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  • Day 32

    Death Road

    August 9, 2019 in Bolivia ⋅ ☁️ 14 °C

    Heute heißt es wieder bald aufstehen, denn es gehts mit dem Bike die Death Road - die Todesstrasse runter.

    „Death Road“, „Camino de la muerto“ oder „Die gefährlichste Straße der Welt“ – die Todesstraße von La Paz trägt viele Namen. Und einer klingt schlimmer als der andere. Doch der Name kommt nicht von ungefähr. Jedes Jahr starben auf der Todesstraße von La Paz 200 Menschen. Die Straße hatte somit das höchste Verhältnis von Toten pro Kilometer Wegstrecke. Und genau deshalb wurde sie 1995 von der Inter-American Development Bank zur weltweit gefährlichsten Straße ernannt. 

    65 Kilometer lang ist die Todesstraße zwischen La Paz und Coroico. Auf dieser Strecke überwindet man satte 3.500 Höhenmeter vom „La Chumbre Pass“ auf 4.000 m bis in den Dschungel der Yungas auf 1.200 m. Fester Straßenbelag und Leitplanken sind hier Fehlanzeige. Dafür machen enge Haarnadelkurven, schroffe Felsenwände, eingespeiste Wasserfälle und bis zu 700 Meter tiefe Schluchten die Straße zu einer Mutprobe. Gepaart mit Regen, Nebel und unvorhersehbaren Erdrutschen verwandelt sich die Verbindungsstraße zwischen La Paz und Coroico zu einer unkalkulierbaren Todeszone.

    Busse, Autos, Mopeds oder gar Lastwagenfahrer passierten die Todesstraße von La Paz täglich und immer wieder kam es zu verheerenden Unfällen. Kein Wunder also, dass der Straßenrand der „Camino de la muerte“ von Kreuzen gesäumt ist.

    Die Todesstraße von La Paz wurde in den 30er Jahren von Kriegsgefangen gebaut und verbindet das Amazonasgebiet im nördlichen Bolivien, die Yungas, mit der bolivianischen Metropole La Paz. Aufgrund der immer wieder eintretenden Unfälle in der Vergangenheit wurde im Jahr 2006 eine deutlich ungefährlichere Umgehungsstraße gebaut. Doch noch immer wird die Todesstraße von La Paz befahren, sowohl von Einheimischen als auch von Touristen.

    1995 stürzten sich die ersten Adrenalin-Junkies die 65 km langen Downhill-Strecke hinab. Man erklärte sie für verrückt. Doch nach und nach fanden immer mehr „gringos locos“ Spaß am Mountainbiken auf der Todesstraße von La Paz und mittlerweile hat sich die „Camino de la muerte“ zu einem lukrativen Touristenmagneten in Bolivien entwickelt. Neben Adrenalin pur bietet die Todesstraße von La Paz jede Menge Downhill Spaß, grandiose Panoramen und einen wundervollen Einblick in die hiesige Dschungellandschaft.

    Auch ich konnte dem Reiz der „Camino de la muerte“ nicht entkommen und wage mich auf eine Mountainbike Tour über die Todesstraße von La Paz . 

    Um 6.45 mache ich mich auf den Weg zum Higher Ground Café, wo um 7.30 Treffpunkt ist. Ich esse noch ein kleines Frühstück, Obstsalat mit Joghurt, um meinen Magen nicht zu sehr zu strapazieren und dann lerne ich auch schon Nate, einen der Guides kennen. Ich muss noch eine Einverständniserklärung unterschreiben und um 7.40 gehts auch schon los zum Bus. Wir fahren erstmal 1 Stunde zum höchsten Punkt der Tour auf 4700m.

    Im Bus erzählt uns Nate erst ein wenig über die bevorstehenden 12 Stunden, dann stellen wir uns gegenseitig vor. Insgesamt 12 Teilnehmer aus Südafrika, Irland, den USA, Frankreich, Österreich und Kanada sind wir auf der heutigen Tour mit 3 Guides.

    Die erste Stunde werden wir auf einer asphaltierten Strasse runterfahren, um uns mit dem Bike vertraut zu machen und richtig bremsen zu lernen, dann erst werden wir die 31 Kilometer lange "alte" Todesstraße erreichen. Für diesen Teil werden wir laut Nate gut 3 Stunden benötigen.

    Der Bus, mit dem wir anreisen, wird uns die gesamte Fahrt über begleiten, sollte man also nicht mehr wollen, kann man jederzeit im Bus fortsetzen. Das ist ja schon mal beruhigend. Ich geb ja zu, ein wenig nervös bin ich schon, aber ich freu mich auch schon sehr auf dieses Abenteuer!

