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  • Dorfleben und Fahrt in den Norden

    November 26, 2020 in Sudan ⋅ ☀️ 24 °C

    Ich habe gut geschlafen in meinem großzügigen Raum im nubischen Gästehaus. Nach einem ausführlichen Frühstück verabschieden wir uns von unserem freundlichen Gastgeber. Wir sitzen alle noch zusammen in der Morgensonne - Brita, Jane, Khalid, der Besitzer des Gästehauses und ich. Natürlich möchten wir gerne noch das Alter unseres Gastgebers wissen, was bislang ein Geheimnis ist. Khalid malt die Zahlen auf Sand - er ist 76. Ohne Zähne sieht er tatsächlich älter aus - zumal Brita ja sogar ein Jahr älter ist. Wir haben jedenfalls Spaß zusammen! Bei der Gelegenheit erklärt Khalid auch das Entstehen der arabischen Ziffern. Die Zeichen entsprechen der Anzahl der Winkel. Wow, das wusste ich nicht, habe wieder was gelernt!

    Nach dem morgendlichen Spaziergang zum Tempel (s. separater Footprint) fahren wir weiter Richtung Norden. Ganz in der Nähe ist das Dorf Soleb, in dem wir erstmal von zwei Jungen auf ihren Eseln begrüßt werden. Esel gehören hier als fester Bestandteil in das Alltagsleben als Last- und Reittier. Dann laufen wir durch die « Hauptstraße », zunächst sehen wir niemanden sonst, alles ist ruhig. Wir erkennen die nubische Bauweise wieder - braune Lehmhäuser, mit vielen dekorativen Elementen (z.B. dreieckige Aussparungen im Mauerwerk, bunte Fenster und Türen). Viele Häuser stehen zum Schutz auf einem gemauerten Sockel.

    Dann kommen von überall her Kinder angelaufen. Ich kann sie nicht mehr zählen! Wir Weißen sind eben eine große Attraktion und haben ja evtl. auch was zu Verschenken 😉. Wir erfahren, dass hier wegen Corona die Schulen geschlossen sind. Ich habe Bunt- und Filzstifte aus Deutschland mitgebracht, die wollte ich ursprünglich einer Schule überreichen. Jetzt erscheint der Moment richtig, sie einzeln an die Kinder zu verschenken. Es gibt ein großes „Hallo“, hier heißt es achtgeben, dass sich nicht einzelne Kinder mehrere Stifte erobern, haha😉. Ich habe viel Spaß dabei, es ist eine Freude zu sehen, wie sehr sich die Kinder freuen! Das ist wie überall auf der Welt, viele drängen sich, der Erste zu sein, manche sind schüchterner.

    Vor einer Hauswand sitzen mehrere Erwachsene in der tiefen Hocke und unterhalten sich. Khalid fragt mich, ob ich mich nicht dazu setzen möchte. Ja, gute Idee! So entsteht ein schönes Foto mit uns allen. Ich finde es schön, mich auf die Gewohnheiten der Menschen hier einzulassen.

    Dann fahren wir aus dem Dorf raus Richtung Nil. Die beiden Jungs auf ihren Eseln reiten hinter uns her. In den Felsen oberhalb des Nils gibt es weitere Inschriften und Felsgravuren. Der ägyptische Pharao Tutmosis III. ist hier abgebildet. Nebenan grasen bzw. knabbern friedlich vereint zwei Kamele und viele Schafe. Die sudanesischen Schafe sind manchmal nur schwer von den Ziegen zu unterscheiden, da sie anders als bei uns nicht so einen dicken Pelz tragen (dafür wäre es hier viel zu heiß!).

    Die Kinder haben eine große Gaudi, von einer Sanddüne herunterzurutschen. Sie klettern auf der rückwärtigen Seite den Felsen hoch und rutschen dann die relativ hohe Sanddüne hinunter.

    Dann verabschieden wir uns von den Kindern und fahren auf der Asphaltstraße weiter nach Norden. Bei der Ausgrabungsstätte Amara West machen wir Mittagspause. Der einzige Schatten weit und breit ist der des kleinen Museums. Dort baut unsere Crew den Mittagstisch auf. Ich finde es klasse, an welch unterschiedlichen und immer wieder neuen Orten wir Mittag essen! Der Ort heute ist zwar nicht besonders idyllisch, jedoch aufgrund der Abgeschiedenheit und Abwesenheit anderer Menschen und der ab und zu vorbeifahrenden LKW’s in Richtung Ägypten irgendwie auch was Besonderes. Die Asphaltstraße führt hier mitten durch Wüstengebiet, hier ist nichts los, ich fühle mich trotz der Straße fernab von der „Zivilisation“. Die ganze Situation mit unserem „mobile lunch“ mittendrin wirkt irgendwie irreal, wie in einem Film.

    Auch die Ausgrabungsstätte macht einen verlassenen Eindruck, keine Archäologen, auch das Museum hat zu wegen der Corona-Situation und ausbleibender Touristen. Für uns alleine schließt natürlich niemand das Museum auf. Wir erfahren bei dieser Gelegenheit von Khalid, dass es nur wenige umfassend ausgebildete sudanesische Archäologen gibt, da sich damit kein Geld verdienen läßt. Daher kommen die Archäologen hier meist aus dem (europäischen) Ausland. Amara (West) war eine ägyptische Kolonialstadt, davon sind nur noch ein paar Mauerreste und viele Tonscherben übrig. Die ganze Anlage macht auf mich einen eher trostlosen Eindruck.

    Dann fahren wir wieder „offroad“ in die Wüste. Die Fahrt ist recht abenteuerlich zwischen Felsen und weichem Sand. Ich finds toll! Hier heißt es Slalom fahren und tiefe Spurrillen vermeiden. Immer wieder schaltet Samir seinen Allradantrieb ein. Er ist ein sehr geschickter Fahrer. Wir haben inzwischen erfahren, dass Amir und Samir zu den besten Fahrern gehören. Normalerweise bleiben wohl auf den Wüstentouren regelmäßig Autos im Sand stecken.

    Unser heutiger Campsite befindet sich hinter Dünen in der Nähe des Nils. Wieder mal wunderschön gelegen zwischen großen Granitfelsen und Sanddünen! Als ich auf eine Erhebung steige, kann ich den Nil sehen! Aus der Ferne erklingt die blecherne Stimme des Muezzin - Aufruf zum Gebet.

    Heute abend lachen wir viel. Khalid hat auf dieser Reise viele Jobs, z.B. auch Reißverschlussreparatur, haha! Der Sand setzt den Reißverschlüssen am Zelt ziemlich zu. Wir unken, dass Khalid jetzt wohl die ganze Nacht im Einsatz sein wird, um die Reißverschlüsse zu öffnen und zu schließen, wenn eine von uns raus muss. 😂
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