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  • Day 25

    La Paz - Walking & Food Tour

    August 2, 2019 in Bolivia ⋅ 🌙 3 °C

    Der Tag beginnt wieder gemütlich, ich muss mein herrliches Zimmer einfach ein wenig ausnutzen. Obwohl ich relativ bald wach bin (5.45), schaffe ich es nicht vor halb neun aus dem Bett. Ich blicke aus dem Fenster, beobachte Mi Teleferico ein wenig und schaffe es endlich mal, ein wenig zu lesen.

    Gegen 9.00 begebe ich mich zum Frühstücksbuffet. Es gibt eine tolle Auswahl an Obst, Kuchen, Cerialien, Käse und Eiern. Ich glaube, hier kann man zwischen 10 verschiedenen Zubereitungsarten wählen, die einem dann frisch gemacht werden. Ich entscheide mich für Eggs Benedictinos, die vorzüglich schmecken.

    Gegen halb 11 verlasse ich das Hotel und fahre mit der hellblauen Linie zur Station El Prado. Da meine erste Tour des heutigen Tages erst um 14.00 beginnt, beschließe ich, ein wenig die Gegend rund um die Plaza San Franzisco auf eigene Faust zu erkunden. Als erstes statte ich dem kleinen Coca Museum einen Besuch ab. Ich zahle die 15 Bolivianos Eintritt, bekomme ein Übersetzungsheft in Deutsch in die Hand gedrückt, ein Cocazuckerl angeboten und dann kanns los gehen. In diesem Museum lernt man alles über die Geschichte des Cocablattes, des Gebrauchs des Blattes der Bevölkerung vorallem in hochgelegenen Gebieten in den Anden, wie Coca Cola das Blatt quasi berühmt gemacht hat, den Anbau, die positiven Eigenschaften des Cocas aber man bekommt auch die negativen Aspekte präsentiert, z.B.wie aus dem Blatt Kokain hergestellt wird. Ich schaue mir alles genau an und lese die interessanten Fakten durch, dadurch brauche ich knapp 1 Stunde um alle Infos aufzusaugen. Ein kleines, aber wirklich interessantes Museum, in dem man leider nicht fotografieren darf.

    Anschließend bummle ich ein wenig durch den Mercados de las brujas - den berühmten Hexenmarkt. Allzu lange verweile ich hier aber nicht, denn dieser Markt wird auch ein Teil der Tour sein, die ich später mache. Bevor ich mich zum Mittagessen in ein Café setze, statte ich der San Francisco Kirche noch einen Besuch ab. Leider ist auch hier fotografieren nicht erwünscht. Ich zünde für meine verstorbene Schwester, die heute Geburtstag hätte, eine Kerze an. Sie soll wissen, dass ich, egal wo auf der Welt ich bin, ich immer an sie denke!

    Nach dem Kirchenbesuch mache ich mich auf Richtung Plaza San Pedro, denn dort beginnt meine Walking Tour. In einem netten Café kurz vor der Plaza kehre ich noch ein um eine Kleinigkeit zu essen. Ich bestelle mir einen Chai Latte und ein kleines Nutellacrepe.

    Um kurz vor 14.00 bin ich beim Plaza San Pedro. Kurz darauf spricht mich jemand an, ob ich eine Tour gebucht hätte. Es ist Daniel, der Guide von Red Cap Walking Tours. Da noch nicht alle anwesend sind, die auf seiner Liste stehen, setze ich mich noch auf eine Bank und beobachte nochmal das rege Treiben vor dem San Pedro Gefängnis. Heute sind die Türen des Haupttores geöffnet und so kann ich einen kurzen Blick ins Gefängnis erhaschen. Fotografieren natürlich strengstens verboten!

    Kurz nach 14.00 startet dann die Walking Tour. Free darf sie in Bolivien nicht sein, das verlangt das Gesetz, aber es wird nur ein symbolischer Preis von 20 Bolivianos verlangt und anschließend auf Trinkgeld, von dem die Guides leben, erhofft. Wir haben 2 Guides, Daniel und Denise, die beide sehr sympatisch und kompetent wirken.

