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  • Day 24

    Midnattsol

    June 6, 2017 in Norway ⋅ ☀️ 9 °C

    Beim Abendessen haben wir gestern zwei Ruhrpottbiker aus Baden-Württemberg kennengelernt, mit denen wir uns noch bis spät in die Nacht unterhalten. Sie fahren weiter zum Nordkap, wir Richtung Westen.
    Bevor wir Alta verlassen, besuchen wir das gleichnamige Museum. Klingt erstmal unspektakulär - ist es aber nicht. Auf dem Parkplatz davor spricht mich eine Frau aus einem Rudel der beliebten Bustouristen an, sie hätte uns schon am Nordkap gesehen, warum wir hier anhalten würden. "Hier gibt es mehrere 1000 Jahre alte Felsritzungen zu beschauen, die zum Weltkulturerbe gehören." wortete ich ant. "Frechheit!" entgegnete sie "wir machen hier nur eine kurze Toilettenpause von 15 Minuten". Der nachfolgende Dialog mit der Reiseleitung würde mich sehr interessieren. Sie wirkt auf jeden Fall resolut.

    Hier im Norden heißen die Ureinwohner Samen. Sie leben von der Rentierzucht und vom Tourismus. In den traditionellen Zelten verkaufen sie das Rentier in Einzelteilen. So in etwa wie die osteuropäischen Autohändler deutsche Autos. Da für ein flauschiges Ren-Fell leider kein Platz im Gepäck ist, begnügen wir uns mit einem Kaffee. Bezahlt wird natürlich mit VISA - hochmodern mit mobilem Hotspot, Tablet und Kartenleser. Funktionierte nur leider nicht. Kein Problem, Euro nehmen sie auch. Umgerechnet wird dann aber doch noch klassisch mit dem Taschenrechner.
    Weil wir uns so nett unterhalten haben, gibt es eine Tüte getrocknetes Rentierfleisch dazu - quasi Ren-Jerky. Bin ich froh, dass wir kein Geweih bekommen haben.

    Unterwegs an einer Fähre dann zwei norwegische Radfahrer. Sie sind auch auf Tour und fahren rund 100 km am Tag. Ganz schön viel. Sieht man ja nichts von dem schönen Land, wenn man überall vorbei rast. Für mich wäre das nix.

    Wir erreichen Tromsø am frühen Abend. Einchecken, Mopeds in die Tiefgarage, Gepäck auf's Zimmer und umziehen ist für uns schon ein eingeübtes Ritual.
    Mario betreibt ein wenig Augenpflege, ich gehe auf Nahrungssuche, denn wir haben ein Zimmer mit Küchenzeile und Essecke. Im Supermarkt (die hier selbst auf dem Land bis 23 Uhr geöffnet haben) arbeite ich die Einkaufsliste ab. Alles gefunden, doch eine Position bleibt offen: Bier. Es darf nur bis 20 Uhr verkauft werden. Es ist 5 nach 8. Na super.

    Kein Problem, es gibt hier ein Pub, was "Tromsø Jernbanestasjon" heißt. Dabei hat(te) die Stadt gar keinen Bahnhof. Der Besitzer ist einfach nur ein Eisenbahnfan, der allerhand Devotionalien gesammelt und zu einer Bar zusammengezimmert hat. Im Ergebnis kann man festhalten, dass die Quasi-Prohibition die Norweger nicht vom Trinken abhält. Wir hingegen genießen jeden Schluck des 10-Euro-Bieres. Immerhin ist es von der nördlichsten Brauerei der Welt.

    Als Kind hatte ich mal gelernt, dass die Sonne im Norden nie zu sehen sei. Ist sie wohl! Hier, nördlich des Polarkreises ist es im Sommer die ganze Nacht hell. Das nutzen wir, um mit der Seilbahn um kurz vor Mitternacht auf 400 Meter Höhe zu fahren und die Mitternachtssonne (Midnattsol) zu genießen. Eine Norwegerin aus Hammerfest (liegt auf der gleichen Breite wie das Nordkap) frage ich, wie das denn im Winter sei, wenn es nicht wirklich hell wird. Sie kennt es nicht anders und hat gelernt, damit zu leben.

    Unglaublich viel Leben in dieser Stadt um 1 Uhr Nachts. Überall Menschen. An einem ganz normalen Mittwoch Morgen.
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