• Zwischen Felsen und Mini-Schlucht

    5. heinäkuuta, Turkki ⋅ ☁️ 21 °C

    "Morgenstund' hat Gold im Mund" - Wir beherzigen diesen Kalenderspruch und verlassen um sechs Uhr die Schlafsäcke für unser Frühstück. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir auch zeitig in die Pedale treten. Seeehr entspannt starten wir in den Tag und so ist es am Ende neun Uhr, als wir unser Stoppelfeld-Hotel verlassen. Entspannt beginnt auch die heutige Fahrt, wir dürfen abwärts rollen. Bald erreichen wir das Ufer des Van-Gölü, welches wir fortan zu unserer Linken haben. Vor einem kleinen Lokal am Strand Beredelek winken ein Mann und sein Sohn uns energisch zu und rufen: "Çay, Çay!" Wir nehmen die Einladung an und rollen auf die andere Straßenseite. Während wir unser Glas Tee schlürfen, erfahren wir, dass zum Lokal auch ein Campingplatz gehört und man hier im See gut schwimmen kann. Kurz überlegen wir tatsächlich, die bislang sehr kurze Etappe zu beenden und einfach hier zu bleiben, entscheiden uns aber schließlich doch dagegen. Der etwa zehnjährige Sohn äußert mittels Gesten den Wunsch, eines unsere Räder fahren zu dürfen. Wir sind angesichts der schweren Beladung eher skeptisch, ob er das hinbekommt, wollen ihm aber den Wunsch auch nicht abschlagen. Der Junge kommt mit Claudias Fahrrad etwa zwanzig Meter weit, bevor er das Gleichgewicht verliert und im Schotter landet. Weder Rad noch junger Fahrer nehmen Schaden, aber seiner Reaktion und seiner Mimik können wir noch mehrmals entnehmen, dass der Junge nachhaltig beeindruckt ist. Kurz vor Aufbruch fragt Heiko den Lokalbetreiber, ob seiner Meinung nach heute Regen zu erwarten ist. Sehr überzeugt winkt er ab: "Yağmur yok - kein Regen!" Wir hatten wegen der im Vergleich zu den Vortagen deutlich kräftigeren und auch eher düsteren Bewölkung andere Befürchtungen, aber der Aussage eines Einheimischen glauben wir natürlich. Etwa eine halbe Stunde später suchen wir klitschnass Unterschlupf unter dem Vordach eines geschlossenen Ladens. Es schüttet nicht nur wie aus Eimern, sondern ein ordentliches Gewitter zieht über uns hinweg. Ob der Herr vom Beredelek-Strand wohl gerade an uns denkt? Wie auch immer..., wir kauern uns auf unseren kleinen Stühlen dicht an die Wand, um einigermaßen geschützt zu sein, trinken einen warmen Tee und futtern Chips. Es dauert nicht besonders lange, da verschwindet die Schlechtwetterfront ebenso schnell wie sie über uns hereingebrochen ist und der Himmel strahlt wieder in herrlichem Blau. Wir können also weiterradeln und sind auch in kürzester Zeit wieder trocken. Zu den Ereignissen auf den nächsten Kilometern zählen ein Wassereinkauf an der Tanke, der Erwerb von Halka Tatlisi (Teig-Ring, der frittiert und danach in Sirup gebadet wird und vor allem Claudia schmeckt...) an einem kleinen Verkaufswagen und die Sichtung einer Storchenfamilie in ihrem Nest. Als wir die Tiere entdecken, breitet gerade ein Storchen-Elternteil die Flügel aus und schwebt davon, vermutlich um Nahrung für den Nachwuchs herbeizuschaffen. Eine ganze Weile beobachten wir die fünf Heranwachsenden, die gar nicht mehr so klein sind, bis wir uns einen netten Pausenplatz suchen. Frisch gestärkt verlassen wir bald die Hauptstraße. Wir queren die Şeytan Köprüsü (Teufelsbrücke) und folgen einer kleinen, sehr ruhigen Nebenstrecke. Zu unserer Rechten schlängelt sich ein Fluss namens Bend-i-Mahi, bei dem es sich um den größten Zufluss des Van-Gölü handelt, durch eine Mini-Schlucht. Die Nebenstraße geht sehr schnell in eine Schotterpiste über, vermehrt türmen sich Felsen zu unserer Linken auf. Am Fuße ebendieser Felsen finden wir auf einer erhöhten Ebene, die man fast Wiese nennen kann, einen schönen Lagerplatz für die Nacht. In nur knapp einem Kilometer Entfernung befindet sich der Yaşar Kemal Şelalesi (Wasserfall), der aus einer Höhe von etwa 40 Metern in die Tiefe stürzt. Da dieser aber laut unserer Recherche nur während der Schneeschmelze Wasser führt und Heikos Drohnenflug das Trockenfallen in den Sommermonaten bestätigt, verzichten wir auf einen Spaziergang zu dieser "Sehenswürdigkeit". Stattdessen chillen wir auf der Wiese, essen Nudeln und bauen irgendwann das Zelt auf. Eine Weile teilen wir uns das Areal mit recht vielen Kühen und ihrem Hirten, weder Tiere noch Mensch scheinen sich aber an unserer Anwesenheit zu stören. Und als es dunkel wird und wir die Nachtruhe einläuten, sind wir auch wieder allein.Lue lisää