    Beginn der Tour ist eine Erzählung über das San Pedro Gefängnis. Früher konnte man ja eine Gefängnistour mit Insassen buchen, heute ist das nicht mehr erlaubt, wird aber nichtsdestotrotz immer noch praktiziert. Ratsam sei so eine Tour allerdings nicht, wie uns Denise erklärt, denn vor nicht all zu langer Zeit erst, haben 2 Amerikaner eine solch illegale Tour gemacht. Der Häftling, der ihnen San Pedro zeigte, ist irgendwann während der Tour verschwunden. Als die 2 Amis dann alleine aus dem Knast wieder raus wollten, glaubten ihnen die Wärter nicht, dass sie Touristen seien und vermuteten einen billigen Trick von Insassen aus San Pedro zu türmen. Es dauerte anschließend einige Anrufe bei der Botschaft und Rechtsanwälten bis die beiden mit einer Strafe von je USD 500 wieder entlassen wurden. Vermutlich kann man das Geld besser investieren als Stunden mit Verbrechern zu verbringen. Weiters erzählte uns Denise noch von der Drogenproduktion in San Pedro (dort wird das reinste Kokain des Landes produziert) und welch originelle Tricks Insassen verwenden um das weiße Gold aus dem Knast zu bekommen, damit es jemand lukrativ für sie verkauft. So konnte unser Guide einmal beobachten, als sie im Park auf den Beginn einer Tour wartete, wie sich im obersten Stockwerk des Gefängnis, das man vom Park aus sehen kann, das Wellblechdach hob, ein Gesicht zum Vorschein kam, etwas in den Park geworfen wurde und das Gesicht wieder verschwand. Eine Babywindel lag auf dem Boden, schnell eilte eine Person herbei, schnappte sich die Windel und rannte davon. Nicht selten kann man scheinbar Zeuge solcher Schmuggel im San Pedro Park werden. Und warum passiert nichts, wenn eigentlich jeder, auch Polizisten, von der Produktion und dem Handel mit Kokain wissen? In Bolivien ist dieses Problem so riesig, dass im Gefängnis die Produktionsmenge zu klein ist, dass es die Polizei überhaupt interessiert. Tja, andere Länder, andere Sitten 😊

    Nach den interessanten Geschichten gehts weiter zum Rodriguez Markt, wo hauptsächlich Cholita Frauen Gemüse und Obst verkaufen.
    Eine Cholita - so werden indigene Frauen (Aymara) in Bolivien bezeichnet, die sich nach einer in den 1920er Jahren aus Europa nach Südamerika importierten Mode mit ursprünglich für Männer entworfenen Hüten kleiden. Die Kleidung der Cholitas besteht aus der pollera (einem Überrock), bis zu 10 Unterröcken, dem Schultertuch und dem typischen Hut. Denise erklärt uns viel über die Traditionen der Cholitas und es ist wirklich spannend, ihren Ausführungen zu lauschen.
    Über den Hut der Aymara Frauen berichtet sie uns, dass diese ihn seitlich tragen, wenn sie unverheiratet sind und noch für die Männerwelt interessant sind, tragen sie den Hut gerade am Kopf, dann sind diese Frauen verheiratet bzw.vergeben. Die Männer sollten besser keine Blicke auf diese Frauen werfen 😊
    Weiters erfahren wir, wie das Schönheitsideal der Cholitas aussieht - dicke Waden zeigen, dass die Frau stark ist, breite Hüften symbolisieren ihre Gebährfreudigkeit (Aymara Frauen haben 10-12 Kinder), die noch durch ihre Kleidung verstärkt wird (viele Röcke tragen auf) und lange Haare, die meist zu Zöpfen geflochten werden und wo unten eine Art Pompons eingeflochten wird. Außerdem ist ein etwas beleibterer Bauch schön für jeden Aymaramann.

    Nach diesem Exkurs gehts weiter zum Mercado de las Brujas - dem Hexenmarkt. Hier kann man alles erstehen, was man Pachamama gerne opfern möchte. Süßigkeiten, Alkohol, Zigaretten und jede Menge Llamaföten. 80% der Bolivianer sind offiziell Katholiken, aber nur noch wenige praktizieren den Glauben. Die meisten dafür glauben an die Rituale für Mutter Erde und jetzt, Anfang August, wird das bis zum Exzess betrieben, denn der August ist der Monat für Pachamama.
    Wie sieht so ein Ritual aus? Je größer der Wunsch, umso größer die Opfergaben (will man zB.ein Haus bauen, muss mindestens ein Llamafötus, der knapp 100 $ kostet, in der Opfergabe sein. Hat man seine Opfergaben gewählt, beauftragt man einen Yatiri, einen Shamanen, der die Opfergaben segnet und anschließend verbrennt. Die daraus entstehende Asche wird in eine Holzbox gegeben und auf dem Grund, auf dem das Haus gebaut wird, vergraben. Somit hat Pachamama ihre Gaben erhalten und soll dadurch Glück und Segen über das Bauvorhaben bringen.

    Es gibt auch Gerüchte, dass bei Großprojekten (zB.Bau eines Hochhauses) Llamaföten als Opfergabe nicht reichen, sondern auch heute noch Menschen geopfert werden. Dazu werden bevorzugt Obdachlose, Drogenabhängige oder Alkoholiker, die weder Familie noch Freunde haben (sie somit keiner vermisst) angelockt, mit diversen Suchtmitteln betäubt und anschließend lebendig unter einer Schicht Beton begraben. Natürlich hat noch nie jemand sowas beobachtet (wäre dann ja Beihilfe zum Mord), aber wie gesagt, Gerüchte kursieren....

    Nach dem Hexenmarkt besuchen wir die San Francisco Kirche, die fassadentechnisch besonders interessant ist, weil sie sowohl spanische Einflüsse aufweist, aber auch indigene, was für die Kolonialzeit sehr ungewöhnlich war. So zb kann man auf der Fassade eine nackte Frau entdecken, die eine Blume gebährt. Sie represäntiert Pachamama.
    Aber warum ließen die Spanier solche Abbilder auf einer römisch katholischen Kirche zu? Sie wollten die indigene Bevölkerung vom Katholizismus überzeugen und ließen die indigene Bevölkerung mit dem Mitspracherecht bei der Fassade in dem Glauben, was zum Katholizismus beitragen zu können. Es scheint funktioniert zu haben!

