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  • Day 318

    Scharfes Shirt und fettes Futter

    November 30, 2018 in China ⋅ ⛅ 17 °C

    China hat was gutzumachen. Vor allem bei Sue. Gopro klauen und Katzen futtern. Füttern wäre ja ok. Man darf das aber auch relativieren. Wie in jedem Land, Verein, Dorf und auch jeder Firma und Familie, gibt es eben auch hier die obligaten zehn Prozent Idioten und Arschlöcher. Hier ergibt das allerdings satte einhundertvierzig Millionen Vollpfosten, wovon fünfundsiebzig Millionen doppelt frustriert sind aufgrund kleiner Pimmel und durch die langjährige 1-Kind-Politik bedingten akuten Frauenmangel. Aber eigentlich sind wir ja total toll versichert gegen solch bösartige, kriminelle Handlungen. Allerdings ist da ja noch die Sache mit dem Selbstbehalt. Für einen Moment geistert die Idee umher, die geklaute GoPro könnte ja anstelle vom normalen Handle in einem dieser krassen Stabilisierungs-Handles geklaut worden sein. Das Teil ist fast so teuer wie die Kamera selber. Aber als anständige Schweizer - aka Bünzlis - vertreiben wir die Geister so schnell wie sie gekommen sind und bleiben bei der Wahrheit. Auch wenn die zweihundert Franken kostet. Verdammt.

    Als einen Teil der Wiedergutmachung nehmen wir das Geheimnis der chinesischen Küche mit. Und das ist denkbar einfach. Salz, Pfeffer, Soya- und Oyster-Sauce sind keine Geheimnisse und Teile des einfachen und leckeren Standard-Gewürzspektrums. Ebenso Chilli, Knoblauch und Ingwer. Was aber das chinesische Essen so unfassbar geil macht, sind zwei Dinge. Erstens: Hitze! Man - und Frau - kocht hier mit einer Hitze, die weder moderne Induktion noch reguläre Gasherde schaffen. Das Resultat sind Röstaromen, die unsere heimischen Bratpfannen leider nicht bieten können. Und Zweitens: Fett! Reichlich Fett und Öl. Wie meine Küchenvorbilder Robin und Andi, haue auch ich gerne ein ordentliches Stück Butter in meine Gerichte. Aber das hier ist auf einem ganz anderen Level. Man sagt ja immer China-Food sei so gesund. Sicher. Man verwendet frische und einfache Zutaten und Fett ist per se nichts Schlechtes - wobei viele Chinesen sind genauso fett wie ihr Essen -, aber egal ob billiger Imbiss oder gehobene Gastronomie, alles schwimmt hier im Öl. Auch Unfrittiertes und Gemüse. Ich finds total geil. Dumpling-Sue auch.

    Der erste Nachtzug unserer Reise vermag überraschend den anderen Teil der Wiedergutmachung beisteuern. Unser privates und abschliessbares Viererabteil ist nicht ganz auf dem Niveau des Gefährts von Katniss Everdeen in Hunger Games, aber doch unerwartet gemütlich. Ja beinahe luxuriös, mit ziemlich feudalen Betten. Uns treibt es weiter nördlich nach Zhangjiajie, wo der gleichnamige Nationalpark - ein UNESCO Weltkulturerbe - einst als Inspiration und Kulisse für einen Hollywood-Blockbuster diente und dessen Felsformationen darum auch gerne „Avatar Rocks“ genannt werden. Von den schlaksigen, blauen Naturflüsterern sehen wir in den zwei dicht gepackten und wunderschönen Wandertagen allerdings keine. Eine Überraschung hält der Park aber trotzdem bereit. Nein, nicht die süssen und meist anständigen Affen. Nachdem wir die etwa achttausend Stufen von der Talsohle auf einen der fliegenden Felsen in etwa zweieinhalb Stunden geschafft haben, steht es da. Ein gelbes M. Definitiv der ungewöhnlichste Ort für einen McDonalds. Mir egal. Zur Belohnung gibts ein Double-Cheese-Burger Menu, Fried Chicken und für die kleine Sue ein Sundae Ice. Alles in allem genauso fett wie chinesisches Wok-Gemüse und nicht zuletzt deshalb einfach himmlisch.

    Und dann kriegen wir sie, die erste Massage in Asien. Haben wir uns auch verdient, nach fast neun Stunden im Park und auf den Beinen. Füsse und Unterschenkel bitte. Das tut gut! Das gilt auch für den Traubenzucker, den uns Familie Schnyder vor über zehn Monaten mitgegeben hat und von dem wir an harten Wandertagen noch immer zehren. Knapp zehn Monate ist es auch her, als ich mich zu Beginn unserer Reise breit über Partner-Look und Pärchen-Scheiss ausgelassen habe. Jetzt, nach all den Monaten, kommt es aber noch dicker und ich bekomme einen Einblick, wie Ehe wohl sein könnte. War mein total cooles FC Sarmenstorf Shirt von Adidas bisher gut genug für sportliche Aktivitäten und Wandern, findet es Fashion-Sue auf ein Mal nicht mehr „fashionable“?! Alles klar, in Melbourne noch die falsche Hose für mich bereit legen - worauf ich mich übel erkältet habe - und jetzt Stimmung gegen mein FCS Shirt machen. Mir wird schlecht.

    Ist die Phase des Verliebtseins nach knapp neun Jahren also endgültig vorbei? Vielleicht von ihrer Seite. Ich fühle mich immer noch wie frisch verliebt und werde darum das geile Shirt die nächsten Tage in Chinas Hauptstadt ununterbrochen tragen. Eine Art 1-Shirt-Politik. Einfach um zu zeigen, dass mir etwas an dieser von Selbstbestimmung und gegenseitiger Wertschätzung jenseits von Likes und Fame getragenen Beziehung liegt und wie verdammt „fashionable“ das Teil ist! Denn auch in diesem Shirt will alle paar Minuten ein Chinese ein Foto mit mir. Manchmal auch mit uns. Ok, meistens mit der schönen Sue und ich darf dann auch mit aufs Bild. Weil ich so schön und ... weil ich schön gross bin. Auch wenn ich mich bekanntlich aus dem Film- und Foto-Geschäft zurückgezogen habe, mache ich natürlich mit. Immer in der Hoffnung auf ein Freibier. Vergeblich. Scheiss Leben.

    Das Essen hier ist der Hammer - oder wie wir in der Schweiz manchmal sagen „de Börner“ - und doch passiert auch uns der typische Touri-Fehler und wir antworten beim Bestellen im Restaurant auf die Frage, ob wir es denn ein bisschen scharf mögen, mit ja. Meine Fresse, das schmerzt doppelt. Ein mehrfacher „Börner“. Die brennenden Infernos sind zwar schwer zu ertragen, aber dank der erhaltenen Antwort der Axa schnell vergessen. Film- und Foto-Sue bekommt natürlich umgehend eine neue Kamera mit Handle und dank eines „Gutscheins aufgrund Treue und so“ sogar ganz ohne Selbstbehalt. Echt jetzt? Geil. Und in Beijing, wo wir die letzten China-Tage verbringen werden, gibt es gleich zwei offizielle GoPro-Stores. Da ist es also wieder, dieses Karma. Yay!
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