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  • Day 16

    Schlaflose Nächte: Tango und Milonga

    April 1, 2019 in Argentina ⋅ ☁️ 24 °C

    Einer der Gründe warum ich nach Buenos Aires wollte, war um Tango zu lernen. Alle meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen und ich habe meine große Leidenschaft für diesen Tanz entdeckt.
    Ich habe in München ca. 4 Unterrichtsstunden genommen und musste leider feststellen, dass Tango vor allem von älteren Menschen getanzt wird. Warum das so ist verstehe ich nicht. Vor allem weil ich in Buenos Aires vor allem auf Veranstaltungen war wo alle in meinem Alter waren - und auch die unterschiedlichsten Charaktere: von der schicken Argentinierin bis zum Hippie ist alles vertreten. Tango ist so ein wunderschöner, leidenschaftlicher Tanz. Er ist allerdings schon anspruchsvoller als z.B. Salsa und man muss viel üben. In Deutschland hat mal jemand zu mir gesagt, dass es nicht darauf ankommt wie lange man schon Tango tanzt, sondern wie viele Kilometer man getanzt hat. Tango wird nämlich auf parallelen Spuren entgegen dem Uhrzeigersinn rotierend getanzt. Diese Aussage kann ich nach meiner intensiven Tango-Woche bestätigen.

    Eine kurze Begriffseinführung:
    Tango: Tango ist eine Musikrichtung die vor allem in Buenos Aires, Argentinien und Montevideo, Uruguay getanzt wird. Tango Argentino wird im 4/8 Takt gespielt. Außer Tango Argentino gibt es noch die Milonga im 2/4 Takt und den Vals im 3/4 Takt. Es wird vor allem der klassische Tango Argentino und Electrotango gespielt.
    Vals: Vals ist ein Tango der auf walzerähnliche Musik getanzt wird.
    Milonga: Die Milonga ist eine fröhlich-schnelle Tanzgattung und Vorläufer vom Tango Argentino. Mit einer Milonga kann aber auch eine Tanzveranstaltung gemeint sein, auf der zu den drei Stilen Tango Argentino, Vals und eben Milonga getanzt wird. Milonga steht auch ganz allgemein für das Tanzlokal in der Milongas stattfinden stehen.

    Tango ist ein sehr höflicher Tanz. Um aufgefordert zu werden muss man den sogenannten „Cabeceo“ machen: hierbei schaut man sich im Raum um und wenn man mit jemandem tanzen möchte und sich die Blicke treffen, hält man diesen. Der Augenkontakt besteht so lange bis man nickt (=cabeceo) und dann ist man quasi für den nächsten Tanz verabredet. Wenn man weg guckt, hat man den Tanz abgelehnt. Auf diese Weise können sowohl Mann wie auch Frau auffordern oder abweisen.
    Die Verabredung besteht für eine Tanda. Eine Tanda sind 3-4 Tango Stücke, die man dann alle mit der gleichen Person tanzt. Danach wird eine “cortina” (= Vorhang) gespielt. Meistens ist es ein Rock’n’Roll, Salsa oder Bachata. In dieser Pause verabredet man sich durch den cabeceo für die nächste Tanda.

    Der Tango besitzt im Gegensatz zur Milonga kein festes Rhythmus-Muster. Dadurch ist es ein sehr gefühlvoller Tanz, bei dem man sehr auf den Tanzpartner achten muss. Eigentlich wird man zu einer Einheit. Um den Mann leichter zu verstehen hilft es sehr Stirn an Wange oder Wange an Wange zu tanzen. Das war für mich zuerst sehr ungewohnt. Die Verbindung ist dann aber so innerlich, dass die meisten Frauen die Augen zu machen. Am Ende der Woche habe ich das tatsächlich auch ab und zu geschafft.