    Weiter geht es zum nicht weit entfernten Lanza Market. Heute ist dieser Markt ein Indoor Markt. Früher lag er direkt an der Hauptstraße, alles war dreckig und unhygienisch und so wurde beschlossen, den großen Markt in ein Gebäude, das ein wenig wie ein Parkhaus aussieht, zu verlegen. Wir machen hier 15 Minuten Pause, damit sich jeder was zu Essen und Trinken kaufen kann. Ich verweigere allerdings, denn ich habe um 18.00 noch eine Foodtour gebucht, bei der ich bestmöglich hungrig erscheinen soll 😊

    Unser vorletzter Stopp ist beim Hauptplatz La Paz, der Plaza Murillo. Hier ist nicht nur der Palast des Präsidenten, die Kathedrale und die verkehrt verlaufende El tiempo del Sur -Uhr (die südliche Zeit), sondern auch Kilometer 0. Alle Strassen des Landes wurden ab hier weg gemessen.

    Daniel und Denise erzählen uns Geschichten von verschiedensten Präsidenten Boliviens, ihre guten und schlechten Taten, nur über Morales wollen sie nicht in der Öffentlichkeit sprechen, das machen sie später, hinter verschlossenen Türen. Die beiden wissen wirklich sehr viel über die Geschichte Boliviens, Land und Leute zu erzählen und es ist wirklich interessant und kurzweilig ihnen zuzuhören.

    Zum Abschluß gehts noch ins Luna y Sol Restaurant, wo wir einen Drink (Sangli) bekommen und auf die gelungene Tour anstoßen.

    Ich verabschiede mich von Denise und bummle dann langsam zurück zur Plaza San Francisco, denn Daniel wird ab dort in etwa 45 Minuten die Food Tour starten.

    Auf der Plaza ist extrem viel los, morgen starten die Augustfestivitäten und es muss alles aufgebaut und organisiert werden. Es gibt extrem viel zu schauen und kaum hab ich mich versehen ist es 18.00. Ich entdecke Daniel und auch die 3 anderen Teilnehmer der Food Tour (2 Dänen und 1 Amerikanerin) sind schon da.

    Die Food Tour ist ebenfalls super, Daniel weiß viel zu den einzelnen Speisen zu sagen.

    Wir beginnen am Lanza Market, wo wir erstmal Api con pastel (mit Käse) probieren. Jeder bekommt ein ganzes Pastel und einen halben Becher Api, das schon mal ordentlich füllend ist. Dann gehts weiter in den 2.Stock des Marktes, wo jeder ein ganzes Sandwich de Chorizo zu essen bekommt. Die Tour ist erst am Anfang und ich bin jetzt schon ordentlich satt, obwohl ich nicht mal alles aufgegessen habe. Nach diesen nicht gerade kalorienarmen Gerichten spazieren wir weiter zu einem der besten Restaurants der Stadt (Alaya), die ganz traditionelle Speisen, auf den Punkt gekocht, anbieten.
    Zum Verkosten gibt es Chicharron, frittierter Schweinebauch, Fritanga, Schweinefleisch in Sauce und Lechon, eine Art Schweinekotelette. Dazu wird Mote (Riesenmais gekocht) und Chuño, dehydrierte, haltbargemachte Kartoffeln gereicht. Alles schmeckt wirklich hervorragend, mein Favorit ist allerdings Chicherron, das wirklich sehr lecker schmeckt!

    Jetzt bin ich eindeutig schon sehr voll, aber die Tour ist noch lange nicht aus. Wir spazieten weiter zum Sol y Luna, wo wir Pique Macho (ist ein gehäufter Teller, der aus mundgerechten Rindfleischstücken und Pommes-Frites-Kartoffeln besteht. Hinzu kommen Zwiebeln, Locoto, gekochtes Ei, Senf, Mayonnaise und Ketchup) und Sopa de Mani (Erdnusssuppe), zwei sehr typische bolivianische Gerichte, serviert bekommen. Ich kann von beidem nur noch einen Bissen kosten, dann geht nichts mehr. Dazu bekommen wir die bolivianische Variante des Pisco Sour. Ich bin echt schon zum Rollen, aber ein Stopp fehlt noch. Die Nachspeise im Higher Ground Café. Wir bekommen Applecrumble und Quinoabrownie kredenzt. Probieren tu ich noch beides, schmeckt wirklich sehr gut, aber bevor mir schlecht wird, gebe ich auf. Es geht kein Bissen mehr runter.

    Gegen 22.00 verabschieden wir uns. Gemeinsam mit der Amerikanerin gehe ich zur nicht weit entfernten hellblauen Gondellinie und bin gegen 22.30 im Hotel, wo ich todmüde und völlig überfressen 😊 ins Bett falle.

    Es war ein wirklich toller Tag und beide Red Cap Touren waren wirklich empfehlenswert!!
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