Von Montevideo nach Lima

December 2022 - March 2023
In zwei Monaten von der südamerikansichen Atlantikküste an die Pazifiküste Read more
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    16 Stunden in São Paulo

    December 29, 2022 in Brazil ⋅ 🌧 27 °C

    In einem Anfall von Wahnsinn hatte ich die Idee, den Flug von München nach Montevideo für 16 Stunden zu unterbrechen, anstatt gleich weiterzufliegen. Was bei der Buchung noch nach einer guten Idee klang, ich war nämlich noch nie in Sao Paulo, fühlte sich nach 11 Stunden Transatlantikflug erstmal doch etwas irre an. Ausgerechnet Sao Paulo, die größte Stadt Südamerikas, verschrien als gefährlicher Moloch. Müde und hungrig, weil es bei Air Europa leider kein Frühstück gab, schleppen wir uns erstmal ins nächste Café im Flughafen und verbringen dort die Zeit mit Kaffee und Omelette. Nachdem wir unser Handgepäck samt Pässen und Boardingpässen (man weiß ja nie) eingeschlossen haben, machen wir uns um halb zehn mit der Metro auf den Weg in die Altstadt zur Praca Republica. Der kostenlose Shuttlebus des Flughafens hält direkt an der Metrostation am Terminal 3, leider fährt die nur stündlich. Um 10.45 Uhr haben wir es dann geschafft und steigen pünktlich zur Free Walking Tour (https://www.saopaulofreewalkingtour.com) durch die Altstadt an der Praca Republica aus. Der erste Eindruck ist erstmal positiv: viel Grün und gar nicht so viel Verkehr wie gedacht, das liegt allerdings an der Zeit zwischen den Feiertagen wie wir später erfahren. Um 11.00 Uhr geht es los und als erstes gibt es eine Sicherheitseinweisung: Fotos nur aus der Mitte der Gruppe, Handy und Kameras in die Taschen wenn sie nicht gebraucht werden, bei der Gruppe bleiben und beim Fotografieren das Gerät mit beiden Händen festhalten. Der Guide ist dann auch teilweise etwas angespannt und versucht nicht zu lange an einem Ort stehen zu bleiben. Teilweise hält er sogar auf den großen Avenidas den Verkehr an, damit wir nicht an der roten Ampel warten müssen. Wir sind ganz froh in der Gruppe unterwegs zu sein, aber ein Besuch der Altstadt lohnt sich auf jeden Fall. Gerade für Fans moderner Architektur hat Sao Paulo einiges zu bieten. Wir laufen vorbei am Edificio Copan von Oscar Niemeyer zur Biblioteca Municipal und schließlich zum Theater. In der ältesten Bäckerei Sao Paulos Santa Teresa stärken wir uns mit Pao de Queijo, Coxinhas und Pastel de Palmito. Die Kathedrale sehen wir aus Sicherheitsgründen nur von der Rückseite. Die Tour endet nach 2,5 Stunden am Kloster Sao Bento. Jetzt dann doch extrem müde schleppen wir uns auf eigene Faust noch zum Mercado Municipal. Das wuselige, laute Treiben ist dann aber doch etwas zu viel für unsere übermüdeten Hirne und wir gehen zurück zur Metro. Der letzte Stopp ist die Avenida Paulista und das Museo de Arte de Sao Paulo. Ein ikonischer Bau von Lina Bo Bardi. Die ICOM Karte erspart uns die Schlange. Obwohl wir eigentlich nur mal kurz reinschauen wollten, fesselt uns die von ihr entwickelte Ausstellungsarchitektur doch mehr als erwartet. Die Gemälde sind auf Glasstelen montiert, die in Betonsockeln stecken. Man kann so auch die Rückseite anschauen auf der auch die Beschriftung angebracht ist. Je nachdem von welcher Seite man kommt wird man mal von dem Künstler/der Künstlerin angezogen mal von der Darstellung. Das Schlendern durch die Ausstellung macht uns kurz wieder wach. Um halb 5 machen wir uns auf den Weg zurück zum Flughafen. Müde und zufrieden warten wir am Gate auf unseren Weiterflug um 22.30 Uhr, leider ist nach einem heillosen Chaos verursacht durch die Airline, der Abflug erst um halb 2. Statt um 1 Uhr landen wir erst um 5 Uhr in Montevideo. Das gebuchte Hotelzimmer brauchen wir dann nur noch für Dusche und Frühstück.
    Auch wenn wir letztendlich zwei Nächte im Flugzeug und am Gate verbracht haben, hat sich der Zwischenstopp in Sao Paulo mehr als gelohnt. Die Stadt ist deutlich angenehmer als ihr Ruf, auch wenn man hier und da etwas mehr auf seine Wertsachen aufpassen muss als anderswo. Wir kommen bestimmt wieder.
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  • Day 3–6

