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  • Day 342

    Yogyakarta - inmitten von Kunst und Kult

    July 10, 2022 in Indonesia ⋅ ⛅ 31 °C

    Ganesha – der Gott der Weisheit, Wissenschaft und Intelligenz – trifft in dieser Stadt auf den Gott Abrahams – den Gott des bedingungslosen Glaubens - und dazwischen erblüht die Kunst.

    Insgesamt bleibe ich 5 Tage in Yogya, gut aufgehoben im allseits grünen Snooze-Hostel, wo mir Trisch, Sarah und alle anderen mit Rat und Tat beiseite stehen, und verhindern, dass ich mich ganz und gar in der Einsamkeit einer Reisenden verliere. Abends bleibe ich nämlich fast ausnahmslos auf meinem Zimmer, bestelle Essen über einen Lieferservice, mittlerweile meist Italienisch, denn mir ist gar nicht mehr nach Fremden, nach Dorm, nach oberflächlicher Konversation, nach Nasi Goreng, überhaupt Nasi (Reis) oder Irgendwas mit Ayam (Huhn).

    Mein erster Versuch, das hochgelobte Kunstzentrum zu besuchen, endete mit einer ermüdenden Rundtour durch die Stadt auf der Suche nach einer Bank, die mir mein selbst transferiertes Geld bar auszahlen konnte. Denn vielleicht erinnert ihr euch an Problem 7/8: Kreditkarte 1 im Automaten vergessen, Backup-Karte ermöglichst keine Barabhebung. Drei der eingetragenen Western Union Bankfilialen erweisen sich zudem als nicht existent, erst die 4. Bank gibt es und ich erreiche sie 3 Minuten vor Schließung und dem höchsten Feiertag... Ich versuchte alles mit Ruhe anzugehen, denn meine Reise hat mir gelehrt, dass es viele Wege gibt, ein Problem zu lösen. Also keine Panik! Dennoch: Es kostet mich letztlich insgesamt mindestens 4 Anrufe bei der Notfallhotline der DKB und weitere 4h, um danach eine hilfreiche Lösung zu finden (Gesprächsauszug mit Bankangestellten: „Sie können mir nur die Ersatzkarte schicken, wenn ich das Hilton Hotel in Kuala Lumpur als meine Heimatadresse angebe? Und das dauert dann 2 Wochen und kostet 50 Euro? Und was mache ich bis dahin? Wollen Sie mir damit sagen, dass sie für meinen Notfall bei der Notfallhotline keine Lösung haben? - Schlichte Antwort: „Ja.“).

    Nach meinem Geldbeschaffungsausflug lande ich in einer Batik-Galerie. Sicherlich ein Fehler, dort mit dem frisch erworbenen Bargeld etwas zu kaufen. Aber, was soll ich sagen? Manche Fehler macht man einfach gerne. Ich sitze eine ganze Weile mit dem Verkäufer, schaue die Bilder an und trinke Tee mit ihm. Dann bin ich mir sicher. So handle ich zwei Bilder um die Hälfte herunter und bezahle sicherlich immer noch zu viel. Das Andenken jedoch – Motive aus Java – unbezahlbar. Zudem bekomme ich erklärt und gezeigt, wie die Batik-Kunst hier angefertigt wird und bin schwer beeindruckt, vor allem, wenn ich da an meine Batik-Kunstwerke aus meiner Kindheit zurückdenke. ;-)

    Am letzten Tag geht es noch einmal mit Rikscha durch die Stadt, vorbei am Sultanspalast, zu einer Wayang-Werkstatt, in der die traditionellen Schattenspielfiguren von Göttern aus Rindsleder hergestellt werden. Ich bleibe an einer Figur von Ganesha hängen, dem Gott in Elefantengestalt, und frage nach der Bedeutung des Pfeiles. „Ganesha verkörpert Weisheit und Intelligenz und diese sind die stärksten Waffen des Menschen, sie treffen wie ein Pfeil!“, meint der Künstler, der mir plötzlich viel mehr wie ein Guru erscheint als ein Maler. So verlasse ich später die Werkstatt nicht nur beeindruckt durch die Kunst, sondern mehr noch von der dahinterstehenden Weltsicht.

    Am Taman Sari, dem Wasscherschloss angekommen, das eine kleine Oase inmitten der Stadt bildet, denke ich immer noch über einige Erläuterungen des Künstlers über die Menschen nach, die die Kraft der Gedanken benötigen, um die Gefühle und ihre Natur im Gleichgewicht zu halten.

    Die Stadt ist ruhig und wenig besucht, ich merke nur wenig von der angeblichen Hektik Yogyas, als ich auf dem Rückweg durch die Straßen schlendere. Eine Gruppe von Männern erregt meine Aufmerksamkeit, sie schlagen mit Messern und Ästen auf verschiedene Dinge ein, die Straße ist von Blut getränkt. „Natürlich“, schießt es mir durch den Kopf, „denn gestern und heute ist der höchste Feiertag der Muslime! Opferfest!" Meine Neugier siegt, ich nähere ich mich der Schlachtstelle und frage, ob ich zusehen darf. Die Männer freuen sich über die Aufmerksamkeit und machen mich zur Zeugin ihres Ritus. Ich sehe also, wie eine Zunge aus dem Kuhschädel herausgetrennt wird. Überall liegen Innereien, Tierköpfe, Beine, Hufen, diverse Körperteile verteilt. So etwas habe ich in meinen Leben wahrhaftig noch nie gesehen! Zu meiner großen, wirklich allergrößten Verwunderung betrachte ich alles ohne Ekel, eher aus wissenschaftlichen Interesse, auch gehen die Brüder ganz gelassen vor. Nur als der Mann hinter mir mit einer kleinen Axt auf den Kuhschädel einschlägt, in dem noch die Augen stecken, wende ich mich ab. Die Söhne Ibrahims bei der Arbeit!

    Wen es interessiert: Muslime feiern mit diesem höchsten Fest des Jahres den unabdingbaren Glauben Ibrahims (=Abrahams), den Alahs Stimme aufgefordert hatte, seinen Sohn Ismael (z. T. Isaak) zu opfern. Er wollte tatsächlich folgeleisten, als es dann aber doch hieß, es sei nur eine Glaubensprüfung gewesen. Er solle anstatt des Sohnes einen Widder schächten. Diese alttestamentarische Begebenheit verbindet die drei monotheistischen Weltreligionen genauso wie es sie trennt. Nach wie vor aber bildet dies Ereignis einen Pfeiler des Glaubens für Juden, Christen und Muslime, wobei jedoch nur letztere dies rituell durchführen.

    Am Ende des Tages frage ich mich auf jeden Fall, was genau passieren muss, damit wir den Pfeil unserer Weisheit gegen Äxte und Messer unseres Glaubens eintauschen...
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