    Milongas gibt es zu jeder Tageszeit. Die meisten fangen aber so um 23 Uhr an und gegen 1 Uhr kommen immer bessere Tänzer. Meine Lieblingsmilonga in “La Viruta” fing immer schon um 18:30 Uhr bis 23:30 Uhr mit Unterricht an. An jedem Tag gibt es verschiedene Klassen zu Tango, Milonga, Salsa, Bachata und Rock’n’Roll. Bis auf letzteres habe ich alles mal gemacht. Das tolle ist, dass man egal wann man kommt 5€ Eintritt bezahlt und dann an jeder Klasse und der Party teilnehmen kann.
    Die Klassen werden in Anfänger, Fortgeschrittene 1 und 2 und Profis unterteilt. Alle finden aber nebeneinander im gleichen Raum statt und wenn man sich falsch eingeteilt hat, kann man einfach wechseln. Die Lehrer meinten, dass ich ruhig mal Fortgeschrittene 1 probieren soll und hier war ich die ersten dreimal. Bei meiner vierten Stunde habe ich sogar schon bei Fortgeschrittene 2 teilgenommen.
    Die Party fängt um Mitternacht an und gegen 3 Uhr kommen richtig gute Tänzer, vor allem Tanzlehrer und Showtänzer. Ab 3 Uhr habe ich eigentlich am meisten gelernt. Um 5 Uhr ist dann Schluss und manche trinken davor noch einen Cappuccino und essen ein Croissant (das argentinische Frühstück).

    Eine andere schöne Milonga mit sehr vielen Jungen war im Vinilo. Hier spielte sogar ein Live Orchester, was am Wochenende bei den meisten Milongas der Fall ist.
    Am Samstag waren wir auf einer Milonga in einem leerstehendem Haus - das war der Wahnsinn! Es gab zwei Stockwerke mit je zwei Räumen und auf jedem Stockwerk legte ein anderer DJ auf. Auf dem Dach gab es außerdem noch eine Terrasse. Da wir vorher noch auf einem Milonga Konzert von Renato waren kamen wir erst um 2 Uhr an und blieben bis kurz vor 5 Uhr, weil so viele gute Tänzer da waren.

    An dieser Stelle muss ich aber auch noch kurz was zur ökonomischen Situation in Argentinien sagen: Es ist erschreckend wie schlecht es dem Land geht. Es ist noch viel schlimmer als ich es mir vorgestellt habe. Man weiß nie wie viel der Peso morgen noch Wert sein wird und alles ist extrem günstig und trotzdem können sich die meisten Argentinier nichts mehr leisten. Das bekommt auch die Milonga zu spüren. Die Milongas, die Eintritt verlangen, werden nicht mehr voll und die, die auf Spendbasis funktionieren, nehmen zu wenig ein. Eine Folge der Krise ist deswegen auch, dass immer mehr Milongas Pleite gehen und zu machen. Die Milonga im Vinilo, auf der ich am Montag war, wird es zum Beispiel nur noch bis Ende April geben. Sie basiert auf Spendenbasis und obwohl sie immer gerappelt voll ist, kommt zu wenig in den Hut rein.

    Insgesamt habe ich es mit dem Tanzen in Buenos Aires leicht übertrieben, da ich am Ende der Woche so Muskelkater in den Waden hatte, dass ich tagsüber nur noch das nötigste gelaufen bin. Aber ich konnte einfach nicht mit dem Tanzen aufhören, da ich so viel wie möglich mitnehmen wollte und ja nicht weiß, wann ich wieder so gute Tanzlehrer und -partner finde.

    Am letzten Abend war ich nach dem Lenny Kravitz Konzert ein letztes Mal in der Viruta und blieb bis 5 Uhr morgens. Ich trank ganz argentinisch einen Cappuccino zum Abschluss, ging zum Hotel und setzte mich um 6:30 Uhr mit Mate in der Hand ins Taxi zum Flughafen!

    Ich vermisse Buenos Aires jetzt schon...
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