    Sylvester in Piriápolis

    December 30, 2022 in Uruguay ⋅ ☀️ 30 °C

    Nachdem unsere Eltern gelandet sind fahren wir alle gemeinsam mit dem Mietwagen nach Piriápolis. Piriápolis ist ein Badeort etwa 1,5 Stunden von Montevideo entfernt. Im Winter ist es eher eine verschlafene Kleinstadt im Sommer platzt er aus allen Nähten. Nicht so schick wie Punta del Este und nicht so "Hippie" wie die Badeorte in Rocha ist er der richtige Mittelweg für alle "Normalos". Meine Schwester hat hier ein Jahr Schüleraustausch gemacht. Wir sind schon zum dritten Mal hier und es fühlt sich fast ein bisschen wie zu Hause an. Der lange Flug steckt uns noch in den Knochen, nach dem Bezug der Ferienwohnung geht es erstmal zu La Passiva an der Rambla für ein Chivito al pan (eine Art Burger aber mit einem Stück Rindfleisch statt Hackfleischpattie) und eine Cola. Das ist für uns jetzt wohl endgültig das Ankommen-Ritual. Abends machen wir noch einen Spaziergang im Sonnenuntergang. Als sie im Meer versinkt klatschen einige Leute am Strand. Auch so ein "Piriápolis-Ding". Am Kiosk vom Gastbruder meiner Schwester lassen wir den Abend mit einem Bier ausklingen. Am nächsten Morgen geht es schon wieder los zum Flughafen um meinen Freund abzuholen. Der durchlebt jetzt das gleiche Zombiestadium wie wir einen Tag zuvor. Aber da Sylvester ist, bleibt keine Zeit für Müdigkeit. Erstmal geht es wieder zu La Passiva, dann zum Einkaufen in den Devoto. Wir steuern Wein und Eis für die Silvesterfeier bei der ehemaligen Gastfamilie bei. Noch schnell hoch auf den Cerro San Antonio für einen Blick von oben auf Piriápolis.
    Als Silvesteressen gibt es Lamm aus dem Ofen. Für uruguayische Verhältnisse sind die Beilagen geradezu üppig: ein bisschen grüner Salat, ein Teller Reis und eine aufgeschnittene Tomate und Kartoffelsalat. Um Mitternacht schauen wir uns das Feuerwerk auf der Straße an. Jedes Jahr seit 25 Jahren wird in Piriapolis an der Rambla an Sylvester die Straße gesperrt und getanzt. Vom Jetlag schon ziemlich müde machen wir uns trotzdem auf den Weg und genießen noch ein bisschen die Stimmung. Auf dem Weg dorthin gibt es noch eine kurze Tanz- und Bierpause am Kiosk.
    Am 1. Januar ist es drückend heiß und man möchte sich kaum bewegen. Wir machen eine kleinen Ausflug entlang der Küste, bleiben aber erstmal beim Mittagessen im Fuegos del Puerto hängen. Weiter geht's zur Playa San Francisco. So ein Neujahrsbad ist genau das richtige gegen den Kater. Nach einer halben Stunde bricht ein kräftiges Gewitter über uns herein und wir flüchten nach Hause. Den letzten Abend verbringen wir mit der ganzen uruguayischen Familie im Restaurant.
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  • Day 6

    Von Piriapolis nach Carmelo

    January 2, 2023 in Uruguay ⋅ ⛅ 22 °C

    Morgens packen wir unsere sieben Sachen und starten Richtung Carmelo. Carmelo ist ein kleiner Ort direkt am Rio de la Plata, der ein paar Kilometer flussaufwärts aus dem Rio Paraná und dem Rio Uruguay entsteht. Unser erster Stopp ist in Estacion Atlantida bei der Kirche Cristo Obrereo. Wir hatten dieses architektonische Kleinod schon bei unserem ersten Trip entdeckt. Mittlerweile ist sie UNESCO Weltkulturerbe, wie wir vor Ort erfahren. Der Backsteinbau wurde 1952 von dem uruguayischen Architekten Eluardo Dieste gebaut. Die Kirche ist ganz aus Backstein, der auch zur Gestaltung der Wände im Inneren und für die Ausstattung verwendet wurde (https://es.m.wikipedia.org/wiki/Iglesia_de_Cris…). Direkt neben der Kirche steht der ebenfalls von Dieste erbaute Bahnhof, der heute eine Kindertagesstätte ist. Über die Ruta 11 geht es über Land weiter durch das "Interior", also das Landesinnere. Der nächste Stopp ist Canelones, die Hauptstadt des gleichnamigen Departements. Wie die meisten Städte abseits der Küste ist sie schachbrettartig um die obligatorische Plaza Artigas angelegt. Canelones ist eher unspektakulär und wir fahren weiter nach Santa Lucia. Hier ist im Haus des uruguayischen Dichters Robo ein Kulturzentrum und das Standesamt. Wir bekommen von der Standesbeamtin, die ganz begeistert über ausländische Touristen ist, eine kleine Führung durch das hübsche Haus. Da montags in Santa Lucia alles geschlossen ist empfiehlt sie uns zum Mittagessen den Club Social 23 de Marzo am Hauptplatz. Die Kantine des "Sozialclubs" ist in einem etwas in die Jahre gekommenen, aber sehr schönen 70er Jahre Gebäude untergebracht. Die riesigen Säle und das Treppenhaus lassen noch etwas vom alten Glanz erahnen. Die Speisekarte beinhaltet den uruguayischen Dreiklang: Chivito, Pizza und Pasta. Wir sind die einzigen Gäste - das passt zur nostalgischen Atmosphäre. Weiter geht's vorbei am ersten touristischen Hotel Uruguays auf die Ruta 11. Langsam wird es etwas eintönig. Uruguay abseits der Küste ist größtenteils flach und dünn besiedelt. Kleine flache Gebäude und Autowracks von Oldtimern prägen das Bild. Die Strecke zieht sich etwas, trotzdem muss man ziemlich aufpassen, denn Fußgänger, Fahrräder, Pferdekarren und Reiter überqueren immer wieder die Straße. Das wohl skurrilste ist ein Herr auf einem Moped, der mit einer Hand lenkt und mit der anderen Hand drei Pferde hinter sich her führt. In Colonia machen wir einen kurzen Stopp um die Fährtickets für die Rückfahrt zu kaufen. Danach wird die Strecke etwas abwechslungsreicher. Pünktlich zum Sonnenuntergang sind wir am Rio de la Plata. Unsere Unterkunft ist wunderschön und wir verzehren die Reste des Silvesteressens im großen Garten.Read more

