• Von Klingenmünster in den Bienwald

    June 5, 2023 in Germany ⋅ ☀️ 26 °C

    Ich wache nur leicht verkatert mit der Sonne und den Vögeln auf. Das Wetter verspricht wieder sehr schön zu werden. Das vertreibt den Kater bald ganz. Heute also keine Weinschorle mehr. Höchstens ein Bierchen. Obwohl, gut 20 Kilometer sind noch übrig vom Weinsteig. Aber es ist Montag morgen. Das Angebot an offenen Hütten und Weinstuben sollte übersichtlich bleiben.

    Es geht noch durch einige nette Weinorte. Und durch ein schönes Stück Pfälzer Wald. Der Weinsteig ist wirklich bis auf das allererste Stück hinter Bockenheim ein super Weg. Ich frühstücke in Bad Bergzabern. Hinter dem pittoresken Dörrenbach geht es aufwärts zur Kölner Bergkapelle und weiter zum Stäffelsbergturm. Von oben habe ich Supersicht über den Pfälzer Wald und die Rheinebene. Die Tausender im Schwarzwald begrüßen mich. Bald bin ich da.

    Ich komme an Resten des Westwalls vorbei. Die sind hier auf einem Wanderweg zugänglich. Massen an Beton für Bunker ist hier in kurzer Zeit verbaut worden und liegt nun gesprengt in der Landschaft herum. Knapp fünf Jahre hat das Zeug gehalten. Die tausend Jahre alten Reste der Guttenburg sind in besserem Zustand. Und erlauben zum letzten Mal einen Ausblick vom Pfälzer Wald in die Rheinebene und zum Schwarzwald.

    Denn nun gehe ich abwärts zum Weintor in Schweigen. Hier ist das Ende des Weinsteigs. Thruhike erfolgreich absolviert. Zeit für eine Pizza, die ich bei einem kleinen Italiener im Ort bekomme. Ist gemütlicher dort als in den Lokalen am Weintor. Am Nachbartisch sitzen Mamma und Tochter, Italienerinnen, die aber auch immer mal in pfälzischen Dialekt abgleiten. Süß. Ich verstehe beides nur schwer. Unterhalte mich dafür mit einem rüstigen Rentner aus Wissembourg. Er kommt immer mal wieder hier rübergelaufen zum Essen. Ist preiswerter als in Wissembourg. Dafür sind dort Steuern und Immobilien billiger. Er beklagt etwas, dass die Touristenklientel, mit der man sich unterhalten kann, kaum noch interessant und geistreich ist. Als ich von meiner Reise erzähle hält er mich wohl für milde interessant.

    Jetzt gehe ich in die Rheinebene. Zunächst durch Weinberge. Dort ist es sehr aufgeheizt. Ich spanne meinen Silberschirm auf. Dann geht die Bepflanzung über in Felder. Mittendrin steht das Atelier eines Künstlerpaares. Es ist offen. Sie sitzen drin in einem Wohnmobil und machen Siesta. Ich störe nicht lange.

    In Kapsweywer führt der Weg direkt an einem privaten Fünfzigerjahre-Museum vorbei. Die Tür steht offen. Ich gehe hinein. Der Chef sitzt im Garten. Eigentlich macht er hauptsächlich Führungen für Gruppen. Hatte heute schon eine. Trotzdem führt er mich durch die Ausstellung. Man merkt ihm seine Begeisterung an. Und es ist wirklich toll. Alles funktioniert. An einer Jukebox von 1952 hat er hundert Stunden gearbeitet, um sie wieder hinzukriegen. Großartig. Er lädt mich noch zu einem Weinchen im Garten ein. Seine Frau kommt dazu. Ich erzähle vom NST. Sie erinnern sich, dass vor der Pandemie schon mal so einer hier war. Kann eigentlich nur Soulboy gewesen sein.

    Ich fülle noch mein Wasser auf und gehe in Richtung Bienwald. Der fängt gleich an und mit ihm der unangenehme Teil des Abends. Der Wald ist schön. Und riesig. Urwald. Mit Urtieren. Mücken. Die sind aggressiv wie kleine Drachen. Erst kommen sie einzeln. Da kann ich sie leicht erledigen. Deet wäre gut. Hab ich aber nicht dabei und bisher auch nicht gebraucht. Jetzt bilden sie V-förmige Angriffsformationen. So stürzen sie sich auf mich. Mit jedem Schlag erledige ich sieben auf einen Streich. Hält die anderen aber nicht ab. Ich bin inzwischen trotz der Wärme mit langen Ärmeln und Schal unterwegs. Nach zwei Stunden gebe ich um acht Uhr in der Mitte des Waldes auf. Baue so schnell ich kann mein Mesh-Innenzelt auf und flüchte hinein. Die Mücken, die es mit mir gemeinsam geschafft haben, erledige ich einzeln. Die anderen hängen draußen am Mesh. Ich grinse sie an. Manchmal puste ich sie auch weg. Ich habe gesiegt, zumindest bis morgen früh. Ich verlasse das Zelt nicht mehr.
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