Restaurant mit Ferran Adria mehrfach in Folge zum besten Restaurant der Welt und zum Gral der Molekularküche gekürt würde, hätte ich sicherlich mehr Aufmerksamkeit auf diesen Besuch verwendet. So schwebt vieles im Dunkeln und es ist lediglich die Anekdote überliefert, dass sich der Partner meiner Mutter nach dem Essen übergeben musste und zu Hause dann noch einmal den Kühlschrank geplündert hat. Ja, unser Besuch überschnitt sich - leider - nicht mit der Zeit die Ferran Adria in der Küche das Sagen hatte, aber dennoch ist es immer wieder lustig zu sehen, wenn man in einer Runde sogenannter Kenner fallen lässt, dass man schon als Kind im El Bulli zu Gast war.

    Lange Rede und Einstimmung, doch ich denke damit dürfte nicht nur unsere (Miss I und meine) Beziehung zum Essen geklärt sein sondern auch die von Mister FF, der leider noch nicht auf der Welt war um später mal zu erzählen, dass sein Papa um die Hand seiner Mama in einem Restaurant angehalten hat, in dem die beiden nicht nur den fantastischen Höhnern (Teilen) ihren eigenen Hit vorsangen sondern das inzwischen auch zu den nur 121. Restaurants weltweit gehört, die mit 3 Michelin-Sterne ausgezeichent wurden.

    Um nach all dem Gesabbert zum Punkt zu kommen: die zahlreichen Bilder von Essen die wir auf dieser Reise genießen durften (das gleiche gilt eingeschränkt für Wein und Bier) bitten wir unter keinen Umständen als Influencer-Pics zu verstehen. Sowieso ist es unsere Eigenart, dass wir meist so viel Spass und Bock auf unser Essen haben, dass der Teller schon komplett gefleddert ist, ehe uns einfällt das ganze doch noch fotografisch festzuhalten. Jedenfalls wollen wir mit den vielen Bildern nicht a la Food Porn an unserer Wichtigkeit aufgeilen (von meinem Tomahawak-Steak mit Blattgold beim Stop-Over in Dubai hatte ich ja auch nichts gepostet ;-). Vielmehr sollen uns speziell diese Bilder uns und vor allem FF irgendwann mal als Erinnerung dienen, wenn zumindest ich Speisen nur noch püriert zu mir nehmen kann.

    * Pro-Tip: Es ist eigentlich offensichtlich, aber Pro-Tipps sind halt einfach gut als Klick-Bait: doch niemals bekommt man so leicht Zugang zu einer Profiküche wie mit einem Baby auf dem Arm. Das selbe gilt auch für Flugzeug-Cockpits ;-)

    ** kein Pro-Tipp, aber dennoch gut für`s Budget: Zumindest hier in den USA bestellen wir öfter mal ein Gericht aus dem Kids-Menu. Erstens weil die Amerikaner da wirklich sehr professionell sind und es das fast überall gibt und vor allem weil die Portionen dann teils immer noch so groß sind, dass wir uns daran gut zu dritt satt essen können (leicht übertrieben, aber zuhause wäre so manches Kids-Gericht mindestens gleichwertig mit einem herkömmlichen Essen)
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