  • Day 7–9

    Carmelo

    January 3, 2023 in Uruguay ⋅ ⛅ 33 °C

    Morgens stärken wir uns landestypisch mit Bizcocho (süßem und salzigem Kleingebäck, das nach Gewicht gekauft wird) und Nescafe. Die Gegend um Carmelo ist für ihre Weingüter bekannt. In Uruguay wird vor allem Tannat angebaut, eine alte französische Rebsorte. Uruguayische Weine sind in Europa erst langsam im Kommen und auch in Uruguay rangiert Wein momentan noch hinter dem importierten Whiskey. Bei unserem ersten Aufenthalt 2009 musste man ihn in den Supermärkten noch suchen. Seit etwa 2012 hat man das Konzept des Enotourismus aus dem Nachbarland Argentinien übernommen und die Weingüter bieten Führungen und Weinproben an. Die Besucher kommen aber bisher größtenteils aus dem Ausland, vor allem aus Brasilien. Unser erster Stopp ist die Bodega Almacen de la Capilla. Das Weingut wurde von italienischen Einwanderern gegründet, die den Wein zunächst für den Eigenbedarf anbauten und den Überschuss in ihrem kleinen Dorfladen in Colonia Estrella verkauften. Colonia Estrella als Ort zu bezeichnen ist etwas gewagt. Eigentlich sind es nur ein paar staubige Straßen an denen die Häuser weit verstreut auf riesigen Grundstücken stehen. Im "Zentrum" befindet sich der ehemalige Dorfladen und die Kirche. Im Dorfladen verkauft die Bodega heute ihre Produkte. Neben Weinen gibt es neuerdings auch Olivenöl aus uruguayischer Produktion. Bei einer ausgiebigen Weinprobe probieren wir uns durch das Sortiment. Neben Tannat wird Syrah, Chardonnay und Muskatella angebaut. Außerdem wird aus den Tannattrauben auch ein Rosé hergestellt. Ebenfalls in Colonia Estrella befindet sich das kleine Weingut El Legado, das mit seiner Produktion von nur 13.000 Flaschen pro Jahr besonders klein ist. Auch hier wird Tannat und Syrah angebaut und seit kurzem Vigonier. Wir bekommen eine Führung durch die kleine Produktion. Das Pressen der Trauben, das Abfüllen und Etikettieren geschieht von Hand, da sich Maschinen für die kleine Produktion nicht wirklich lohnen. Die Weine gibt es auch nur vor Ort zu kaufen. Etwas geplättet von so viel Wein bei 30° und mit dem Kofferraum voller Weinkartons fahren wir zurück ins Hotel und entspannen ein bisschen am Pool.Read more

  • Day 8

    Über den Rio de la Plata nach Tigre

    January 4, 2023 in Argentina ⋅ ☀️ 29 °C

    Morgens schnappe ich mir das Fahrrad der Unterkunft und fahre in die Stadt zum Bäcker. Carmelo ist die ideale Fahrradstadt und viele Einheimische kommen mir mit dem Fahrrad entgegen. Als ich umständlich versuche mein Gefährt mit in die Bank zu nehmen, lacht mich eine Frau fast aus und fragt ob mir tatsächlich in Carmelo schon mal jemand versucht hätte mein Fahrrad zu klauen - deshalb sind wohl keine Fahrradschlösser vorhanden. Nach dem Frühstück machen wir uns auf zur Calera de las Huerfanas. Die Ruinen einer ehemaligen jesuitischen Estancia sind etwa 15 Minuten mit dem Auto von Carmelo entfernt. Die Estancia diente im 18. Jahrhundert der Versorgung der jesuitischen Guaranimissionen in Paracuaria, einer Provinz des Jesuitenordens im heutigen Paraguay, Argentinien, Brasilien und Uruguay. In der Calera de las Huerfanas arbeiteten vor allem schwarze Sklaven. Die Estancia hatte zwei große Kalköfen in den Kalk gebrannt wurde der unter anderem für den Bau von Colonia und Montevideo verwendet wurde. Relativ gut erhalten ist die "Kapelle", die schon eher die Dimensionen einer Kirche hat. Die schlichte Fassade und der die Altarwand sind noch gut erhalten. Zurück in Carmelo machen wir uns auf den Weg zum internationalen Fährterminal. Der hochtrabende Name bezeichnet ein kleines Gebäude an einem Seitenarm des Rio de la Plata. Als wir wie angegeben 1,5 Stunden vorher da sind versichert man uns, dass die Grenzbeamtin erst eine halbe Stunde vor Abfahrt kommen wird. Das verschafft uns Zeit für einen kurzen Kaffee im Zentrum. Die Ausreise ist dann auch sehr unspektakulär. Unser Gepäck wird pragmatisch auf dem Dach der kleinen Fähre verstaut. Nachdem auch die letzten Nachzügler eingetroffen sind beginnen wir unsere Fahrt über den Rio de la Plata. Das Delta ist an seiner breitesten Stelle fast 220 km breit. Das Schiff hält sich eng an den Inseln im oberen Teil des Delta, der Fluss, der eher an ein Meer erinnert, kann streckenweise nämlich ziemlich rau sein. Als wir kurz auf das offene Wasser kommen, kann man in der Ferne schon Buenos Aires erahnen. Die Überfahrt dauert drei Stunden. Eine Stunde vor unserer Ankunft kommen wir bereits in die kleinen Flussarme des argentinischen Bezirks Tigre. Die Inseln sind ein beliebtes Naherholungsgebiet für die Einwohner von Buenos Aires und die Ufer sind gesäumt von imposanten Ferienhäusern mit eigenen Anlegestellen. Alle Häuser sind auf Stelzen gebaut, da die Inseln regelmäßig unter Wasser stehen. Ohne Boot ist man hier aufgeschmissen und der Verkehr wird recht rege. Neben privaten Motorbooten gibt es auch Linienschiffe, Ausflugsboote und Wassertaxis. Die letzten Meter bis zum Terminal in Tigre Stadt fahren wir vorbei am beliebten Vergnügungspark Parque de la Costa. Nach dem entspannten Uruguay ist der Trubel in Tigre erstmal etwas überfordernd. Da unsere Unterkunft auf einer der Inseln ist müssen wir erstmal Geld besorgen und einkaufen gehen. Als wir versuchen anschließend ein Taxi zu bekommen scheitern wir an der Tatsache, dass es einfach keine zu geben scheint. Auch finden alle, dass sich für den Fußmarsch von einer halben Stunde ein Taxi einfach nicht lohnt. Erst später verstehen wir, dass die für uns vergleichsweise geringen Summen in der momentanen Situation für die meisten unerschwinglich sind, denn Argentinien ist mal wieder in einer tiefen Wirtschaftskrise mit einer Inflation von über 90%.. Und wer Geld hat, besitzt in Tigre ein eigenes Boot. Wir machen uns letztendlich zu Fuß auf den Weg. Ein abendlicher Spaziergang am Fluss ist natürlich schön, aber weniger mit Gepäck und bei immer noch 29°C. Am Ziel angekommen erreichen wir dann aber unseren Gastgeber, der uns mit dem Boot abholt und auf "unsere" Insel bringt. Auf dem großen Grundstück stehen weit verstreut kleine Hütten jeweils mit eigener Terrasse. Mit uruguayischem Rotwein lassen wir den Tag ausklingen.Read more

