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  • Day 204

    Happy new year

    April 14 in Cambodia ⋅ ⛅ 31 °C

    Zeiten sind anders, werden anders gezählt auf der Welt, anders gefeiert von Menschen und Völkern. Sie sind nur ein paar Flugstunden entfernt und doch sind es ganz andere Gebräuche und Lebensweisen. Es ist warm an Neujahr hier, tagsüber über 36 Grad, nachts vielleicht 28 Grad. Es ist der White Day. Und weiß wird man mit babypuder beschmiert, was zum Neujahr irgendwie passender wirkt als Raketen bei uns. Das Wasser aus den Wasserpistolen hat auch mehr mit einem neuen Lebensanfang zu tun. Vor allem erfrischt es hier. Man weiß, dass es sicher trocknen wird. Wir denken uns gern der fröhlichen dicht gedrängten Stimmung meines ersten Tages hier aus. Vorher standen wir am Zusammenfluss des Mekong mit dem tonle sap river. Das Ufer sehr hoch, wenig Wasser in dem weiten Bett. Gegenüber eine riesige Carlsbad Reklame, später in der Dunkelheit grün leuchtend. Und weiter weg ein noch gewaltigerer Hotelkomplex, leicht 20 bis 30 Stockwerke hoch, gute 200 Meter oder noch mehr breit. Ausflugsboote wie überall an solchen Promenaden, auch sie später in vielen Farben beleuchtet. Glatte weiße Steine als Unterlage der Promenade der Markt geschlossen, aber in den Nebenstraßen junge Leute auf Pickups, bewaffnet mit bunten wasserpistolen, genauso wie die jungen Menschen an den Straßenrennen, manchmal unterstützt von den Älteren. Dazwischen immer wieder kleine Stände mit Waren, Fischen in Wasser, Kokosnüssen, Obst. Unter leuchtenden Baldachinen geraten wir in die Masse herein, die sich einem Hügel, Wat Phnom, entgegenwälzt, zu techno Musik tanzt. Wir erklimmen den Hügel, auf dem ein Palast steht, eine Familie vor einem dartähnlichen Heiligenbild betet, weiße Stühle auf eine Zeremonie warten, bleiben sitzen und sehen durch die Zweige der Bäume, vielleicht Eukalyptus, vielleicht Mango, die tanzenden Menschenmassen. Eine Gruppe tanzt am Fuße der Treppe einen traditionellen Tanz, ein Mädchen hält einen spendenkorb und ist unter der weißen schminke bezaubernd mit ihrem Augenaufschlag anzusehen. Sie gibt ein Bild ab wie für eines unserer magazine, in denen wir dann in die fremden Welten tauchen.

    Die Besitzerin der Villa papillon legt klaviermusik auf, vielleicht Schubert oder Schumann. Kultur, Bildung. Mag sein, dass es Pol Pot in der Jugend auch hörte. Er hatte einen anderen Namen, wuchs im bildungsbürgertum auf, radikalsierte sich Anfang der 60er Jahre immer mehr und kam mit Gleichgesinnten auf die Idee, wieder mit der Geschichte von vorne anzufangen, einen neuen Menschen zu schaffen, mit dem eine bessere Welt möglich wäre. Der Aufstieg wurde durch die verrückte Politik der Amerikaner unterstützt, die Kambodscha in einen geheinen Krieg hineinzog, der bedeutete, dass mehr bomben als im gesamten zweiten Weltkrieg auf die indochinesischen Länder Kambodscha und Laos abgeworfen wurden. Pol pot schien eine Lösung aus diesem Elend zu bedeuten. Er marschierte in Phnom penh ein und innerhalb kürzester Zeit verordnete er die Evakuation der gesamten Bevölkerung auf das Land. Inmitten der leeren Stadt wurde eine Schule, genannt Schule der Mangobäume, in ein Foltergefängnis umgewandelt. Wir besuchten es. Die Worte können das Gesehene und Geschehene kaum beschreiben. Die einzelnen Stahlbetten in den Schulräumen, die Luftzufuhr abgeschnitten, auf den Eisenbetten die Eisenstangen, mit denen die Gefangenen angedeutet waren, die Box für die Notdurft und sonst nichts. Bilder der Folterungen an den Wänden, später fotographien der Wärter, der Gefangenen, Aussagen von Wärtern, die nur noch Maschinen waren, traten, foltern, ohne noch den Memschen zu sehen. Ein ehemaliger Aufbau für eine Schaukel umgemutzt als grausames Folterinstrument, die schulräume durch Ziegel udn im ersten Stock durch Holz in Zellen unterteilt, die gerade so groß waren, dass sich ein Mensch hinlegen konnte. Alles so unfassbar, was sich menschliche Gehirne ausdenken können, sogar wenn sie anfangs gebildet waren. In dieser haben sie den Menschen vergessen. Sie wollten erneut Gott spielen, Herrscher, fühlten sich allmächtig. Auch wenn die schreckensherrschaft dreieinhalb Jahre später beendet wurde, fanden pol pot und seine Leute bis in die 90er Jahre Unterstützung. Ist Bildung wirklich die einzige Hoffnung? Und ich wusste in den 70er Jahren von den Vorkommnissen, aber es dauerte lange, bis sich auch Deutschland darum kümmerte. Währenddessen starben Menschen grausam in diesem Lager S 21. Genauso geschieht es heute.
    Die Musik ist in der Villa Pavillon verstummt, eine leichte Brise lindert die Hitze und vertreibt die Gedanken. Ein Motorrad rast vorüber, elia lernt japanisch, ich esse einen pancake. Das Leben geht weiter, in einem neuen kambodschanischen Jahr.
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