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  • Day 349

    Bonjour, Québec [ɡəˈbɛk]

    August 10, 2019 in Canada ⋅ ⛅ 18 °C

    Der erste Morgen in Québec und wir stellen fest: Der französische Teil Kanadas riecht lecker. Nach Baguette und Bacon. Selbst auf dem Walmartparkplatz. 

    Das stimmt uns schon mal auf den europäischen Flair Montréals ein. Den merkt man hier vor allem an zwei Dingen: In der Käseabteilung gibt es mehr Auswahl. Und die Menschen lächeln weniger. 

    Aber die Stadt hat noch ein bisschen mehr zu bieten, als Milchprodukte und Miesepeter. Beispielsweise Notre Dame, Montréals Vorzeigekapelle. Vom Eintrittsobolus und der langen Schlange demotiviert haben wir uns dann allerdings nur bei Google angeschaut, wie die Kirche von Innen aussieht. Kulturrüpel des 21. Jahrhunderts.

    Montréal versteckt in seinen lebhaften Straßen allerdings unzählig viele Kirchen. Was es nicht schwer macht, eine andere, weniger überlaufene zu finden und den Großstadttrubel für ein paar Minuten zu entschleunigen. Es ist erstaunlich, wie man in einer Kirche zur Ruhe kommt. Gläubig oder nicht. Alle schleichen andächtig durch die Reihen, niemand traut sich, sein Handy in die Hand zu nehmen und sich wild durch das Internet zu wischen. Keine Musik, keine penetranten Lichter. Nichts. Nur vertraute Bilder an Wänden und Decke und schummriges Kerzenlicht. 
    Aber irgendwann ist es auch genug, Jesus beim Sterben zuzusehen und wir sind weiter geschlendert. 

    Nicht nur der Flair der ruhigeren Seitengassen wirkt sehr französisch schick. Auch die Menschen hier sind alle unheimlich hip. Ein beachtlicher Teil von ihnen lässt sich im als Café umfunktionierten Foyer von Montréals ältestem Hochhaus finden, dem Tour de la Banque Royale. Getarnt als Studierende sitzen sie hier an ihren Macbooks unter exzentrischen Kronleuchtern, schlürfen an überteuerten Chai-Lattes und unterhalten sich über Balzac. Oder Spa-Coupons. Wer weiß das schon. Auf Französisch klingt alles schön und poetisch. 
    Obwohl hier auch alle fließend Englisch sprechen. In keiner kanadischen Stadt, in der wir waren, wurde die Bilingualität so gelebt, wie hier. Man sagt "Hallo" auf Englisch und verabschiedet sich auf Französisch. Egal, mit wem man hier ins Gespräch kommt, jeder hat sich unserer mickrigen Französisch-Kenntnisse erbarmt und konnte die Konversation auf Englisch retten. 

    Wie die Sprache ist auch die Stadt ein verrückter Mix. Während Vieux-Montréal uns noch hier und da mit französischem Stil überrascht, wirkt im Zentrum alles schon wieder typisch amerikanisch. Und auch der Blick vom Mont Royal, dem Haushügel der Stadt, bestätigt das Bild noch mal. Man wundert sich nur über all das Grün, das sich in der Stadt verteilt, man aber erst von oben wahrnimmt. 

    Das schönste Fleckchen in Montréal ist für uns der Jean-Talon Markt in Little Italy. Hier schnuppert man sich am besten von Stand zu Stand. Von Knoblauch und Zwiebel, über Lavendel zu Kaffee, Basilikum und Camembert bis zum Fischstand. Hier haben wir auch das erste Mal Hummer gegessen. Eine ziemlich brutale Angelegenheit. Vom Moment, in dem der Hummer in einem trüben Becken mit zusammengebundenen Scheren vor sich hin siecht, bis zu der Minute, in der er zerteilt auf unserer Assiette lag und wir ihm die Beine abgerissen haben, um die karge Füllung raus zu pulen. Das Meiste befindet sich tatsächlich in den Scheren, der Rest besteht aus viel suspekter Konsistenz, die wie Muscheln und kaltes Hühnchen schmeckt. Vielleicht bleiben doch lieber beim Fisch. 

    Satt von Essen und Stadt haben wir den letzten Stopp unseres Metropolmarathons gut verdaut und freuen uns jetzt wieder auf Wanderungen über Erde statt Asphalt.
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