  • Day 9–13

    Mi Buenos Aires querido

    January 5, 2023 in Argentina ⋅ ☀️ 30 °C

    Morgens machen wir einen kleinen Spaziergang über die Insel. Um 13.00 Uhr werden wir zurück nach Tigre gefahren. Direkt am Anleger liegt das Museo de Arte de Tigre. Die kleine Sammlung vornehmlich argentinischer Künstler ist in einem spektakulären Gebäude direkt am Flussufer untergebracht. Das Gebäude wurde als Club Social gebaut und Ende des 20. Jahrhunderts von der Kommune übernommen und restauriert. Ein Besuch lohnt sich schon allein wegen des Gebäudes und der tollen Terrasse. Ein Wassertaxi (heute klappts) bringt uns anschließend zum Bahnhof. Für umgerechnet 40 ct (das Wassertaxi kostet 18 Euro) fahren wir mit dem Zug eine Stunde nach Buenos Aires. Unser Bed and Breakfast ist einem wunderschön restaurierten Haus ein paar Blocks vom Altstadtviertels San Telmo entfernt. Auf der Plaza Dorrego gibt es passend zum Aperitif eine Tangovorführung. Anschließend gibt es Pizza im Mercado San Telmo. Wirklich auffällig für uns ist, dass die Armut im Vergleich zu unseren letzten Besuchen deutlich zugenommen hat. Viele Menschen leben auf der Straße und gehen durch die Lokale um nach Essen zu fragen. Die eigene privilegierte Situation wird einem wirklich drastisch deutlich und schnürt einem zweitweise die Kehle zu. Die gewonnene Fußballweltmeisterschafft und Messi scheinen die einzigen Lichtblicke in der momentanen Krise. Überall gibt es Graffitis mit seinem Gesicht und alle Firmen werben mit Sondereditionen zur Weltmeisterschafft. Auch hinter unserem Tisch ist ein überlebensgroßes Graffiti von Messi und fast alle Passanten fotografieren sich davor.
    Am nächsten Tag absolviere ich mit meinem Freund erstmal das Touripflichtprogramm, weil er noch nie in Buenos Aires war. Wir fangen in La Boca an, dem "Tangoviertel". Tatsächlich ist es einfach eine kleine Straße, genannt Caminito mit bunt angestrichenen Häusern und einer Flut von Souvenirshops und Restaurants. Bekannt ist La Boca natürlich auch für die Fußballmannschaft Boca Juniors. La Boca gehört zu den wenigen wirklich gefährlichen Vierteln in der Innenstadt. Die touristischen Bereiche sind klar umgrenzt und teilweise eingezäunt. An den Rändern stehen Polizist:innen und Sicherheitsleute, die vorwitzige Tourist:innen wieder zurück in den "Käfig" schicken. Vom Caminito zum Fußballstadion, das momentan leider nicht besichtigt werden kann, führt ebenfalls eine "gesicherte" Touristenrennstrecke. Unser Gastgeber erzählt uns, dass Gäste von ihm, die auch die Idee hatten einfach zurück ins Zentrum zu laufen etwa fünf Blocks von ihrem Ziel entfernt von einem Polizeiauto eingesammelt und wieder zurück zum Caminito gefahren wurden. Wir machen also brav unsere Fotos im abgesteckten Bereich und steigen anschließend in den 64er Bus. Die Linie eignet sich hervorragend fürs Sightseeing. Sie fährt von La Boca vorbei an den Sehenswürdigkeiten der Innenstadt in das Upper-Class Viertel Palermo. Der öffentliche Nahverkehr ist extrem günstig. Eine Fahrt kostet etwa 20 ct, man braucht nur eine aufladbare Plastikkarte namens Sube. Allerdings sind die momentan vergriffen. Praktischerweise konnten wir uns in der Unterkunft eine ausleihen. Am Nachmittag laufen wir die Avenida de Mayo vom Kongress bis zur Plaza de Mayo herunter und essen anschließend in unserem Lieblings Café dem Gato Negro zu Mittag. Abends genießen wir den Sonnenuntergang am Puerto Madero und gönnen uns zum Abschluss eine Parilla (Gegrilltes). Die Rinder werden in Uruguay und Argentinien ganz anders zerteilt, als in Europa. Mit den Bezeichnungen der Fleischstücke können wir daher wenig anfangen. Mit Hilfe des Kellners entscheiden wir uns für Entranha und Vacio.
    Meine Eltern nehmen am nächsten Tag schon morgens die Fähre nach Colonia del Sacramento in Uruguay um zurück zum Mietwagen in Carmelo zu kommen und ihre Uruguayreise fortzusetzen. Wir bleiben noch in Buenos Aires. Erstmal geht es nach Retiro wo wir am Busbahnhof unsere Bustickets nach Paraguay kaufen. Retiro ist ein Viertel dass sinnbildlich für das ganze Land stehen könnte. Direkt an den Busbahnhof grenzt eine illegaler Slum in dem die Häuser dicht an dicht und übereinander gestapelt scheinen. Auf der anderen Seite des Bahnhofs stehen schicke Luxusapartementgebäude. Dazwischen liegen etwa 5 Minuten Fußweg. Wir wechseln also zu Fuß von einer Welt in die andere ins schicke Retiro. Dort befindet sich das Museo Isaac Blanco in einem neubarocken Palast mit einem wunderschönen Garten. Von dort laufen wir zur Buchhandlung El Ateneo Grand Splendid, die in einem alten Theater untergebracht ist. Da um 18.30 Uhr unsere Fähre geht machen wir uns auf den Weg zum Hafen. Wir haben unsere Tickets bei Colonia Express gekauft. Die andere Firma ist Buquebus, allerdings kann man hier nicht nach draußen, sondern sitzt wie in einem Flugzeug im klimatisierten Inneren. Wir fahren über die breiteste Stelle des Rio de la Plata zurück nach Uruguay. Diesmal ist unser Ziel Colonia del Sacramento. Das Schiff ist deutlich größer als die Fähre von Carmelo. Der Einstieg ist jetzt mehr wie am Flughafen, man muss 1, 5 Stunden vorher da sein um einzuchecken. Ausreise aus Argentinien und Einreise nach Uruguay passieren an benachbarten Schaltern. Die "See" ist sehr rau und trotz seiner Größe schwankt das Schiff ordentlich. Kurz nach Sonnenuntergang erreichen wir nach 1,5 Stunden Colonia. Colonia wurde von den Portugiesen als Handelsstützpunkt an der Rio de la Plata Mündung gegründet. Die Stadt war sehr umkämpft und wurde deshalb immer wieder befestigt. Ende des 18. Jahrhunderts kamen die Spanier nach Colonia. Heute ist es ein schmuckes Kolonialstädtchen mit Leuchtturm und Kopfsteinpflasterstraßen und der Touristenmagnet von Uruguay. Bei Livemusik essen wir auf dem Kirchplatz Abend und fallen todmüde ins Bett. Am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus nach Montevideo wo wir unseren Mietwagen übernehmen und weiter nach Antoniopolis wo wir die nächsten zwei Wochen verbringen, während ich mein Onlinestudium mache.
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  • Day 12

