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  • Day 363

    Glampingplatz und Golfhotel

    October 7, 2023 in China ⋅ ⛅ 22 °C

    Auf einer Reise lässt sich vieles nicht vorhersagen. Umso mehr freuen wir uns über viele schöne Geschichten und Begegnungen am Wegesrand. In dieser Woche kam wieder einiges in unserem Sammelalbum hinzu:

    Auf dem Weg aus der Stadt Xinduqiao nähert sich der Tag langsam seinem Ende. Als wir kurz am Straßenrand halten, um zu überlegen, wo wir übernachten, hält ein junger Mann neben uns an. Er besitzt einen Campingplatz und lädt uns spontan ein, die Nacht dort zu verbringen.

    Zhashi, 24, führt uns über den hipp eingerichteten und seht detailreich gestalteten Campingplatz, auf dem es u.a. ein Outdoor-Kino und einen Kayak-See gibt. Wir dekorieren unser Zelt entsprechend mit einer ausgeliehen Lichterkette (#glamping), nehmen an einem Crashkurs für tibetische Kreistänze teil und können uns dann an der Zapfanlage der Bierhütte bedienen.

    Abends essen wir tibetische Nudeln und trinken Buttertee im vom Feuer beheizten Yakzelt-Café und erfahren dabei mehr über Zhashi: Er ist Tibeter und wünscht sich sehnlichst, die Welt bereisen zu können. Zwar hat er den Antrag für einen Reisepass schon gestellt, doch die chinesische Regierung kontrolliert genau, wer hier einen solchen bekommt. Neben einem tadellosen Führungszeugnis braucht er dafür auch eine offizielle Empfehlung eines möglichst hochrangigen Staatsbeamten. Die Chancen liegen bei etwa 20% und er hofft, bis zu seinem 30. Geburtstag, also innerhalb der nächsten 6 Jahre, Glück zu haben und sich dann seinen Traum erfüllen zu können. Wir wünschen ihm sehr, dass er Erfolg hat. Hierfür drucken wir am Ende gemeinsam ein paar Gebetsfahnen, denn Zhashi ist nicht nur Campingplatzbetreiber, sondern auch ausgebildeter buddhistischer Thangka-Künstler.

    Am nächsten Tag brechen wir erst am Nachmittag auf. Es geht heute nur zu einem Tunnel, der uns durch den letzten Bergrücken der Etappe bringen soll. Dort angekommen schauen wir allerdings in die Röhre, denn wir sehen keine Röhre - der Tunnel ist aktuell gesperrt und der gesamte Verkehr wird über die Passstraße geleitet. Während wir an dem langen Autostau vorbei noch einmal in die tibetische Höhen aufsteigen, rekrutieren wir einige spontane Fans, die uns aus den Autos zujubeln oder etwas zu trinken schenken. Den langen Berg fahren wir sehr langsam hinauf - dennoch sind wir früher am Pass, als die Autos, die unten gleichzeitig mit uns im Stau angekommen sind. Bis wir oben auf dem Pass angekommen sind, ist es schon dunkel geworden und so zelten wir in 4300 Metern Höhe neben dem Touristenzentrum. Zum Sonnenaufgang laufen wir auf einen nahen Aussichtspunkt, wo die Gebetsfahnen im Wind wehen und wir die vielen Berggipfel inklusive des verschneiten Massivs des siebeneinhalb Tausend Meter hohen Berges Gongga in den ersten Sonnenstrahlen des Tages aufleuchten sehen.

    Die Abfahrt führt uns dann durch die Wolkendecke hindurch in dichten Nebel - mit diesem stimmungsvollen Wechsel lassen wir die Region der Yaks, Gebetsräder und des Buttertees wieder hinter uns und kehren langsam nach China zurück.

    Auch das Wetter ändert sich, so dass wir in den nächsten Tagen im Nieselregen fahren. Um uns zu motivieren, buchen wir mittags das günstigste Hotel im übernächsten Ort Pujian, bei dem wir nach Einbruch der Dunkeln tropfnass ankommen. Die freundliche Besitzerin schüttelt nur wild den Kopf und weist uns umständlich darauf hin, dass ihr Hotel keine Ausländer aufnehmen dürfe. Wie immer erklären wir ihr, dass diese Regel nur ein weitverbreitetes Gerücht ist und wir in jedem Hotel übernachten können, wenn wir uns nur bei der Polizei registrieren. 20 Minuten später stehen zwei junge Polizisten in der Hotellobby und versuchen uns ebenfalls von der Existenz dieser vermeintlichen Regel zu überzeugen. Glücklicherweise bleiben alle nett und kooperativ und die Polizisten wollen trotz ihrer Unwissenheit nur unser Bestes. Weitere 20 Minuten und einige Telefonate später, bieten sie uns an, dass wir im nahen Golfhotel schlafen können - zu dem Preis, den wir auch für das günstige Hotel bezahlt hätten. Dafür steigen wir dann doch gerne nochmal aufs Rad und rollen 15 Minuten später die lange Kies-Einfahrt der burgähnlichen, der Toskana nachempfundenen Anlage hinauf. An der eleganten Rezeption in der opulenten Rezeption bezahlen wir nun also acht Euro für die Nacht. Der Portier fährt uns von der Lobby mit einem Golfcart ins nahe Gästehaus, in dem wir gänzlich alleine sind, unser luxuriöses Zimmer beziehen und in den Dornröschenschlaf fallen.
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