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  • Day 57

    Florida

    December 19, 2022 in the United States ⋅ ⛅ 23 °C

    Florida ist unser Zwischenstop auf dem Weg in die Weihnachtsferien. Mit 23 Grad ist es hier rund 10 Grad kälter als in Aruba und wir müssen zu unserer Schande gestehen, dass wir frieren. Was tolle Aussichten sind - denn St. Louis, wo wir Weihnachten verbringen, droht ein Rekordtief von -19 Grad über die Feiertage. Innerhalb einer Woche kommen wir also auf 50 Grad Temperaturunterschied.

    Wir verbringen unsere ersten Tage in Fort Lauderdale in einem kleinen Motel, das keine Menschen unter 25 Jahren aufnimmt. Beim Einchecken müssen wir eine Reihe von Papieren unterschreiben, keine Handtücher zu klauen, keinen exorbitanten Dreck zu verursachen und nicht das Zimmer zu vernichten. Joe fragt nach, ob das tatsächlich vor kommt und die Frau sagt nur kopfschüttelnd „Springbreak“. Auch von Uber Fahrern erfahren wir, dass an Springbreak so viele Leute ausrasten, dass die Partytage tatsächlich schon phasenweise verboten wurden.

    Wir eskalieren nicht, sondern fahren in die Everglades, um Alligatoren zu besichtigen. Alligatoren gehören nicht gerade zu meinen Lieblingstieren. Seit Peter Pan halte ich sie für verfressene Fieslinge, die Psychoterror mit ihren Opfern betreiben.
    „Halt’ nicht deine Hand über Wasser und sag’ Bescheid, wenn du es ticken hörst“, sage ich, als ich Joe den Platz am Rand des kleinen Bootes überlasse, das für mein Empfinden ein bisschen zu  tief im Wasser liegt. Die Alligatoren müssen nur ihre Köpfe aus dem Wasser herausstecken für einen Finger-Snack.
    Tatsächlich scheint meine Sorge aber unbegründet zu sein, denn es ist kein Alligator zu sehen. Scheinbar sind es nachtaktive Jäger, die sich tagsüber nur faul in der Sonne aufwärmen. Da es bewölkt ist, tauchen sie heute gar nicht erst aus dem Wasser auf. So ist das in der freien Natur.
    Wir wollen gerade mit dem Boot zurück zum Anlegesteg fahren, da taucht auf einmal mitten auf dem Fluss ein Alligator aus dem Wasser. Er schwimmt direkt auf uns zu. Während das Boot dreht und wendet, damit jede Seite das Tier sehen kann, zieht es selbst neugierig seine Runden um uns und betrachtet jeden Einzelnen. Wir scheinen kein interessanter Snack zu sein, denn es taucht wieder ab und wir machen uns auf den Weg zum Festland.

    Es folgt der Besuch einer Alligator Show und wir werden mal wieder davon überzeugt, dass sich Shows und Tierschutz einfach nicht vereinbaren lassen. Wir hatten gehofft, vielleicht ein bisschen mehr Informationen über die Tiere zu bekommen. Stattdessen erzählt uns der sogenannte Tierpfleger vermeintlich witzige Anekdoten über die brutalen Verletzungen, die seine Kollegen bei Shows mit Alligatoren davon getragen haben. Dabei sitzt er lässig auf dem Rücken eines Tieres, dem er mit beiden Händen das Maul fest zu hält. Er zeigt uns noch ein, zwei supergefährliche Tricks, indem er zum Beispiel sein Kinn auf den Kiefer des Alligatoren legt und den Kopf genau im richtigen Moment weg zieht. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich bei diesem Spiel für den Alligator bin. Zum Abschluss werden wir gebeten, bitte ein ordentliches Trinkgeld dazulassen, da dies sein einziger Verdienst sei und er nur deswegen sein Leben riskiere. Wir lassen kein Trinkgeld da in der Hoffnung, dass er von selbst auf die Idee kommt sein Geld irgendwo anders zu verdienen. Aber wir bezweifeln, dass sich das ändern wird, denn die Alligator Show wird damit begründet, dass man die Tiere, sobald sie einmal aus irgendwelchen Vorstadtgärten eingefangen sind, nicht mehr aussetzen darf - sie würden sofort zurück in die Gartenteiche krabbeln, aus denen sie gezogen wurden. Und erschießen sei ja auch keine Lösung. Während ich mir die Tiere so angucke frage ich mich, ob ich nicht lieber ein schnelles Ende finden würde anstatt den Rest meines Hundertjährigen Lebens in einem Sandgehege zu liegen und sinnlose Spielchen zur Unterhaltung der Touristen aufführen zu müssen.

    Auf der Fahrt zu den Everglades bekommen wir übrigens am Rande das WM-Finale mit, denn unser Bus hat einen Bildschirm. Der Empfang läuft allerdings nur im Stehen, daher können wir den Spielstand immer nur bei roten Ampeln überprüfen. Der Fahrer drückt uns sein Handy in die Hand, damit wir ihn auf dem Laufenden halten können. Als es schließlich ins Elfmeterschießen geht, hält er einfach am Straßenrand. Der Rest der Gruppe wird erst eingesammelt, als Argentinien Weltmeister ist.

    Am nächsten Tag fahren wir nach Tampa. Wir nehmen mit unserem Mietwagen den Umweg durch das Big Cypress National Preserve. Weil es ein wolkenfreier Tag ist, liegen jede Menge Alligatoren am Straßenrand und lassen sich die Sonne auf den Rücken scheinen. Sie sind so entspannt und regungslos mit so großen, dunklen Augen, dass wir verstehen können, wieso manche Leute sich dazu verleiten lassen, auszusteigen und sie anzufassen. Was in 99,9% der Fälle eine richtige dumme Idee ist.

    Mit allen Gliedmaßen erreichen wir Tampa und damit unser vorletztes Hotel. Jetzt heißt es „Socken an und Mütze auf“, denn ab morgen wird es eisig.
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