    Mit WhatsApp durch Colonia

    January 8, 2023 in Uruguay ⋅ ☀️ 27 °C

    Das WhatsApp auf diesem Kontinent unerlässlich ist, wurde mir schon vor ein paar Jahren klar, als die Nonne, die mir den Schlüssel für eine Kirche geben sollte weder auf Anrufe noch SMS reagierte, nach einer WhatsApp Nachricht aber nach 5 Minuten vor der Kirche stand. Tatsächlich war das für mich letztendlich der Grund meinem Wiederstand gegen diese App aufzugeben. Meta hats in Südamerika echt geschafft: ohne WhatsApp keine Teilhabe am Leben. Auch auf dieser Reise haben von den Unterkünften bis zur Mietwagenfirma alle über WhatsApp kommuniziert. Kein WhatsApp oder keine mobilen Daten? Ganz schlecht, da muss man dann beispielsweise in Tigre 30 Minuten mit Gepäck durch die Hitze laufen, weil der Mensch der einen abholt leider nicht weiß wo im Handy er eingehende Textnachrichten findet. Ungekannte Ausmaße erwarten uns allerdings in unserem Hotel in Colonia. Abgekämpft und müde kommen mit einer 3/4 Stunde Verspätung in Colonia an. Das Hotel ist nur 3 Minuten vom Fährhafen entfernt. Geschafft, denken wir, als wir durch die Tür treten. Nicht ganz, stellt sich dann raus. Völlig aufgelöst und mit bedenkenschwerer Miene teilt mir der Portier mit, das meine Telefonnummer auf Booking leider falsch sei und er mich nicht erreichen konnte. Wir wären schließlich zu spät und die Reservierung verfiele nach einer Stunde. Ich: Die Nummer ist nicht falsch, das ist meine deutsche Handynummer. Er: Das kann nicht sein, die geht nicht. Ich: Doch natürlich. Er: Nein, ich hab es doch versucht. Ich: Doch, aber ich habe auf der Nummer kein WhatsApp. Er: Sag ich doch, die funktioniert nicht. Aaah ja. Egal. Gibt es denn das Zimmer noch? Aber selbstverständlich. Ach so na dann ist ja alles gut. Weit gefehlt. Ohne WhatsApp erklärt er mir besorgt geht in diesem Hotel leider gar nichts. Da ich WhatsApp auf einer anderen Nummer habe, ist erstmal alles gut. Als erstes soll ich für die Registrierung einen QR Code einscannen. Leider streikt mein Handy. Kann ich das auch auf Papier machen oder gibt es eine Internetadresse, die ich eingeben kann? Ja klar, aber erstmal wird mir ein weiterer QR Codeleser runtergeladen, ist besser so. Mein Handy will immer noch nicht. Na gut ich darf ihm auch meinen Namen und die Zimmernummer per WhatsApp schicken. Das wars auch schon, zack bin ich eingecheckt. Verrückt, ohne WhatsApp wär das nie gegangen (leicht ironischer Unterton). Als nächstes schickt er mir alle Infos (CheckOut, Frühstückszeiten, W-Lan Passwort, Türcode) per WhatsApp - während er neben mir steht. Is ja auch viel schöner so. Gleichzeitig fragt er immer wieder eindringlich ob ich jetzt verstünde wie wichtig es wäre WhatsApp zu haben. Ja jetzt verstehe ich, nicke ich brav, ohne WhatsApp wäre das alles gar nicht möglich gewesen. Zusätzlich bekommen wir den Link zu einem Youtube Video mit Gebrauchsanweisungen für die Tür, die Kaffeemaschine etc. Brauchen wir nicht, denken wir. Hätten wir mal besser gucken sollen, stellt sich am nächsten Morgen raus - dann wären wir vielleicht in die Stadt zum Frühstück. Wir wollen nämlich eigentlich nur kurz was essen bevor wir vor der Abfahrt eine Runde durch Colonia drehen. Im Frühstücksraum stehen aber nur zwei Automaten. Der eine sieht aus wie ein normaler Snackautomat. Mit Preisen und so. Zu unserer Rettung kommen zwei freundliche Damen, die eine hat Münzen dabei und wirft 500 Pesos (ca. 10 Euro) in den Automaten dafür dürfen wir jetzt einkaufen. Bei näherer Betrachtung fällt auf, das eine gute Seele verschiedene Dinge (z.B. Toastscheiben) liebevoll auf Styroportablets gelegt, mit Frischhaltefolie umwickelt und in den Automaten gefüllt hat. Brotkörbe sind was für Anfänger. Mit sanftem Druck werden wir aufgefordert unseren Kredit zu verbrauchen. Mit einer absurden Mischung aus Toastscheiben, Keksen und Müsliriegeln gehen wir zurück zum Tisch. Der Toast wird uns abgenommen, ausgewickelt, getoastet und auf Porzellanteller gelegt. Kaffee haben wir noch nicht, denn den Automaten darf man nicht selbst bedienen. Hinter uns füllt sich der Saal mit Menschen, die auch einfach nur frühstücken wollen. Aber so einfach ist das nicht. Ob wir noch Obst haben wollen, fragt uns eine der Damen. Klar, sagen wir. Und schwupp ist sie weg. Die Stimmung im Saal steigt, denn jetzt kann niemand mehr den Kaffeeautomaten bedienen. Leider hat der jetzt auch noch eine Fehlermeldung. Um die zu beheben braucht man einen Schlüssel, der natürlich fehlt. Letztlich wird er gefunden und wir bekommen unseren Kaffee. Wir essen währenddessen unsere liebevoll getoasteten Brotscheiben. Nachdem wir alles aufgegessen haben, den Kaffee getrunken und mein Freund seine Zigarette geraucht hat, kommt dann noch das geschnittene Obst. Wir vermuten den Portier hinter diesem ausgeklügelten System und verlassen fluchtartig den mittlerweile völlig überfüllten Frühstücksraum. Durch Colonia spazieren wir dann ganz analog.Read more

