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  • Day 4

    Elend in Elend

    August 10, 2023 in Germany ⋅ ☀️ 21 °C

    Ich habe mich nachts und morgens entschieden die Etappe mit dem Rad zu machen und nicht den Zug zu nehmen. Schlimmer als der Thüringer Wald kann's ja nicht werden, war mein Motto. Tja was soll ich sagen? Es war viel schlimmer! Die bergauf Strecken waren bei konstanter 6% Steigung und auf gut 5-8km ganz schön happig. Ich konnte nicht mehr und das nach erst 25km. Der Harz hat sich auch nicht ruhig aufgebaut, man steckt plötzlich mittendrin. Aber es gab kein zurück mehr, wäre ich umgedreht, um zum Bahnhof zu kommen, hätte ich meinen ersten Berg den ich schon geschafft hatte ja wieder hoch gemusst. Also dachte ich, das war bestimmt das schlimmste der Tour und bin weiter. Nach einer ersten richtigen Krise, weil ich den Weg nicht gefunden hab und Meisi meinte ich soll doch bitte rechts abbiegen und da einfach kein Weg war, bin ich an einer alten und verlassenen Lungenheilstätte vorbei, die seit 1991 leer steht, weil sich keiner dafür verantwortlich fühlt. Die wurde anscheinend auch schon öfter für Filmkulissen genutzt, aber seit 2006 verfallen die Gebäude so sehr, dass man sie gar nicht mehr betreten darf.
    Ich war dann eine Weile auf dem Harzer Grenzweg unterwegs (der alles andere als leicht zu befahren ist) und früher die innerdeutsche Grenze zwischen Westdeutschland und der DDR gebildet hat. Einen alten Wachturm und diese Zäune wo man sich beim hochklettern die Fingerkuppen abschneidet hab ich auch noch gesehen. Da gibt es abseits von meinen Weg auch verschiedene Stationen und Museen, ich glaube das ist sehr interessant. Man kann ihn in gut 100km komplett durch den Harz "erwandern".
    Die Berge haben gefühlt nicht aufgehört, ich saß schon längst wieder weinend auf dem Rad und hab den Harz beschimpft. Den Brocken hab ich gesehen, ihm gewunken und gedankt, dass ich ihn nicht persönlich kennenlernen durfte. Als ich dann in Elend den Bahnhof gesehen habe, hatte ich Hoffnung. Ich weiche einfach auf den Zug aus. Dachte ich! War aber nicht so es war die Harzbahn, die mich zum einen nur für eine Station in die richtige Richtung gebracht hätte und zum anderen eine alte Dampflok mit noch richtigen Wagons ist und keine Fahrräder mitnimmt. Wieder nichts. Ich saß heulend in Elend und hab mich passender Weise elend gefühlt und hatte keine Ahnung wie ich den letzten Anstieg noch schaffen sollte. Aber eigentlich hatte ich ja keine Wahl, ich muss da durch. Um eine neue Motivation zu haben, hab ich mir den nächsten Ort gesucht in dem ich durchkomme und der einen richtigen Bahnhof hat, wo Züge auch Räder mitnehmen! Das war dann Ilsenburg. Mir war alles egal Hauptsache ich komme zu diesem Bahnhof. Eigentlich höre ich nie beim Radfahren irgendwas, aber jetzt mussten die wilden Hühner her halten und sie haben mich zumindest ein bisschen unterhalten, während ich die letzten Anstiege überwunden habe und plötzlich, schneller als gedacht, war ich am höchsten Punkt der Tour. Ab da ging es fast nur noch bergab oder nur kleine Steigungen, die ich zwar mit komplett dichten Beinen fahren musste, aber das war ja pipifax gegen alles andere. Nach einer wirklich langen und fast schon erholsamen Abfahrt bin ich in Ilsenburg angekommen und hab das Burgschloss entdeckt, wollte gerne ein Eis kaufen aber die blöde Eisdiele macht im August Mittagspause, wer zum Teufel hat sich das ausgedacht?
    Kurz dachte ich tatsächlich ich fahr einfach weiter den Rest nach Braunschweig, aber die Vernunft hat gesiegt und ich habe den Zug genommen. Ganz ehrlich? Es war nicht leicht, ich wollte doch eigentlich ohne fremde Hilfe die Tour schaffen, aber ich glaube zwar, dass ich angekommen wäre, mich aber auf keinen Fall morgen wieder auf das Rad setzten würde! In der Karte sieht man wie langsam ich war (dunkel/mittelblau) und wie schnell dann der Zug (komplett rote Strecke), aber jetzt kann ich eh nichts mehr ändern und muss damit leben, dass ich nicht komplett durch geradelt bin.
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