    Nach etwa der Hälfte der Fahrt bekommen wir unsere Sicherheitskleidung. Helm und Handschuhe sind verpflichtend, Hose und Jacke optional. Ich entscheide mich aber für die gesamte Ausrüstung, denn die Überkleidung schützt auch meine Klamotten vor Staub und Schmutz.

    Nach etwa 1 Stunde Fahrt erreichen wir den Parkplatz, wo unsere Downhill-Fahrt beginnt. Da der Parkplatz ja sehr hoch liegt, ist es ziemlich kalt und ich bin froh über die zusätzlichen Kleidungsstücke, die wir bekommen haben. Die Schutzkleidung ist alles andere als hübsch, aber funktional. Nate macht die Sicherheitseinführung, erklärt uns wie man richtig bremst und wir drehen die erste Proberunde auf unserem Bike. Gravity verwendet Bikes aus den USA, die etwa 3000 Dollar kosten und alle 2 Jahre ausgetauscht werden. Auf dem Lenker hängt ein Schild des Mechanikers, der das Bike nach jeder Fahrt kontrolliert. Das ist ja alles schon mal beruhigend.

    Nach den Proberunden mit den Mountainbikes und dem absolut notwendigen Test der Bremsen, gilt es „Pachamama“ zu ehren – ein typisches Ritual der Bolivianer. „Pachamama“ ist Mutter Erde, ihr verdanken die Bolivianer ihr wunderschönes Land und die einzigartige Natur. Eine Flasche 96% Schnaps dreht unter allen Teilnehmer die Runde. Ein paar kurze Dankesworte mit bedächtigem Blick und Salut an „Pachamama“, ein Schlückchen auf den Boden, einer auf den Vorderreifen und ein Schluck in den Mund – wobei ich auf letzteres liebend gern verzichtet hätte.

    Dann gehts endlich los! Der erste Streckenabschnitt der Todesstraße von La Paz führt uns über eine kurvige Asphaltstraße. Trotz eiskaltem Gegenwind sausen wir die Serpentinen hinunter. Zwar gibt es auf diesem Streckenabschnitt keine technischen Schwierigkeiten, doch der rege Verkehr durch LKWs und PKWs fordert Aufmerksamkeit. Aber wir machen viele (Foto)Stopps und Nate weist immer wieder auf mögliche Gefahren hin und was zu beachten sei. Ich fühle mich bei unseren 3 Guides wirklich gut aufgehoben und finde super, dass jeder in seinem eigenen Tempo fahren kann. So fühlt man sich keineswegs gestresst und hat nicht das Gefühl, ständig hetzen zu müssen um aufholen zu können.

    Während viele der LKWs und Busse bald schon auf die neue Umfahrungsstraße abbiegen, bahnen wir uns unseren Weg zur alten Todesstraße von La Paz. Nach knapp 1 Stunde Fahrt erreichen wir das gelbe "Welcome Death Road" Schild. Es gibt weitere Sicherheitseinweisungen und ein Gruppenfoto vor dem Schild. Dann sind wir bereit für die gefährlichste Straße der Welt.

    Ab hier wird es dann tatsächlich etwas anspruchsvoller! Die Straße besteht aus Schotter und losen Steine, so groß wie der Kopf eines Kindes. Links neben der Straße geht es bis zu 700 m steil hinab in eine Schlucht, selbstverständlich ohne Sicherheitsbegrenzung. Eine weitere Herausforderung stellt der Gegenverkehr dar. Hinter jeder Kurve könnte ein Auto oder Bus auf uns zukommen, dementsprechend bedächtig fahren wir die ersten scharfen Kurven. Natürlich ist man klar im Vorteil, wenn man zuvor schon mal auf einem Mountainbike gesessen hat, aber letztlich hält sich die technische Herausforderung in Grenzen und mit der entsprechenden Aufmerksamkeit und Vorsicht kann wirklich jeder die Todesstraße von La Paz bewältigen.

    In regelmäßigen Abständen machen wir eine Pause. Die Guides erklären uns die nächsten schwierigen Schlüsselstellen und weisen auf potentielle Gefahren hin, so dass auch wirklich nichts passieren kann. Natürlich kommen sie nicht drum herum, uns regelmäßig auf die zahlreichen Kreuze der hier verstorbenen Menschen aufmerksam zu machen und uns die Geschichte dazu zu erzählen. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass mein Gedanken-Karussell dabei nicht in Bewegung kommt.

