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  • Day 5

    Nun sag, wie hast du's mit der Religion.

    March 29 in Italy ⋅ ☁️ 21 °C

    Für meinen Geschmack trieb es Norman mit seinem "Auf den Spuren des Gladiators wandeln"-Ding etwas zu weit, als er am Morgen beim Zubinden der Schuhe mit dem Gesicht auf die Stuhllehne prallte und fortan einen kleinen Cut unter dem rechten Auge hatte.
    Eine Besichtigung der wichtigsten religiösen Stätte Assisis blieb ihm damit jedoch nicht erspart.
    Zur schnelleren Genesung waren in der Pasticceria am Marktplatz allerdings zwei Sandwiches nötig, wie mir Norman nach dem Verzehr des ersten Panini mit seinem traurigen Blick auf den leeren Teller mitzuteilen versuchte. Mich hingegen lachte das sogenannte Rocciata an, ein für Assisi typisches Gebäck mit Nüssen, Rosinen und Marmelade, das fantastisch schmeckte.
    Gut gestärkt spazierten wir durch die Stadt. Die Pilgergruppen, Mönche und Nonnen, die Straßenmusiker, die kleinen Souvenirläden, Cafes, Restaurants, die Gässchen, Treppen, Tore und Bögen - all das machte Assisi zu einer unglaublich atmosphärischen und friedlichen Stadt mit einem besonderen Charme. An unserem ersten Ziel, der Basilika San Francesco, in der der heilige Franziskus, der Gründer der Franziskaner, begraben liegt, nahmen wir uns viel Zeit zum Beobachten. Mit dieser Basilika betraten wir eine uns fremde Welt, in der sich Menschen völlig ins Gebet vertieft kniend am Gitter des Grabmals festklammerten, weinend von der Beichte wiederkehrten und in der man sich inmitten der Mönche wie eine Figur aus "Der Name der Rose" fühlte. Im Nonnenkloster "Santuario San Damiano" setzten wir unsere spirituelle Reise fort. Hier gründete Klara von Assisi den Orden der Klarissen und lebte gemeinsam mit ihren Gefährtinnen in radikaler Armut, was jeder einzelne Raum erkennen ließ.
    Mit einer erfrischenden Lemon- und Oransoda aus dem Supermarkt traten wir den Rückweg an und ahnten dabei nicht, dass noch ein religiöses Highlight auf uns wartete. Um 19.30 Uhr trafen wir unsere überaus herzliche Vermieterin Beatrice, die uns berichtete, dass in Kürze eine Prozession durch Assisi stattfände.
    Da auf dem Marktplatz bereits einige Bereiche abgesperrt waren, sich bislang aber nur sehr wenige Menschen dort eingefunden hatten, wollten wir die Gunst der Stunde nutzen, um vorab in einer Trattoria zu essen, die uns unsere Vermieterin empfohlen hatte. Leider hatte sie vergessen zu erwähnen, dass es sich um eine äußerst beliebte Trattoria handelt, in der gerade an Karfreitag eine Reservierung unerlässlich ist.
    Notgedrungen wischen wir auf ein anderes Restaurant aus, in dem wir ebenfalls etwas Leckeres zu essen bekamen.
    Gerade noch rechtzeitig kamen wir auf dem Marktplatz an, der sich inzwischen gefüllt hatte, und ergatterten glücklicherweise noch zwei Plätze in den vorderen Reihen. Nur kurze Zeit später gingen alle Lichter aus und die Prozession begann. Von Trommelschlägen und kirchlichen Gesängen begleitet trugen vermummte Büßer barfuß riesige Holzkreuze über den Marktplatz. Eskortiert wurden sie von verschiedenen Bruderschaften, die die Stadt mit ihren Fackeln in ein geheimnisvolles Licht tauchten. Diese Prozession war gleichermaßen faszinierend und angsteinflößend.
    Über Gott und die Welt philosophierend begaben wir uns schließlich zurück in unsere Unterkunft und fielen in einen göttlichen Schlaf.
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