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- Day 90
- Monday, October 21, 2024 at 6:47 AM
- ☀️ 8 °C
- Altitude: 926 m
SpainCastellanos de Castro42°18’59” N 4°1’44” W
Die Meseta

Durch anschauliche Dokumentationen, Blogs und unzählige Mittelalter Schundromane, wusste ich eigentlich bereits, welche gewichtigen Stationen mich auf dem Weg in Spanien erwarten würden. Gewissermaßen dachte ich sogar, dass ich dieses Mal wenigstens halbwegs vorbereitet die unkenntliche Grenze in neues Land übertreten hätte.
Da wäre zum einen dieser bescheidene Ort, wo ein ohrenbetäubendes Konzert mit Kirchturmglocken veranstaltet wird, worüber sich die verbliebene Nachbarschaft bestimmt gewaltig freut. Zum anderen sind, etwas höher gelegen, noch diese schmucklosen und stillschweigenden braunen Metallfiguren aufgestellt, an denen sich viele Menschen rostend hintereinander einreihen, um ein passendes Erinnerungsfoto zu schießen. Oh, und nicht zu vergessen den beliebten Weinbrunnen, der das süffige Gut direkt unter den wachsamen Augen der laufenden Webcam in deinen Mund befördert, während die Liebsten zu Hause dabei euphorisch zugucken können.
Die hier im Titel festgehalten und verewigte Hochebene allerdings, muss irgendwie auf der Nervenbahn zum Gedächtnis falsch abgebogen sein. Ziemlich merkwürdig, denn ihre Fläche ist schlichtweg riesig im geografischen Ausmaß.
Was für die Seefahrer das tiefblaue Meer unter der brechenden Kante des Horizonts ist, sind hier die bewirtschafteten Felder und steinernen Wege. Tausende Sonnenblumen, die sich mit gesenktem Kopf bereits vor einiger Zeit ihrem liebsten Himmelskörper abgewandt haben, warten hier geduldig auf ihr abschließendes Ende. Abgetrennte Halme fungieren als Zeitzeugen einer hoffentlich reichen Weizenernte und in manchen Dörfern, fehlt auf den Straßen eigentlich nur noch ein Steppenläufer, um das Bild von Einsamkeit zu komplettieren.
Wählst du dazu gern den strikten Weg, die effiziente Route, so ist dein treuer Begleiter die nah gelegene Autobahn. Kein allzu großes Wunder also, dass laut diversen Forenbeiträgen ein gar nicht so geringer Anteil an Pilgersleuten diesen Abschnitt des Weges ganz einfach überspringt und erst in León wieder einsteigt.
Doch auch aus der Not und Langeweile heraus werden wir kreativ. Wenn du auf einer eintönigen Tour nicht mehr in der Lage bist, dich abzulenken, dann wird das Vogelgezwitscher zu deinem Radio, der Sonnenuntergang dein liebster Fernsehsender und der klare Sternenhimmel zur theatralischen Bühnenshow, für die du gern frierend und zitternd mitten im Nirgendwo campierst.
Es mag gewiss kein sonderlich abwechslungsreicher Teil der Strecke sein, doch mir bot er unterwegs einen der schönsten Abende, die ich jemals in diesem Dasein genießen durfte. In guter Gesellschaft, mit lehrreichen Erkenntnissen und ja, nach Ewigkeiten auch mit einem entzündenden Funken Glückseligkeit.
Für diese Erinnerung bin ich zutiefst dankbar und gebe mir die größte Mühe, sie nicht den traurigen Fängen der Melancholie zu überlassen. Denn wie heißt es: "Das Schöne gilt es jetzt zu genießen und nicht in der Vergangenheit."Read more