  • Day 13–25

    Life is a beach in Antoniopolis

    January 9, 2023 in Uruguay ⋅ ☀️ 22 °C

    Während der 2-wöchigen online Blockphase meines Studiums haben wir ein Haus in Antoniopolis gemietet. Antoniopolis ist ein kleiner Badeort, der direkt an La Paloma grenzt. Das Haus "La casa del Mar" steht direkt am Strand. Aus der Hintertür tritt man praktisch in die Dünen und ein paar Schritte weiter ist man am Meer. Wegen der Zeitverschiebung muss ich jeden Tag um 05.00 Uhr aufstehen, weil um 05.30 Uhr (09.30 Uhr in Deutschland) meine Vorlesung anfangen. Mit meiner Tasse Kaffee bewundere ich dann am Strand den Sonnenaufgang über dem Meer - nicht der schlechteste Start in den Tag. In der ersten Kaffeepause dann ein Bad im Meer und der Schlafmangel ist passé.
    Antoniopolis besteht nur aus einer Hauptstraße und ein paar ungeteerten Nebenstraßen. Fünf Minuten zu Fuß gibt es eine Metzgerei (fehlt hier in keinem Dorf und sei es noch so klein), eine Bäckerei (dito) und ein Minisupermarkt. Schon am ersten Tag setzt sowas wie totale Entspannung ein. Ausflüge? Auf der Liege auf der Terrasse oder in der Hängematte löst sich jeder Entdeckungsdrang in Luft auf. Von der Hängematte ins Wasser und zurück in die Hängematte ist das Programm für die ersten Tage. Ab und zu ein kleiner Ausflug ins ziemlich unspektakuläre La Paloma oder ein Spaziergang am Strand runden es ab. Am zweiten Morgen habe ich dann aber doch eine ziemlich apokalyptische Erfahrung. Als ich aufwache ist es noch extrem dunkel und ich denke zuerst, dass ich den Wecker falsch gestellt hab. Ein paar Minuten später bricht ein Gewitter los. Es schüttet wie aus Eimern und plötzlich sitze ich im Dunkeln - Stromausfall. Im Licht meines Handys gehe ich trotzdem in mein "Arbeitszimmer" um mit meinen mobilen Daten an der Vorlesung teilzunehmen. Und da sehe ich im Lichtkegel eine ziemlich blasse aber große Kröte, die vor mir zu fliehen versucht. Ich flüchte mich ins Schlafzimmer. Mein Vater und mein Freund aufgeweckt durch meinen vermutlich spitzen Schrei fangen die Kröte dann in einem Eimer und bringen Sie nach draußen. Am nächsten Abend hockt die Kröte wieder innen hinter der Eingangstür als wir nach Hause kommen und ich klemme sie beim öffnen der Haustür fast darunter ein. Mit der Zeit finden wir heraus, dass es mehrere sind und eine ganze Familie unter der Parillera lebt. Sie werden von offenen Türen geradezu magisch angezogen und wir müssen sie noch einige Male daran hindern ins Haus zu kommen. Auch mit ein paar kleinen Skorpionen teilen wir das Haus.
    Eine Parillera ist eine gemauerte Grillstelle, die in Uruguay in keiner Behausung fehlen darf, selbst in großen Mehrfamilienhäusern gibt es welche auf den Balkons. In Uruguay grillt man mit Holz. Die Holzbündel kann man an jeder Ecke kaufen. Die Bündel werden in eine Art rechteckigen Metallkorb gelegt und angezündet. Die glühende Kohle fällt dann durch die Gitterstäbe und wird unter das Grillrost geschoben. Gegrillt werden hauptsächlich verschiedene Teile vom Rind, Chorizo, eine relativ fettige Wurst und Provolone.
    Da das Haus vier Schlafzimmer und insgesamt 11 Betten hat, haben wir die Gastfamilie meiner Schwester eingeladen ein paar Tage mit uns zu verbringen. Und so haben wir dann ein paar Tage Full House. Da der Strand ja direkt vor der Terrasse anfängt muss man eigentlich gar nicht mit Sack und Pack an den Strand gehen. Wenn man das in Uruguay tut, dann aber in jedem Fall mit Strandstühlen. Strandhandtücher zum draufsetzten benutzt eigentlich niemand. In unserem Ferienhaus sind dann auch genug für alle vorhanden. Die können nach dem Strandbesuch dann auch gleich für den nachmittäglichen Mate genutzt werden. Mate trinken ist in Uruguay fester Bestandteil des Alltags. Das ist auch in Argentinien und Paraguay so, aber in Uruguay trinkt man und frau Mate wo man geht und steht. Wenn man irgendwo auf der Welt einen Menschen mit einer Thermoskanne unter dem rechten Arm und dem Mate in der rechten Hand kann man sich relativ sicher sein, dass diese Person aus Uruguay kommt. Wenn man wie wir viele Leute ist, macht man auch rondas (Runden). Ein Mate wird von der cebadora (oder dem cebador), meist die Person, der der Mate gehört, immer wieder mit heißem Wasser befüllt und der Reihe nach an alle gegeben. Die jeweilige Person trinkt dann alles Wasser aus und gibt den Becher an die cebadora zurück, die ihn wieder befüllt und an die nächste Person gibt.
    Die zwei Wochen in der Casa del Mar vergehen viel zu schnell und wir sind uns alle einig, dass wir ohne Probleme auch noch eine weitere Woche auf der Liege hätten verbringen können.
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  • Day 18–19

