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  • Day 4

    Laura Brénnen di Bene

    March 28 in Italy ⋅ 🌬 16 °C

    Heute stand der erste Unterkunftswechsel an. Deshalb packten wir unsere sieben Sachen zusammen und verließen Florenz.
    Auf dem Weg nach Assisi machten wir zwei Zwischenstopps. Den ersten Halt legten wir in Siena ein, wo uns sowohl der "Piazza del Campo" als auch der Dom von Siena begeisterten, in dessen Inneren sich die Piccolomini-Bibliothek mit ihrer aufwendigen Deckengestaltung befindet, die meinen Blick häufiger auf sich zog als die Textsammlung auf Augenhöhe.
    Gut zwei Stunden später setzten wir unseren Weg nach Assisi fort. Der zweite Halt im Orciatal hätte ein ganz entspannter Fotostopp werden können, wenn Norman nicht ganz plötzlich eingefallen wäre, dass ja Teile des Films "Gladiator" im Orciatal gedreht wurden. Es musste nun also der Punkt gefunden werden, an dem Russell Crowe sanft über die Ähren strich und dabei auf einen Feldweg mit vier Zypressen blickte. Lange suchen mussten wir glücklicherweise nicht, da Google Maps diesen Punkt als "Gladiator Shooting Spot" auswies. 10 Minuten ging es bergab, was ich nach dem gestrigen Treppauf und Treppab deutlich in meinen Oberschenkeln spürte, sodass mir Norman in Anlehnung an italienische Namen wie Maurizio Arrivabene einen neuen Nachnamen verlieh: Laura Brénnen di Bene.
    Schließlich erreichten wir den Hügel, auf dem die berühmte Filmszene entstanden war. In Regenjacke und Jogginghose wollte Norman diese Szene nun nachstellen und wählte dabei aus Mangel an Alternativen mich als Fotografin aus. Anders als Norman hatte ich diese Szene so überhaupt nicht vor Augen. Angesichts meines nicht vorhandenen Film- und Schauspielerwissens konnte er ja schon froh darüber sein, dass ich ihn nicht fragte, ob Russell Crowe der mit der Pandamaske sei. Im Endeffekt brauchte es zwar einige Anläufe, das Ergebnis konnte sich aber sehen lassen. Der Unterschied zwischen Original und Fälschung war für den Laien kaum sichtbar.
    Nachdem wir die Aufnahmen im Kasten hatten, stiefelten wir zurück zum Auto. Da ich nicht damit gerechnet hatte, dass wir heute Spaziergänge dieser Art unternehmen würden, hatte ich meinen Wintermantel angezogen, in dem ich nun den Hügel wieder hinauf musste. Völlig durchgeschwitzt und mit schmerzenden Oberschenkeln ließ ich mich zunächst einmal kräftig vom Wind durchpusten, ehe ich das Auto bestieg.
    Es war gut, dass Norman die letzte Etappe zu unserer Unterkunft fuhr, denn erstens hätte ich im Orciatal am liebsten alle paar Meter angehalten, um ein Foto im Licht der Abendsonne zu machen, und zweitens bekam ich in Assisi angekommen schon als Beifahrerin einen Herzkasper. Unser Apartment befand sich im Inneren eines Labyrinths aus mittelalterlichen Gassen, die im schummrigen Licht der Straßenlaternen alles andere als befahrbar aussahen. Als dann noch steile Anstiege und sich nur langsam in Bewegung setzende Touristengruppen dazukamen, sendete ich Stoßgebete an den heiligen Franz von Assisi aus und schrie die Leute an, dass sie aus dem Weg gehen sollten. Was am Ende half, weiß ich nicht, wir gelangten jedoch unbeschadet zu unserem Quartier, luden das Gepäck aus und stellten das Auto auf einem nahegelegenen Parkplatz ab. Auf dem Rückweg suchten wir nach einem Restaurant. Sobald wir die Stadt durch den Torbogen betreten hatten, rief Norman: "Schau mal, dort gibt es Bruschetta!" Und bevor ich ihm antworten konnte, dass wir ja auch in Italien seien, war er schon durch die Tür verschwunden. Kaum saßen wir, hatten wir auch schon eine Flasche Wasser auf dem Tisch. Nun gab es kein Zurück mehr. Das Bruschetta bestellten wir ohne einen Blick in die Karte. Schließlich war das ja auch der Grund unserer Einkehr. Dass das ein Fehler war, war spätestens klar, als ich das Bruschetta und Normans entsetzten Blick sah. Statt des uns bekannten Bruschettas mit Tomaten und Knoblauch gab es eine gemischte Bruschettaplatte mit Trüffel, Schmalz und vielen anderen Dingen, die Norman gar nicht angerührt hätte, wenn er sie nicht hätte bezahlen müssen. Nachdem ich in jedes Brot gebissen und hoch und heilig versprochen hatte, dass man es essen könne, probierte auch Norman tapfer jede Weißbrotscheibe. Auch wenn einige wenige Bruschettas gar nicht schlecht schmeckten, stand Norman die Enttäuschung weiterhin ins Gesicht geschrieben, was auch daran lag, dass die übrigen Speisen auf der Karte ähnlich exotisch und recht teuer waren. Wir entschieden uns schließlich für Tagliatelle mit Bolognese, wenngleich wir nicht wussten, woraus das Fleisch bestand, weil wir die Übersetzung für "boar" nicht kannten und zu diesem Zeitpunkt auch nicht googlen konnten. Norman war der festen Überzeugung, dass es sich um Keiler handeln müsse und konnte nur deshalb zu einer Bestellung dieses Gerichts überredet werden, weil er sah, dass ein kleiner Junge neben uns am Tisch eben diese Nudeln mit Bolognese aß, ohne sein Gesicht vor Ekel zu verziehen. Das Essen schmeckte in der Tat gut, die Portion war allerdings sehr überschaubar. Obwohl ich ein italienisches Restaurant normalerweise nicht verlasse, ohne das Tiramisu bestellt zu haben, bezahlten wir recht zügig. Zum einen wollte ich gar nicht wissen, mit welchen exklusiven Zutaten sie das Tiramisu pimpten, zum anderen fühlten wir uns in unseren Schlabbersachen schon von Beginn an etwas fehl am Platze. Umso schöner war dafür der Weg durch die beinahe ausgestorbene Stadt, die uns soeben gelehrt hatte, dass Bruschetta allein noch kein Grund ist, ein Restaurant zu besuchen. Wenn das mal keine Bildungsreise war.
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