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  • Hari 48

    Busfahrt über Stock und Stein

    13 Februari 2023, Bolivia

    Als wir um 19.00 Uhr in San José am Busterminal ankommen, müssen wir uns erstmal an ein paar Kühen vorbeischieben. Der ganze Parkplatz ist voll mit Kühen und Pferden, ein etwas lustiger Anblick. Nur eine der zwei Gesellschaften, die nach San Ignacio fahren hat geöffnet - und sie haben nur noch ein Ticket. Wir warten eine Stunde bis der andere Schalter öffnet und tatsächlich gibt es auch da ein Ticket. Leider wurde das andere Ticket gerade verkauft. Nach ein bisschen hin und her und mehreren Telefonanrufen bekommen wir jeweils ein Ticket für unterschiedliche Busse. Meiner fährt um 01.00 Uhr, der meiner Schwester um Mitternacht. Wir können unser Gepäck am Schalter lassen und fahren nochmal nach San José rein um Abend zu essen. Zu unserer Pizza spielt die Blaskapelle der örtlichen Armeeeinheit. Als sie anfangen Despacito von Alberto Fonsi zu spielen wird es etwas absurd. Schon bei unserem ersten Aufenthalt haben wir Bekanntschaft mit sämtlichen Hippies und Punks gemacht, die sich in San José rumtreiben und zielsicher die wenigen Touristen erspähen um ihnen selbstgebastelten Schmuck zu verkaufen. Wir treffen sie alle wieder, aber scheinbar gibt es eine Regel, nicht zweimal den gleichen Touristen seine Sachen anzudrehen. Als die Plaza langsam leer wird nehmen wir ein Taxi zurück zum Busbahnhof. Busbahnhöfe sind in Südamerika meistens gute Orte um sich frühmorgens oder nachts aufzuhalten. Es ist immer viel los, es gibt Bänke, Toiletten und meistens auch was zu essen und das nahezu 24 h lang. Das bolivianische Gepäcksystem ist für uns noch etwas ungewohnt. Man gibt das Gepäck am Busschalter ab und dann wird es von der Busgesellschaft verladen. Man selbst muss sich nicht mehr kümmern, allerdings fehlt uns am Anfang ein bisschen die Sicherheit ob das auch funktioniert. Das Gepäck sämtlicher Passgiere auch für unterschiedliche Busse steht nämlich einfach in einem Haufen vor oder hinter dem Schalter und es ist unklar woher der Gepäckmensch weiß, in welchen Bus welche Gepäckstücke gehören. Außerdem steht das Gepäck teilweise auch völlig unbeaufsichtigt einfach vor dem Schalter. Außer uns beunruhigt das aber niemanden. Während wir auf unsere Busse warten füllt sich das Terminal zunehmend mit Mennoniten. Das wirkt irgendwie etwas gespenstisch, denn die Frauen tragen alle altmodische lange Kleider und kleine Hauben, die Männer alle dunkelblaue Latzhosen, karierte oder gestreifte Hemden und schwarze Caps. Vor allem die Männer sehen sich durch ihre "Uniform" ziemlich ähnlich. Nach einer Weile stellen wir fest, dass es verschiedene Gruppen gibt, deren Tracht sich marginal voneinander unterscheidet. Die Frauen sitzen in Zweiergruppen auf den Bänken, während die Männer ebenfalls meist zu zweit von Schalter zu Schalter ziehen und versuchen Fahrkarten zu bekommen. Auch ein paar Kinder sind dabei, die exakt die selben Klamotten tragen wie ihre Eltern. Diese blassen, blonden Menschen in ihren altmodischen Kleidern wirken in dem nächtlichen Terminal ziemlich bizarr und man muss sich anstrengen nicht zu starren. Untereinander sprechen sie alle Plattdeutsch, aber zumindest die Männer können auch gut Spanisch. Schon in San José hatten wir einige gesehen und erfahren, dass es rund um den Ort mehrere Kolonien gibt in denen sogenannte Altgläubige leben. Sie lehnen jeglichen technischen Fortschritt ab und haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht pioneerhaft Land urbar zumachen. Die Mennoniten haben sehr viele Kinder, deshalb brauchen sie immer neues Land, leider führt das zu Rodungen und Abholzung. Auch für die Bolivianer:innen sind die Mennoniten kurios. Mehrfach bietet man uns an uns zu einer der Kolonien zu fahren, damit wir uns das mal anschauen können. Was die Mennoniten dazu sagen? Nichts, die mögen das nicht, aber die starren nur, die machen nichts. Ah, ach nee danke. Scheinbar sind die bolivianischen Mennoniten in den 1970er Jahren aus Paraguay gekommen, weil ihnen da die Zivilisation zu nahe kam und die Schulpflicht eingeführt wurde. Um 0.20 Uhr kommt Lauras Bus und ich "überwache" die Verladung ihres Rucksacks. Ausgeladen wird unter anderem ein großes Holzkreuz...was man halt so dabei hat. Der Bus sieht ziemlich schrabelig aus und lässt einen nichts gutes ahnen. Ich warte weiter und beobachte die Mennoniten um mich herum. Plötzlich beginnt sich das Gepäckstück der bolivianischen Familie neben mir zu bewegen und hüpft von der Bank - es ist ein Huhn in einem Reissack. Dann bemerke ich, dass sich auch der andere Sack den sie dabeihaben zu bewegen beginnt. Ich tippe auf ein Ferkel. Später finden wir heraus, dass man eine gute Busgesellschaft daran erkennt, dass am Schalter ein Schild hängt " Mitnahme von Tieren verboten". Um kurz nach eins kommt mein Bus. Und er sieht tatsächlich schlimmer aus als der andere, sogar das Dach ist voll beladen und es gibt keine Toilette. Auf den Sitz neben mir quetscht sich ein übergewichtiger alter Mann, der leider sein halbes Bein und seinen halben Arm noch auf mir abladen muss, weil er nicht auf den Sitz passt. Die Busfahrt beginnt vielversprechend. Es ist unglaublich warm, trotzdem bietet er mir ca. alle 30 Minuten an, dass ich was von seiner schmuddeligen Wolldecke haben kann. Die Straße ist eine Vollkatastrophe. Man wird in den Sitzen richtig hochgeworfen und mehrfach muss der Bus plötzlich bremsen oder ein Stück rückwärts fahren um Anlauf zu nehmen. Immer wieder steigen mitten im Nichts Menschen aus. Der Gehilfe des Fahrers behält trotz des chaotischen Systems den Überblick wer wo aussteigen muss und weckt die Leute mit einer Taschenlampe. Er selbst hat eine dicke Ausbeulung in der Wange, die gefüllt ist mit Cocablättern, dass sieht man hier sehr oft, aber nur bei Männern. Wenn er vorbei läuft zieht er eine Coca Duftwolke hinter sich her. Um 03.00 Uhr halten wir in San Rafael. Ein großer Teil der Fahrgäste steigt hier aus und ich habe endlich einen Zweier für mich allein. Um 05.00 Uhr halten wir in San Miguel. Im Bus bleiben nur noch zwei Frauen und ich. Der Busgehilfe beginnt jede Menge Waren auszuladen, das dauert ewig. Als wir denken er ist fertig, stellt sich heraus, dass auch das ganze Dach noch abgeladen werden muss. Um dorthin zu kommen muss er aus einem der Busfenster klettern. Die Busgesellschaft arbeitet scheinbar auch als Transportunternehmen. Das man mit den Bussen Waren oder Pakete verschicken kann ist normal, aber dieses Ausmaß ist dann selbst für hiesige Verhältnisse extrem. Die beiden Frauen beschweren sich entsprechend. Die ganze Aktion dauert über eine Stunde. Um 07.15 Uhr bin ich dann endlich in San Ignacio. Meine Schwester wartet da schon seit zwei Stunden. Netterweise können wir im Hotel direkt in unser Zimmer und bekommen auch Frühstück. Alle Einheimischen, denen wir später erzählen wie wir nach San Ignacio gekommen sind müssen erstmal lachen.Baca lagi