    Quebrada de los Cuervos

    January 14, 2023 in Uruguay ⋅ ⛅ 29 °C

    Am Wochenende nutzen mein Freund und ich die Vorlesungsfreie Tage für einen Ausflug ins Inland. Unser erstes Ziel ist die Quebrada de los Cuervos, ein Naturschutzgebiet im Departamento Trienta y Tres mit dem tiefsten Canyon Uruguays. Das Abenteuer beginnt gleich hinter der Stadtgrenze von Rocha: 70 km nicht Schotterpiste liege vor uns. Es ist so wenig Verkehr, dass die vorbeireitenden Gauchos freundlich den Hut zum Gruß heben - mehr Klischee geht kaum. Nachdem die Schotterpiste hinter uns liegt müssen wir feststellen, dass die asphaltierte Landstraße noch schlimmer ist. Sie besteht nämlich aus mehr Schlaglöchern als Asphalt. Erst kurz vor Trienta y Tres wird es besser. Ziemlich fertig kommen wir in dem sehr verschlafenen Nest an. Wir finden einen offenen Supermarkt in dem wir fast die einzigen Kunden sind und kaufen Proviant für die nächsten Tage. Für eine Flasche Wein, Käse, Bier, etwas Brot und Oliven zahlen wir umgerechnet 50 Euro - Uruguay ist kein billiges Reiseland. Kurz hinter Trienta y Tres müssen wir nochmal 25 km Schotterpiste absolvieren. Langsam lernen wir es schätzen, dass wir statt des gebuchten Kleinwagens von der Autovermietung einen Möchtgern-Pickup, einen Fiat Strada Freedom, bekommen haben. Er ist zwar untermotorisiert und treibt einen auf guten Straße in den Wahnsinn, auf Schotterpisten entfaltete er aber sein volles Potential. Die Landschaft im Abendlicht ist wunderschön und wir sehen sogar ein paar Nandus. Unsere Unterkunft El Capricho ist eine einfache Posada mit kleinen Hütten und einer tollen Aussicht über den Park. Vor dem Abendessen machen wir noch einen kleinen Sonnenuntergangsspaziergang. Im Restaurant der Posada gibt es dann Lamm vom Nachbarn und kaltes Bier. Am nächsten Morgen machen wir uns auf zum Canyon. Am Eingang muss man sich beim Parkranger registrieren und wird über die "Gefahren" aufgeklärt. Der Canyon stellt sich dann als, nun ja etwas tiefer eingeschnittenes Tal mit einem kleinen Bach heraus. Schön ist es aber trotzdem nur sehr heiß. Über uns kreisen schwarze Geier, die der Schlucht ihren Namen geben (Cuervo bedeutet Rabe). Es gibt einen 3 km langen Rundweg für den man angeblich 3 Stunden braucht. Wir wagen es trotzdem. Der Pfad windet sich langsam in das Tal hinab zum Bach und folgt ihm ein Stück. Nach einem Picknick am Bach erklimmen wir die letzte Station den Aussichtspunkt fliehen aber vor der Hitze schnell ins Auto - es sind 36 Grad und kein Schatten weit und breit. Eine Parkrangerin empfiehlt uns zur Abkühlung die Cascadas y Laguna de los Oliveros. Ein See und ein kleiner Wasserfall in denen man baden kann. Sie liegen auf privatem Farmland und die Anfahrt ist relativ skurril. Von der Straße fahren wir fast 20 Minuten über die Weiden der Familie Oliveros, vorbei an Pferden und Schafen, die entsetzt vor dem Auto fliehen. Immer wieder muss man aussteigen um Tore aufzumachen. Ohne den Tipp der Rangerin wären wir nie auf die Idee gekommen, dass man hier überhaupt durchfahren darf. Wir sind erneut extrem dankbar für unser Auto. Angekommen am Haus der Familie bezahlen wir 70 Peso (etwa 1,70 Euro). Da wir eine Camioneta (Pick-up) haben können wir noch weiter fahren. Ab hier gibt es nicht mal mehr einen Feldweg sondern nur noch ab und zu eine Fahrspur. Aber am Ende erwartet uns ein gekennzeichneter Parkplatz und eine "Routenbeschreibung" auf Spanisch und Englisch. Der See ist schnell erreicht zum "Wasserfall" sind es nochmal 15 Minuten. Aber tatsächlich kann man sehr schön baden und wir sind vor allem ganz allein. Auf dem Rückweg schwimmen wir noch eine Runde im See.Read more

