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  • Day 357

    Es geht aufs Ende zu

    July 22, 2023 in Slovenia ⋅ ☁️ 23 °C

    In wenigen Tagen werden wir in der Heimat ankommen.
    Auf den vielen Kilometern, die wir zuletzt täglich gefahren sind, war ich oft nachdenklich und schweigsam.
    Es kommt mir fast unwirklich vor, dass wir nächstes Wochenende am Ende unserer Reise sind.
    Unser Leben außerhalb der Norm ist nach einer gefühltenen Ewigkeit vorbei.
    Meine Gefühle wechseln zwischen Wehmut und unglaublicher Freude.

    Vieles werde ich vermissen, doch von einigen Dingen fällt mir der Abschied nicht schwer.
    Es ist eine Liste in meinem Kopf erstanden, die ich euch nicht vorenthalten möchte:

    DAS WERDE ICH VERMISSEN BZW DAFÜR BIN ICH DANKBAR

    Das Frühstück, das Viktor mir (fast) an jedem Tag der langen Reise zubereitet hat.😍

    Die Abende unter klarem Sternenhimmel, wo wir irgendwo, ganz alleine für uns, UNSERER Musik gelauscht oder einfach nur gesessen und geschwiegen haben.

    Unser eiskaltes Feierabendbier - besonders nach wochenlanger Abstinenz im Oman, Iran und Irak 😉

    Egal, wieviel Dreck um uns herum war, in unserem Bett im Camper war es immer sauber ( oder es war nur eigener Schmutz)

    Meine Riesenkleiderkiste, wo ich ein Jahr aus den Vollen schöpfen konnte 😉
    Es sind immer noch Sachen da, die ich noch nicht getragen habe 🤣
    [ Demgegenüber stehen auf der " Das werde ich nicht vermissen Seite" die gebetsmühlenartigen täglichen Sprüche meines Mannes, wenn er irgendwelche Schränke öffnet: "Das ist echt nicht mehr normal, was du alles dabei hast."
    Jaaaahaaah... das hast du mir jetzt schon 365 mal gesagt🥱. Allmählich wird's langweilig!]

    Menschen, die uns mit ihrer bedingungslosen Freundlichkeit und Warmherzigkeit einfach umgehauen und sprachlos gemacht haben

    Mitreisende, die wir kennen gelernt haben und die wir jetzt als Freunde betrachten.

    Dass Leute, die wir noch nie gesehen haben, uns auf der Straße zuwinken oder sogar anhalten - nur, weil sie unser Auto oder uns Fremde (Mzungus) toll finden

    Unser Camper, der uns nach mehr als 40.000 Kilometern auf teils schwierigsten Pisten nicht im Stich gelassen hat

    Die Freunde, die auch beim 250sten Blog nicht müde wurden zu antworten und mit uns zusammen gelacht, geweint, gezittert und sich gefreut haben

    Die Freiheit, immer wieder aufs Neue zu entscheiden, wie und mit was man den Tag füllt.
    Meist muss man nur über die Basics beraten: Wo geht's heute hin?
    Welche Route nehmen wir?
    Muss noch etwas besorgt werden?
    Sind Wasser- und Benzintanks gefüllt?
    Was gibt es heute Abend zum Essen?
    Muss Geld gezogen oder getauscht werden?
    Ist noch genug saubere Wäsche im Schrank oder müssen wir einen Waschtag einlegen?
    Das sind die kleinen Fragen und Aufgaben, die alltäglich anfallen.
    Anders waren die Anforderungen an uns bei Grenzübertritten in Afrika und Asien, die einiges an Vorarbeit in Form von Mails, Anträgen oder anderer Logistik erforderten......manchmal über Wochen hinweg.
    Ein Segen, dass diese Ansprüche zu Beginn bzw in der Mitte der Reise an uns gestellt wurden.
    Jetzt, nach einem Jahr, hätte ich nicht mehr die dazu nötige Kraft und Hartnäckigkeit.

    Viktor liebt es, dem für ihn langweiligen Alltagstrott zu entkommen und ständig mit neuen Herausforderungen konfrontiert zu werden. In der Hinsicht ist er auf der Tour voll auf seine Kosten gekommen.

    Besonders gut gefallen hat ihm im Oman, Irak und Iran, mit den Fingern zu essen ( das ist in diesen Ländern so üblich )
    In feineren Restaurants zurück in der Heimat werde ich bestimmt am Anfang darauf achten müssen, dass er wieder Messer und Gabel benutzt und am Schluss den Teller nicht ausschleckt 😉

    Die Freude der beiden Brüder, sich nach Jahrzehnten der Trennung (beinahe) täglich zu sehen und irgendwelche Pläne zu schmieden und verrückte Abenteuer gemeinsam zu bestreiten.
    Sie saugen jede gemeinsame Minute quasi in sich auf, so als ob sie alles nachholen wollen, was ihnen genommen wurde.

    DASS KEINER VON UNS VIEREN ERNSTHAFT KRANK GEWORDEN IST🙏🙏🙏

    Was ich NICHT vermissen werde:

    Die über das normale Vorstellungsvermögen hinausgehend verdreckten Toiletten und Duschanlagen, die uns vom Anfang bis fast zum Ende der Reise begleitet haben- in unterschiedlicher Ausprägung
    Von : ganz passabel
    bis: ich kacke mir jetzt lieber in die Hose als da drauf zu gehen😩

    Die Zollbeamten, die ihre Grenzschikanen bis zum Exzess mit und an uns praktiziert haben

    Die vielen bekannten, aber auch uns völlig fremden Insekten und Reptilien, mit denen wir uns arrangieren und zurechtkommen mussten ( nur eine von vielen Begegnungen: die Fledermaus und ich - eingesperrt in einer kleinen, bekackten Toilette)

    Dass es am Anfang in Südafrika schon um 18 Uhr stockdunkel war und man sich außerhalb des Campers den Hintern abgefroren hat.

    Den Anblick der Ärmsten unter den Armen, die nichts hatten als ihre zerfledderten Klamotten am Leib ( das werde ich nicht vermissen und mit Sicherheit auch niemals vergessen)

    Das Chaos, das jeden Morgen nach dem Aufstehen im Camper herrscht, bis schließlich
    jedes Teil wieder ordentlich an seinem ihm eigenen Platz verstaut ist.

    Die Sucherei nach irgendetwas, was nicht an seinen Platz gelegt wurde😉

    Und last but not least
    ein ganzes langes Jahr auf extrem beengtem Raum miteinander zu leben, sich ohne Worte abzustimmen, wer vor dem Herd steht, wer gerade Wasser aus dem Kran braucht, wer etwas aus dem Schrank nehmen muss, vor dem der andere gerade steht ....
    In solchen sich täglich zigfach wiederholenden Situationen nicht ungeduldig zu werden, stellt eine echte Herausforderung dar.

    Beide Listen könnte ich noch unendlich verlängern.
    Ich weiß nicht, welche von beiden umfangreicher würde.
    Was ich allerdings weiß ist, dass es für mich in Ordnung ist, wenn unsere Reise nächste Woche zu Ende geht
    - auch wenn ich ein bisschen Angst davor habe, wie wir die Umstellung packen werden -

    und ich mich ich riesig auf unser neues/ altes Leben mit Euch allen freue.
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