• Das unschöne Ende eines Märchens

    30 maggio 2023, Iran ⋅ ☀️ 25 °C

    Iran - ein Land, das vor der Islamischen Revolution 1979 sehr gut besucht war und danach fast komplett von der touristischen Landkarte verschwand.
    Iran - das Land im Mittleren Osten, das heute vorwiegend Gefühle heraufbeschwört, die nur mit Befürchtungen, wenn nicht sogar Ängsten einhergehen.
    Zu konkret sind noch die Erinnerungen an die Regierungszeit von Ahmadinedschad, der der Welt drohte. Zu erdrückend wirken Bilder nach, die Frauen unter dem Tschador zeigen.

    Politik und gesellschaftliches Leben werden der Religion untergeordnet. Entscheidungen unterstehen der Scharia und der Zustimmung des religiösen Führers.
    Die Sittenpolizei wacht streng über die Einhaltung der Regeln.
    Wir westlichen Besucher werden mit einer vollkommen anderen, uns fremden Kultur konfrontiert, und es besteht die absolute Notwendigkeit, sich dieser direkt anzupassen.
    Bei Vergehen drohen drakonische Strafen wie Gefängnis und Peitschenhiebe.

    Generell müssen in der Öffentlichkeit alle Körperteile außer die Hände, die Füße und das Gesicht bedeckt werden. Dazu gehört auch das
    Tragen der Hijab, eines Kopftuches für Frauen.
    Traditionell wird zudem der gesamte Körper mit dem Tschador, einem halbmondförmigen Tuch, bedeckt. Diesen brauchen wir als Touristinnen allerdings nicht, um rechtmäßig und angemessen gekleidet zu sein.
    Karola und ich tragen ein schönes Tuch, was den größten Teil unserer Haare verdeckt, dazu weite Tunikas und luftige Hosen.
    Das wird akzeptiert.

    Aufgrund von Sanktionen funktionieren im Iran weder Kredit- noch EC-Karten, weshalb das Abheben von Geld für Touristen unmöglich ist. Man muss also sein komplettes Reisebudget im voraus kalkulieren und in Form von Bargeld (Dollar oder Euro) mitnehmen.

    Nichtsdestotrotz haben wir uns entschieden, den Schritt ins Unbekannte zu wagen, wenn auch mit einem mulmigen Gefühl, ja man kann sogar sagen Angst vor diesem Land, dessen Image in den letzten Jahren so unglaublich gelitten hat.

    Aber dieses Risiko wollten wir nicht alleine eingehen und haben deshalb beschlossen, uns durch das Land von Grenze zu Grenze begleiten zu lassen.
    Diese Entscheidung haben wir, obwohl sie wirklich teuer war, keine Minute bereut.
    Mohammad hat den Besuch in seinem Land zu etwas ganz Besonderem werden lassen.

    Am 30. Mai, dem letzten Tag unserer gemeinsamen Zeit, geleitet er uns bis zur irakischen Grenze.
    Da der Übertritt in die Türkei um ein Vielfaches einfacher ist, sollen Kai und Karola nun alleine weiterfahren.
    In Urmiyeh trennen sich nach 10 monatiger gemeinsamer
    Reise unsere Wege.
    Im Internet hatte ich gelesen, dass der Grenzübergang vom Iran zum Irak zu einem der schlimmsten überhaupt gehört.
    Man muss sich auf willkürliche Drangsalierungen einstellen, gegen die man sich nicht wehren kann.
    Da Mohammad bei uns ist, bin ich äußerlich relativ entspannt. Doch tief in meinem Inneren habe ich ein ungutes Gefühl, was sich leider später als richtig bewahrheiten sollte.
    Fast 4 Stunden hocke ich vor einer Absperrung in unserem Auto, während Viktor und Mohammad planlos von A über B nach C, D, E und F geschickt werden.
    Zwischendurch geben sie mir stichwortartige Auskunft , ansonsten bin ich alleine, ohne jegliche Information, was hier abläuft.
    Bei jeder kurzen Konversation teilen sie mir neue Geldsummen mit, die wir für irgendwelche Dinge bezahlen sollen.
    Ich verstehe nichts, sie aber offensichtlich auch nicht.
    Auch Mohammad, der anfangs noch ruhig war, wird zunehmend gestresster; das Unverständnis und der Ärger über das, was hier abgeht, ist deutlich in seinem Gesicht zu lesen.
    Aber wir sind machtlos und ausgeliefert.
    Zum ersten Mal in meinem Leben höre ich von meinem Mann die Worte: "Ich kann nicht mehr.
    Wir haben keine Chance; die wollen uns fertig machen."
    Spätestens jetzt kapiere ich, dass das, was hier abläuft, bitterer Ernst ist.