  • Day 20–21

    La Charqueada und Lago Merin

    January 16, 2023 in Uruguay ⋅ ☀️ 32 °C

    Nach unserem Bad im See machen wir uns auf den Weg zu unserer zweiten Übernachtung: La Charqueada, auf Google Maps heißt der Ort General Enrique Martinez, was uns erst ein bisschen verwirrt, aber irgendwie scheint er zwei Namen zu haben. Es handelt sich in jedem Fall um ein sehr verschlafenes Nest am Ende einer Landstraße und am Ufer des Rio Cebollatí. Unterkünfte sind auf dem uruguayischen Land dünn gesät, wenn man nicht gerade mit dem Camper oder Zelt unterwegs ist. In La Charqueada gibt es aber Cabanas Municipales. Also Hütten, die der Gemeinde gehören. Sie wurden ursprünglich im Sinne des Sozialtourismus gebaut um auch ärmeren Familien Urlaub im eigenen Land zu ermöglichen. Über WhatsApp (wer hätte das gedacht) hatten wir eine der Hütten am Flussufer reserviert. Die Anzahlung haben wir über Redpagos getätigt. Das ist ein Dienstleister, der es Menschen ohne Konto ermöglicht Rechnungen zu bezahlen, Lohn zu erhalten und Überweisungen zu machen. Sehr praktisch auch für Auswärtige und in Südamerika weit verbreitet, da viele Menschen kein Konto haben. Die Hütte stellt sich als sehr komfortabel heraus. Wir haben ein Schlafzimmer, Küche, Bad, Klimaanlage, ein Carport und - eine Parillera. Natürlich. Grillen scheint eh die einfachste Art an Abendessen zu kommen. Nur wo bekommen wir am Sonntagabend um 19.30 Uhr Fleisch und Holz her? Google verrät uns, das es eine Metzgerei gibt. Öffnungszeiten unbekannt. Wir fahren mal vorbei, das Geschäft sieht ziemlich zu aus, aber als wir kurz stoppen fragt uns ein junger Mann mit Bier was wir suchen. Die Metzgerei hat zu oder? Ja, aber ich mach schnell auf, sagt er. Sehr praktisch, wir kaufen 1 Kg Rippchen und machen uns auf die Suche nach Holz. Auch im nächsten Laden sitzt der Besitzer davor und verkauft uns noch schnell ein paar Tomaten. Holz? Jaa da wäre dieser Typ in der dritten Querstraße rechts, der würde Holz verkaufen. Wir fahren ziellos durch den Ort und siehe da die dritte Querstraße rechts oder so - da steht ein Schild und Holz auch. Allerdings bewacht von zwei wütenden Hunden. Wir klatschen (macht man hier statt klopfen) und rufen, aber niemand kommt. Irgendwann schlurft ein schon etwas betrunkener, bärtiger Typ aus dem Haus und verkauft uns Holz. Noch ein kurzer Stopp im Supermarkt für Kaffee und Toilettenpapier und es könnte losgehen. Aber wo ist der Schlüssel zur Hütte? Wir stellen alles auf den Kopf, aber er bleibt verschwunden. Ich bin mir sicher, dass ich ihn vor der Metzgerei verloren habe. Also fahre ich nochmal zurück. Der Metzger sitzt inzwischen oben ohne immer noch mit Bier und jetzt umringt von seinen Freunden vor der Metzgerei. Alle helfen suchen. Die Metzgerei wird nochmal aufgeschlossen, Autos umgeparkt, aber er ist nicht da. Auch der Herr mit den Tomaten durchkämmt mit einer Taschenlampe das Gebüsch vor seinem Haus - ohne Erfolg. Ganz La Charqueada weiß jetzt, dass die Alemanes ihren Schlüssel verloren haben. Zurück an der Hütte finden wir ihn dann doch unter dem Beifahrersitz. Als wir ein bisschen später mit Dosenbier vor unserem Pick-up sitzen und den Rippchen über dem Feuer beim Garen zuschauen haben wir kurz das Gefühl mehr Uruguay geht nicht.
    Die Straße in La Charqueada endet am Fluss, eine Brücke gibt es momentan nicht. Nur ein kostenloses Floß, das immer zwei bis drei Autos auf einmal transportiert. Am nächsten Morgen reihen wir uns in die Autoschlange und warten fast eine Stunde auf die Überfahrt. Genug Zeit um mit den anderen Wartenden ins Gespräch zu kommen, den Ablauf zu studieren und im Schatten zu chillen. Auf der anderen Seite erwartet uns - wer hätte das gedacht - eine weitere Schotterpiste durchs nirgendwo. Bis Cebollatí fahren wir durch dichten Wald. In Cebollatí biegen wir links ab auf eine weitere Schotterpiste. Die Landschaft wird deutlich flacher. Auf der einen Seite erstrecken sich endlose Weiden mit riesigen Rinderherden, auf der anderen Seite tiefgrüne Reisfelder. Ein handgeschriebenes Schild zeigt nach rechts und weißt zur "Laguna". Nach ein paar Kilometern vermischt sich die dunkle Erde mit feinstem, weißen Sand und Dünen tauchen vor uns auf. Dahinter liegt der Lago Merín, Uruguays größter See, obwohl der Großteil in Brasilien liegt. Die Szenerie ist ziemlich unglaublich: kilometerlanger feinster, weißer Sandstrand und kaum eine Menschenseele. Etwas verstreut stehen ein paar Pickups am Wasser. Wir schwimmen eine Runde bevor wir weiterfahren. Immer an der Grenze entlang fahren wir zurück Richtung Küste. In 18 de Abril essen wir erstaunlich gut im Boca 2. Wenig später besichtigen wir das Fortín San Miguel. Ein Fort, dass die Portugiesen im 18. Jh. erbauten um die Truppenbewegungen der Spanier in Richtung Rio Grande do Sul zu beobachten. Wenig später sind wir in Chuí/Chuy. Die Stadt liegt auf der Grenze zwischen Uruguay und Brasilien. Die Grenze verläuft mitten durch die Hauptstraße. Die ganze Stadt ist ein einziger Supermarkt und ziemlich chaotisch. Wir machen ein paar Einkäufe und fahren weiter an der Küste entlang. Im Nationalpark Santa Teresa legen wir einen kurzen Stopp zum Sonnenuntergang ein. Am Straßenrand begegnet uns eine Capibarafamilie. Danach essen wir in Punta del Diablo eine Kleinigkeit. Der Ort ist ein eher alternativer Badeort, der sich aus einem kleinen Fischerdorf entwickelt hat. Den perfekten Abschluss bildet ein Sambakonzert am Strand. Um 23.00 Uhr kommen wir ziemlich fertig in Antoniopolis an. Die ganze Familie, uruguayische und deutsche, sitzt noch beim Abendessen. Sie überreden uns um 01.40 Uhr noch den Mondaufgang anzuschauen. Es ist tatsächlich ziemlich spektakulär, wie sich die blutrote Mondsichel aus dem Meer schiebt. Das Aufstehen nach drei Stunden Schlaf ist dann am nächsten Morgen entsprechend hart.
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