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  • Day 2

    Von Klanxbüll nach Süderlügum

    March 2, 2023 in Germany ⋅ ☀️ -2 °C

    Ich wache auch ohne Wecker recht früh auf. Gestern Abend habe ich noch überlegt, ob ich den von allen empfohlenen Übernachtungsspot hinter Süderlügum einfach an der Seite liegen lasse, schließlich sind doch 23 Kilometer nach 40 Kilometern das Gegenteil von einer Herausforderung. Im warmen Bett hat sich über Nacht die Gewissheit herausgebildet, dass 23 Kilometer zwar einen Trödeltag bedeuten, aber kein Nero und schon gar kein Zero sind. Also: trödeln ist angesagt. Ich drehe mich im Bett um und döse noch ein bisschen.

    Dann mache ich Tee und Frühstück, esse ganz gemütlich und lese bei den Pinguinen. So lange, dass ich den schönen Sonnenaufgang durch das Fenster beobachten kann. Ich packe ganz langsam und gehe kurz nach acht los. Mache noch ein Foto von der Morgensonne und gehe das kleine Stück zurück zum Bahnhof. Will ja alle Wanderzeichen checken. Und was soll ich sagen, alleine in Klanxbüll gibt es mindestens fünf noch recht frische NST-Zeichen. Und eins doch tatsächlich im Duo mit einem Kleber vom Küstenweg von PuraVida und BonnGiorno. Die Pinguine sind überall, auch im hohen Norden 🙂

    Weiter geht's nach Rodenäs. Da sitzt ein riesiger Schwarm von Kanadagänsen auf dem Feld. Sie sonnen sich, gackern und picken im Feld. Ich will warten bis sie durchstarten. Schließlich ist ja Trödeltag. Tun aber nichts dergleichen. Immer wieder starten ein paar, was den Rest überhaupt nicht beeindruckt. Also landen sie wieder. Nach einer Viertelstunde gehe ich weiter.

    Ich komme nach Rodenäs Kirche, das so heißt, weil es dort eine schicke Backsteinkirche gibt, die ihren Glockenturm verloren hat. Der steht daneben. Die Kirche ist offen und innen überraschend schön. Fein geschnitzter Altar und Kanzel, auf die man sogar steigen kann. Das mache ich und halte eine kurze Andacht für imaginäre Zuhörer.

    Draußen schaue ich noch in die Wunderkiste, wo die Leute Zeug reinstellen können für andere zum Weitergebrauch. Gute Idee, aber an der Tür hängt leider ein Zettel, der ankündigt, dass das Projekt beim nächsten Reinstellen von Müllsäcken beendet wird. Wäre schade, denn es finden sich sogar zwei Bücher von Jules Verne, die ich als Kind gerne gelesen habe. Ich lasse sie stehen.

    Nun geht's direkt an der Grenze zu Dänemark von Rodenäs nach Rosenkranz. Am Ortseingang sehe ich das Haus von Maike aus dem Footprint der Wandermaus, den ich heute früh gelesen habe. Ich gehe ein bisschen nach Dänemark hinein, finde dabei den Grenzstein, auf dem die Maus gestanden hat. Eines der ersten Häuser in Richtung Rudböl ist eine Kate, in der mal der Emil Nolde bei einer Witwe mit ein paar Kindern gewohnt hat. Das kann ich lesen dank Texterkennung inklusive Übersetzung auf meinem smarten Telephon. Da steht auch eine interessante Geschichte über das Steuerparadies Rudböl, aber ich will hier nicht alles verraten. Also selber hinlaufen und schauen.

    Ein Stück weiter ist das Emil Nolde-Haus in Seebüll ausgeschildert. Ich habe in Vorbereitung des Trödeltages schon die Öffnungszeiten gecheckt. Offen ab 1. März, also gehe ich den Umweg. Lohnt sich. Ist gerade drei Jahre lang renoviert worden und jetzt wieder inklusive einer stattlichen Auswahl seiner Werke zu sehen. Emil mag ja menschlich ein ziemlicher Ar* gewesen sein, der mit seinen Brücke-Kumpel Max erst gemeinsam nackte Frauen gemalt hat, ihn dann als entartet angeschwärzt hat, dann, Ironie des Schicksals, selbst in die Schublade geriet und trotzdem weiter jahrelang um die Gunst der Nazis gebettelt hat. Aber die Bilder sind wunderbar, das Haus schön und der Garten sicher auch, wenn denn erstmal alles blüht.
    Ich esse noch ein Süppchen und trinke einen Kaffee, lasse mir die Sonne auf den Bauch scheinen und gehe nach fast zwei Stunden zurück auf den Trail.

    Es geht weiter nach Aventoft. Dazu gibt es ein kleines Such- und Ratespiel. Finde ein Foto, dass die typische Trailbeschaffenheit heute zeigt. Das ist das Suchspiel. Nun das Ratespiel: Auf der abgebildeten Strecke Trail, wie viele NST-Wegzeichenkleber gab es vor und wie viele nach meiner Passage? Kleiner Tipp: der Weg ist besser beschildert als mancher Premiumwanderweg und es ist schwer, aber nicht unmöglich, noch neue Kleber anzubringen.

    Aventoft begrüßt mich wieder mit einer Kirche. Diesmal zu, dafür mit Glockenturm wo er hingehört. Und einer wunderschönen Schneeglöckchen- und Märzenbecherwiese drumherum. Und mehrere Sonnenbänke, wo ich wieder ein wenig Zeit vertrödele und meinen Rucksack ein paar Kalorien leichter mache. Die Füße lüfte ich auch gleich.

    Weiter geht's zum Aventofter Wald. Ja, der erste Wald und der erste Waldweg. Aber dann geht's nach Wimmersbüll wieder an der Straße lang. Und die ist gut befahren. Nicht gut, die vielen Schwäne auf beiden Seiten anzuschauen, muß auf die Autos aufpassen.

    Am Ortseingang von Wimmersbüll dann ein wenig vergleichende Landeskunde. Ich lerne, dass die Gartenkunst der dänischen und der deutschen Landsleute sich nach der Grenzlegung 1920 in verschiedene Richtungen entwickelt hat: Der Däne hat gern Einfachheit und Struktur, der Deutsche eher Romantik und Wildheit. Rechts und links der Straße finde ich gleich Beispiele: links ein etwas verwilderter Garten mit einem bunten Meer an Frühblühern, rechts ein Rasen vom Typ Golf mit zwei wohlgezähmten Bäumchen. Ich mag beides, und auch den Kaffee, den ich beim Edeka in Süderlügum trinke.

    Dann muss ich mich doch noch ein wenig sputen. Als ich die Süderlügumer Binnendünen durchquere vollzieht die Sonne ihren Untergang. Durch Wald und ein Stück an der Straße komme ich in der Dämmerung am Übernachtungsplatz Wildes Schleswig-Holstein an, den ich wie beschrieben vorfinde, inklusive Shelter und Sitzgruppe. Ich richte mein Hotel her, mache den Footprint fertig, dann werde ich mich der Kälte wegen in den Schlafsack verkriechen müssen.

    Wieder ein schöner Tag, trotz Asphalt.

    Gute Nacht.
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