    Etwa dreieinhalb Stunden dauert die Abfahrt vom „La Chumbre Pass“ bis nach Coroico. Unterwegs bekommen wir nicht nur eine Extraportion Adrenalin, sondern auch fantastische Panoramablicke auf den hiesigen Dschungel mit den eingespeisten Flüssen und Coca-Felder. Wir durchqueren einen 100 Meter tiefen Wasserfall mit stetigem Blick in die tiefe Schlucht. Das absolute Highlight auf der Tour ist sicherlich ein Aussichtspunkt auf halber Strecke, der quasi zum Sinnbild und beliebtesten Fotomotiv der Todesstraße von La Paz geworden ist.

    Die Herausforderung beim Mountainbiken auf der Todesstraße von La Paz liegt  nicht im technischen Anspruch, sondern vorrangig in der Beschaffenheit der Straße, denn der grobe Schotter ist tückisch und kann einen schnell zu Boden werfen. Auch beim falschen Einsatz der Bremsen fliegt man im hohen Bogen über den Lenker. Das alles sind aber Faktoren, die mit etwas Vorsicht von jedermann bewältigt werden können.

    Leider gibt es immer Teilnehmer, die ihre Grenzen nicht kennen und übermütig werden. Ich jedoch habe viel zu viel Respekt vor der Straße, sodass ich mein Tempo immer anpasse. Vom vielen Bremsen tun einem die Finger bzw.Arme und Hände zwar irgendwann ziemlich weh und ich befürchte morgen einen heftigen Muskelkater zu haben, aber Adrenalinjunkie war ich noch nie und so kann ich auch die tollen Ausblicke ein wenig genießen. Letztlich ist das eigene Ego beim Mountainbiken auf der Todesstraße das größte Sicherheitsrisiko. Einer Teilnehmerin unserer Gruppe wird  genau das zum Verhängnis. Auf halber Strecke übersieht sie einen Stein, ihr Rad kommt ins Schleudern und sie geht über den Lenker. Zum Glück landet sie auf dem Boden und nicht in der nur 2 Meter entfernten Schlucht. Sie bleibt unverletzt!!!

    Auf den letzten Metern merkt man auch den Temperaturunterschied deutlich. Waren wir alle anfangs dick eingepackt, fahren wir die letzten Kilometer kurzärmlig die Todesstrasse runter.

    In Coroico angekommen, sind wir alle müde, aber happy unverletzt die Todesstraße bewältigt zu haben. Wir lassen unsere Mountainbike Tour über die Todesstraße von La Paz in einer "Animal Rescue" Lodge im Dschungel mit sehr netten Gesprächen und einem Mittagsbuffet ausklingen.

    Das Mountainbiken auf der Todesstraße von La Paz war ein Abenteuer, vielleicht auch eine Dummheit oder ein unnötiges Wagnis. Fakt ist: Wer seine Grenzen und Fähigkeiten kennt und aufmerksam bleibt, der kann die Todesstraße von La Paz ohne Furcht und Gefahr bezwingen. Es lohnt sich, allein schon wegen der wundervollen Panoramen und dem Fahrspaß!

    Gegen 15.30 treten wir den Rückweg nach La Paz an. 3,5 Stunden gehts über die kurvige Umfahrungsstraße zurück in den Regierungssitz Boliviens. Die Stimmung bei der Rückfahrt ist berauschend, so berauschend, dass Travor aus Kanada sich völlig mit Cola Rum betrinkt und kurz vor La Paz einen Komplettausfall hat. Der arme Kerl wird das morgen bitter bereuen 😊.

    Als ich gegen 20.00 ins Hotel zurückkomme, treffe ich noch auf Kai aus Deutschland (seine Frau und sein Kind sind bereits wieder in Deutschland angekommen), der beschlossen hat, im Loki Boutique nochmal Abendzuessen. Ich leiste ihm noch etwas Gesellschaft, esse selbst noch eine Kleinigkeit zu Abend und gehe gegen 21.00 in mein Zimmer. Ich bin todmüde (die Todesstraße erforderte viel Konzentration und es war auch körperlich anstrengend, ständig zu bremsen und durchgerüttelt zu werden),muss noch packen und Haarewaschen und freue mich einfach nur auf mein Bett!

    Unglaublich, aber wahr, dies war schon mein allerletzter Tag in Bolivien. 4,5 Wochen sind wahnsinnig schnell in diesem wunderbaren Land vergangen! Morgen gehts dann weiter nach Peru!!
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