    Verschlimmert wird die Lage dadurch, dass wir überhaupt nichts von dem verstehen, was besprochen, verhandelt und worüber gestritten wird. Wir merken nur, dass die Situation gefährlich eskaliert.
    Ein Deutscher, den wir irgendwo im Iran getroffen haben, hatte uns erzählt, dass man ihn nach einer anfänglich harmlosen Verkehrskontrolle für mehr als 2 Stunden in einem fensterlosen Container eingesperrt und verhört hatte, ihn und seine sämtlichen Habseligkeiten untersucht und alle seine Medien, Fotos, WhatsApp Nachrichten, Kamera, Laptop bis ins Kleinste duurchwühlt habe.
    Ich verstecke mein Handy unter dem Autositz. Allmählich bekomme ich Panik. Es sind inzwischen einige Nachrichten drauf, die uns in ernsthafte Schwierigkeiten bringen könnten.
    Dolkhaz, unser Freund sitzt mit Frau und der kleinen Tochter seit mehr als 4 Stunden auf der anderen Seite der Grenze im Irak. Keine 500 Meter Luftlinie von uns entfernt - außer ein paar SMS von mir nicht wissend, was uns gerade widerfährt.
    Dann, nach fast 5 Stunden, kommen Viktor und Mohammad zum Auto: " It is finished. We are allowed to cross."
    Ich kann es nicht glauben. Warum jetzt so schnell?
    Doch weshalb habe ich trotzdem immer noch ein schlechtes Gefühl?
    Ich schicke Dolkhaz noch eine letzte SMS, dass wir die iranische Grenze passiert haben und in kürzester Zeit im Irak sein werden.
    Dann nehme ich fatalerweise meine Sim Karte aus dem Handy, da Mohamed meint, dass ich die jetzt sowieso nicht mehr gebrauchen kann. Verabschiedung.....und
    wir stehen vor der letzten Schranke.
    Der zuständige Typ guckt uns nur blöd an, macht aber keine Anstalten, das Tor zu öffnen.
    " We can pass , your colleague said", teile ich ihm mit.
    Und dann passiert das , was ich tief im Inneren befürchtet hatte.
    "Turn off the engine of your car immediately and show me your papers!" , blafft er uns an und lässt sich nicht darauf ein, als ich ihm sage, dass wir in den letzten 5 Stunden mehr als 10 mal geprüft worden sind.
    Er ignoriert mich komplett, Viktor befiehlt er, ihm zu folgen.
    Ich stehe neben unserem Auto, ratlos, hilflos vor irgendeiner Schranke um letzten Winkel vom Iran.
    Ich kann weder Dolkhaz Bescheid sagen noch Mohammad anrufen, dass er bitte zurück kommen soll.
    Ich bin total verzweifelt.
    Da ich seit Stunden dringend zur Toilette muss, frage ich einen LKW Fahrer, den einzigen Menschen, den ich weit und breit sehe.
    Er zeigt mir an, ihm zu folgen. Wir marschieren über einen Platz, vermüllt, stinkend und dreckig. Ganz am Ende ist ein Häuschen, ohne abschließbare Tür.
    Der Urin steht knöchelhoch, alles ist übel beschissen. Ich muss würgen und kämpfe gegen das Übergeben.
    Als ich zum Auto zurück komme, fließen meine Tränen hemmungslos.
    Warum läuft hier jetzt alles schief? Und Viktor ist immer noch nicht zurück. Was haben die mit ihm gemacht.
    " Äffchen, da bist du ja!
    Ich falle in seine Arme. Ach, wenn wir doch hier abhauen könnten.
    " Hier kommen wir nicht mehr weg - zumindest nicht heute" reißt mein Mann mich aus meinen Gedanken.
    Irgendein Papier fehlt. Ohne das kommen wir nicht weiter.
    Das kann doch nicht sein! Eigentlich waren wir doch fertig!

