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  • Day 52

    Die blaue Stadt mit gutem Marketing

    February 24, 2023 in Morocco ⋅ 🌙 12 °C

    Ein Blick auf die Wetterkarte verrät uns, dass heute für uns der Himmel noch lacht. In der folgenden Nacht soll es zu starken Regenfällen kommen. Dies ist der Grund, weshalb wir der vielgelobten blauen Perle im Rifgebirge weniger Zeit widmen wollen. Eine Übernachtung auf dem dortigen Campingplatz wollen wir lieber nicht riskieren. Unser Weg führt durch den Nationalpark Talassemtane. Die Landschaft ist mit ihren ausgedehnten Zedern- und Steineichenwäldern, Schluchten und Wildblumenwiesen ein wahres Wanderparadies. Zu einer Wanderung reicht unser heutiges Zeitfenster nicht. So gibt es nur einen kurzen Fotostop um die beeindruckende Umgebung auf meinem Handy bildlich einzufangen. Die ganze Gegend ist aber auch für den grossflächigen Anbau von Cannabis bekannt. Es wird geschätzt, dass am Rif zwischen 300 und 400 Familien am Anbau und der Verarbeitung von Cannabis beteiligt sind. Von den fünf Millionen Einwohnern dieser Gegend sind etwa zwei Millionen direkt vom Anbau dieser Pflanze abhängig. All diese Menschen schaffen es dank der Freizügigkeit der Behörden, die es tolerieren, diese Tätigkeit auszuüben, obwohl es im marokkanischen Strafgesetzbuch als Verbrechen eingestuft wird. Der Handel mit Haschisch ist in Nordmarokko eine alltägliche Realität. Die im Rif produzierten Tonnen Haschisch werden auf verschiedenen Wegen, fast ausschliesslich auf dem Seeweg, durch die Strasse von Gibraltar nach Europa transportiert. Schnelle Schlauchboote mit starken Motoren und Verstecke in grossen Lastwagen oder Handelsschiffen sind die bevorzugten Methoden der Beteiligten in diesem riskanten Geschäft.
    In der Rifgegend ist es ein vertrautes Bild, dass Männer in Gruppen um einen Tisch in Cafés sitzen und ihr Kif in der traditionellen Pfeife, der Sebsi rauchen.
    Kaum sind wir in Chefchaouen angekommen, will uns ein junger Mann offensiv Haschisch verkaufen. Es ist höchst ratsam ein solches Angebot abzulehnen. Ich möchte nicht in einer marokkanischen Gefängniszelle wegen illegalem Drogenbesitz landen.
    Die blaue Perle im Rifgebirge, wie Chefchaouen auch noch genannt wird galt über Jahrhunderte als heilige Stadt, die Ausländern unter Androhung der Todesstrafe versperrt war. Dies hat dazu beigetragen, dass es noch viele mittelalterliche erhaltene Bauten gibt.
    Ein grosser Zuwanderungsstrom von ausgewiesenen Muslimen und Juden aus Spanien im Jahr 1492 haben die Architektur in der Altstadt geprägt. Wie in andalusischen Dörfern gibt es kleine Gassen zwischen weiss getünchten Häusern und unregelmässige Abgrenzungen, häufig mit Schattierungen in blau Ich erkundige mich bei zwei Einheimischen, ob die blaue Farbe in all ihren Schattierungen eine bestimmte Bedeutung habe. Eine Frau hat gar keine Erklärung, ein Mann beschreibt beinahe poetisch, dass die Farbe dem Himmel nachempfunden sei und bei Sonnenschein das Weiss der Häuser weniger in den Augen blendet. Andere Erklärungen sind aber auch noch im Umlauf...Die geflüchteten Spanier aus Andalusien hatten blaue Farbe mit dabei. Gegen den bösen Blick. Blau soll Ungeziefer fernhalten. Es soll die Gassen der Altstadt auch in den warmen Sommertagen schön kühl halten.
    Was stimmt nun?
    Schaut man etwas genauer in die Geschichte der Stadt, erfährt man, dass hier nicht schon immer alles blau angestrichen war. In den 1990er Jahren war Chefchaouen sogar ziemlich verfallen. Die Hippiewelle aus den 70er- und 80er Jahren flachte ab. Der Tourismus lief nicht mehr so gut und ein Hotelbesitzer beschloss sein Haus ganz in blau zu streichen. Warum auch immer, aber seine Idee hatte Erfolg und führte zu besseren Belegungszahlen. Daraufhin begannen weitere Stadtbewohner ihre Häuser blau anzumalen. Ein Besuch des Königs von Marokko samt Kamerateam führte dann wahrscheinlich auch massgeblich zu neuer Popularität der erneuerten Stadt.
    Wir lassen uns durch die blaue Medina treiben, welche über zahlreiche Treppen, durch viele Gassen, auch solche die in einer Sackgasse enden führt. Nach einer Mittagspause auf dem Place Outa el Hammam vor der Kashba aus dem 15. Jahrhundert zieht es uns aber relativ schnell aus dieser Touristenhochburg weg. Vielleicht waren unsere Erwartungen bezüglich dieser Stadt etwas zu hoch gesteckt. Schade, dass diese Stadt sich ganz dem Tourismus zugewendet hat. Wir sind froh, dass unser Giotti auf einem Parkplatz und nicht auf dem komunalen Campingplatz steht. Somit steht unserer Weiterfahrt in Richtung Tétouan und Martil Plage nichts im Weg... Für diese Nacht und die weiteren bis zu unserer Rückreise ab Tanger Med haben wir einen Campingplatz im Visier. Dort angekommen ist nur noch eine leere Kies-und Rasenfläche vorhanden. Der Platz hat anscheinend die Pandemie nicht überlebt. Deshalb stehen wir diese Nacht nochmals auf einem bewachten Parkplatz an der Strandpromenade von Martil Plage. Mit Blick aufs Meer und in der Ferne die Küste von Andalusien.
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