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- Monday, July 7, 2025 at 6:36 PM
- ☀️ 22 °C
- Altitude: 1,633 m
TurkeyDoğubayazıt39°32’15” N 44°5’56” E
Abfahrt in eine andere Welt
July 7 in Turkey ⋅ ☀️ 22 °C
Als wir kurz nach dem Aufgang der Sonne aufwachen und frühstücken stellen wir fest, dass unser Zeltplatz eigentlich viel besser ist als von uns am gestrigen Abend wahrgenommen. Während Claudia sich nach dem Essen mit dem Schreiben von Notizen beschäftigt, kümmert Heiko sich um den Mantelwechsel an seinem Fahrrad. Der erste Eindruck nach Vollendung der Arbeit ist gut, nun dürfen wir gespannt sein, wie das Rad und speziell der Mantel sich unter der täglichen Belastung verhält. Um viertel vor zehn ist unser Lager geräumt und wir bereit zur Abfahrt. Als Claudia bereits an der Straße und Heiko noch auf dem Feld steht, erscheint ein gepanzertes Militärfahrzeug. Auf Höhe von Heiko kommt es zum Stehen und der augenscheinlich auch mit Kameras ausgestattete Geschützturm nimmt ihn nach Seitwärtsbewegung und Absenkung ins Visier. Etwas irritiert schwenkt Heiko das deutsche Fähnchen, welches hinten an seinem Fahrrad befestigt ist. Daraufhin öffnet sich die schwere Tür des Fahrzeugs, ein Soldat kommt zum Vorschein und fragt, ob alles in Ordnung ist oder es ein Problem bzw. Hilfebedarf gibt. Als der Soldat hört, dass alles bestens ist und wir nur hier gezeltet haben, verabschiedet er sich freundlich und taucht wieder in seine Panzerhülle ab. Laut unserer Recherche waren Kanone und Kamera eines taktisch gepanzerten Radfahrzeugs "Otokar Cobra II", das u.a. auch als Späh- und Patrouillenfahrzeug im Bereich des Grenzschutzes eingesetzt wird, auf Heiko gerichtet. Skurril! Wir haben uns zwar inzwischen fast daran gewöhnt, dass unterschiedlich geartete Militär- und Polizeifahrzeuge sowie unzählige Kontrollpunkte (wir werden immer freundlich durchgewunken...) zum üblichen Straßenbild in Kurdistan gehören, eine derartige Begegnung hatten wir aber bislang nicht. Die verstärkte Militärpräsenz begeitet uns auch während des Anstieges, den wir nun zu bewältigen haben. Nur wenige hundert Meter entfernt von uns verläuft parallel die iranische Grenze, was angesichts der auf dem Bergrücken zu unserer Rechten verlaufenden Mauer und den vielen Wachposten unübersehbar ist. Während wir uns von dieser Seite unter Dauerbeobachtung wähnen, sieht es linker Hand gänzlich anders aus. Weite Lavafelder am Fuße des Schildvulkans Tendürek Dağı und wunderschöne Berge am Horizont prägen das Landschaftsbild im Grenzbebiet zum Iran. Nach einiger Anstrengung können wir schließlich einen neuen Höhenrekord von 2581m auf unserer Reise dokumentieren. Die wohlverdiente Pause verschieben wir noch etwas, da wir uns hier auf dem Gipfel quasi auf dem Präsentierteller sämtlicher, uns umgebender Militärposten befinden. Wir rollen also ein Stück abwärts und sobald wir zumindest halbwegs außer Sichtweite sind, lassen wir uns für eine ausgedehnte Pause mit Heißgetränken und Knabbereien am Straßenrand nieder. Und das Tollste ist, dass uns nach dem kleinen Picknick nur noch eine Abfahrt erwartet, die sich über sagenhafte 30 Kilometer zieht. Wir rollen los und es ist, als würden wir in eine neue, eine andere Welt eintauchen. Die Landeschaft ist geprägt von fantastisch aussehenden Hügeln und Bergen in verschiedensten Formen und Farben: felsgrau, sandbeige, grasgrün und rostrot. Der Weg hinab bietet uns so viele schöne Panoramen, dass wir ständig anhalten, staunen und Bilder machen. Dank dieser kurzen Stopps entgehen uns glücklicherweise auch die Tiere am Wegesrand nicht: Noch in luftiger Höhe zeigt sich uns ein Fuchs (glauben wir...), weiter unten flitzen Erdmännchen, von denen die Google-Bildersuche behauptet, es seien Ziesel, über staubige Sandflächen und einige Pferde traben in wildromantischer Art und Weise über die Felder. Deutlich weniger schön hingegen werden wir die Begegnung mit einem Kind in Erinnerung behalten. Der vielleicht maximal achtjährige Junge taucht aus dem Nichts auf der großen Straße auf und wirft einen Stein auf Heikos Hinterrad, während dieser bergab fährt. Als Heiko anhält, wird er von dem Jungen, der auch einen Stock in der Hand hält, bedrängt und um Geld angebettelt. Als auch Claudia den Punkt erreicht, heißt es nur noch: Gas geben! Die Szene beschäftigt uns, vor allem Heiko, noch eine ganze Weile. Gemischte Gefühle machen sich breit, die von Wut bis hin zu Enttäuschung, Traurigkeit und Mitleid reichen. Was veranlasst ein Kind dazu, mit Steinen auf Touristen bzw. das Fahrrad zu werfen? Mit Sicherheit hat dieser Junge wie auch die vielen weiteren Kinder und deren Familien in dieser Gegend alles andere als ein leichtes Leben. Aber mit Steinen zu werfen und danach den Beworfenen um Geld zu bitten...? Die Gedanken um diese Situation fahren eine Weile mit. Trotz allem entgeht uns aber nicht, dass der höchste Berg der Türkei, der Ararat, in unser Blickfeld rückt. Wir erreichen unseren Zielort Doğubeyazıt, wo wir zu unserer Freude eine neue Gaskartusche erwerben können. Die Freude nach dem letzten Kauf hielt ja leider nur bis zu Feststellung an, dass die Kartusche nicht funktioniert. Einen Einkauf erledigen wir noch und steuern dann ein Hostel etwas östlich der Stadt an, welches uns aufgrund der ungewöhnlich tollen Google-Bewertungen neugierig gemacht hat. Schon während der Fahrt können wir den beeindruckenden İshak Pasha Palast in der Ferne erkennen, dem wir morgen einen Besuch abstatten wollen. Es ist etwa 18 Uhr, als wir ohne Probleme die Unterkunft "ARK Hostel & Camp Caravaning" erreichen. Sofort macht die Anlage einen sympathischen Eindruck auf uns, vom Gastgeber Zafer werden wir freundlich empfangen. Wir erfahren, dass wir aktuell die einzigen Gäste sind, was laut Zafer daran liegt, dass viele Reisende wegen der derzeitigen Situation im benachbarten Iran die Gegend meiden bzw. die Reiseroute ändern. Wir beziehen ein großzügiges Zimmer, duschen ausgiebig und sind fasziniert vom Anblick der Berge in herrlichstem Abendlicht. Das Essen in einem nahegelegenen Restaurant ist köstlich und zum Ausklang des Tages genießen wir einen Tee auf der gemütlichen Terrasse unseres Hostels mit Blick auf den Ararat. Was geht es uns doch gut...!Read more




