    Wir rennen zurück in die Halle, aus der Viktor gerade gekommen ist.
    Als ich den Officer frage, was nicht in Ordnung sei, dreht er sich um und lässt mich eiskalt stehen.
    Da fange ich an zu schreien: " We need help. Something is going wrong here. Please, can't anybody help us?
    Alle Blicke sind auf uns gerichtet, ich registriere das fast nicht mehr.
    Die Männer schubsen uns in einen Raum, in dem uns die anderen Leute nicht mehr sehen können. Aber ich weine weiter, laut und ununterbrochen. Irgendwie merke ich instinktiv, dass das unsere einzige Rettung ist.
    Die Männer sind entsetzt hilflos, verärgert, überfordert. Aber es kommt Bewegung in die Sache.
    Eine Viertelstunde später sitzen wir im Auto, die Schranke geht hoch.....und wir sind frei. Ich hatte bald nicht mehr daran geglaubt.

    Auf irakischer Seite wollen 4 Offiziere erneut unser Auto von innen prüfen und durchleuchten. Die ersten zwei sind schon im Camper mit Spingerstiefeln und schweren Gewehren. Ich habe keine Kraft mehr, irgendetwas zu sagen.
    Da sehe ich am Ende eines dunklen Ganges einen Iraker mit Turban, der ununterbrochen winkt.
    Außer uns ist niemand hier, der muss uns meinen. Ich habe keine Ahnung, was er will.
    Plötzlich erscheint neben ihm ein kleines Mädchen mit einem roten Hut ....und sie winkt auch. In dem Moment erkenne ich die Kleine: Es ist Nada, und neben ihr steht Dolkhaz. DER MANN MIT DEM TURBAN IST DOLKHAZ!
    Im selben Moment laufen wir aufeinander zu.
    Als er mich auffängt, weiß ich, dass jetzt alles gut wird.
    Endlich, wir sind in Sicherheit. Uns wird nichts mehr passieren.
    Dolkhaz erzählt später, dass selbst die hart gesottenen Officers Tränen vor Rührung in den Augen hatten, als Dolkhaz ihnen erzählt, dass wir etwas wie seine Ersatzeltern sind und er extra aus Deutschland in den Irak geflogen ist, um uns hier zu treffen.
    Er hält mich fest und sagt immer wieder: Mama, weine nicht mehr. Ihr seid in Sicherheit. Jetzt ist alles gut.
    Mit Dolkhaz Hilfe erledigen wir die Grenzformalitäten auf irakischer Seite, die noch einmal drei Stunden dauern.
    Es ist längst nicht so schlimm wie im Iran, aber auch hier haben wir das Gefühl, dass es fatale Folgen haben kann, den falschen Menschen zu viel Macht zu geben.
    Um 1 Uhr kommen wir in Erbil an. Selten in meinem Leben habe ich mich so kaputt, gedemütigt und hilflos ausgeliefert gefühlt.

    Und so schön diese Länder, und hier meine ich insbesondere den Iran, auch sein mögen.
    Ich werde wahrscheinlich nicht wieder zurückkehren.
    Diesen Alptraum werde ich meinen Lebtag nicht mehr vergessen.
    Leggi altro