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  • Day 75

    Wiedersehen nach 17 Jahren

    February 2 in New Zealand ⋅ 🌧 16 °C

    In Palmerston North übernachten wir wieder bei Trail Angels, Paula und Brian. Abends kommt noch Rhys dazu, auch ein Te Araroa Wanderer, aus Neuseeland. Wir stehen alle in der Küche von Paula und Brian, bereiten unser Abendessen zu und schwatzen miteinander.

    Die nächste Etappe von Palmerston North aus sind die Tararua Ranges mit vielen steilen Auf- und Abstiegen. Für ca. 6 Tage geht es durch (schlammigen) Urwald und über alpines Gelände. Wir entscheiden uns schweren Herzens diese Etappe wegzulassen. Die Zeit rennt, denn es ist schon Anfang Februar und auf der Südinsel gibt es noch soooo viel, was wir sehen, anschauen, erleben und erklettern wollen.

    Nach den Tararua Ranges kommt man im kleinen Örtchen Waikanae raus. Ich habe dort eine Cousine, die aus Deutschland ausgewandert ist, und die ich 17 Jahre nicht gesehen habe und unbedingt wiedersehen und besuchen möchte. Als klar war, dass wir 5 Monate in Neuseeland sein werden, habe ich Kontakt zu ihr aufgenommen und sie hat mich sofort eingeladen, sie zu besuchen. Jetzt ist es endlich soweit, wir müssen nur noch von Palmerston North nach Waikanae kommen. 83 Kilometer bzw. 1 Stunde und 7 Minuten liegen beide Städte voneinander entfernt.

    Es ist schon ziemlich stürmisch, als wir auf der Auffahrt zum Highway stehen und unseren Arm heben zum Trampen. Ein Zug oder Bus fährt leider nicht nach Waikanae, so bleibt uns nur diese Möglichkeit. Nieselregen setzt ein und im Moment sieht es so aus, als ob alle bei diesem schlechten Wetter schnell nach Hause wollen. Ein Auto nach dem anderen rauscht an uns vorbei. Ich bleibe trotzdem zuversichtlich. Plötzlich hupt es und ein Auto auf der Gegenfahrbahn wendet und hält an. Wir rennen hin und steigen ein. Es ist Rua, der für uns anhält. Er ist Straßenbauarbeiter und hat gerade Feierabend. Er wohnt in Levin, das liegt genau in der Mitte zwischen Palmerston North und Waikanae. Er ist Māori und erzählt uns von seinem Alltag, seiner Familie und seiner Kultur. Als der Regen unerbittlich gegen die Frontscheibe prasselt, sagt er spontan, dass er uns bis nach Waikanae fährt. Das sind 40 Kilometer mehr als er fahren müsste und insgesamt 1 Stunde mehr Fahrzeit. Wir können es gar nicht glauben und es fällt uns schwer, dieses großherzige Geschenk anzunehmen. Aber Rua ist kein Mann der großen Worte. Er fährt einfach weiter, lacht und sagt zu uns, er genieße es auch mal, dem Familien-Trubel zu entfliehen. Er hat 5 Kinder, da ist immer viel los zu Hause. Deshalb spielt er am Wochenende morgens um 5 Uhr Golf mit seinen Freunden, wenn alle bei ihm zu Hause noch schlafen. Bis der Trubel langsam anfängt, ist er längst wieder zu Hause. Als er uns in Waikanae absetzt, raune ich Danny zu, dass er Rua “was zustecken“ soll. Rua hört das natürlich und weigert sich vehement, was von uns anzunehmen. Es fällt mir sehr schwer, das zu akzeptieren, ohne etwas dafür zu geben. Wir verabschieden uns, die Autotüren knallen zu und da ist er auch schon auf dem Weg nach Levin.

    Wir stehen vor dem Ladengeschäft meiner Cousine. Sie ist Dog Groomer, also Hunde-Frisörin und ich sehe sie durch die Scheibe. Vorsichtig klopfe ich an die Tür. Sie dreht sich um, lacht und bedeutet uns mit einer Geste reinzukommen. Wir begrüßen und umarmen uns herzlich, die Wiedersehensfreude ist groß. Es gibt so viel zu erzählen und obwohl es über 17 Jahre her ist, dass wir das letzte Mal Kontakt hatten, verstehen wir uns auf Anhieb und haben viel Gesprächsstoff.

    Wir verbringen mit ihr und ihrer Familie das ganze Wochenende zusammen und laufen sogar noch ein Stück des Te Araroa Trails gemeinsam: Den Escarpment Track, von Paekakariki nach Pukerua Bay. Er bietet einen atemberaubenden Blick auf die Kāpiti Coastline und Kapiti Island. Wir erklimmen rund 1.200 steile Stufen, laufen auf schmalen Pfaden über Bergkämme und überqueren bei starkem Wind noch 2 Hängebrücken. Das Gefühl auf der Brücke war heftig, wir müssen uns links und rechts festhalten, um nicht „weggeweht“ zu werden.

    Der Abschied ist kurz, denn unser Zug nach Purirua fährt gerade ein, als wir auf dem Bahnhof ankommen. Wir umarmen und verabschieden uns und schon fährt der Zug ab. Am Abend bekommen wir von meiner Cousine noch ein ganz persönliches Geschenk: Sie hat unseren Ausflug mit einer 360 Grad-Kamera aufgenommen und den Film zu Hause geschnitten, bearbeitet und mit Musik unterlegt. So ist ein richtig professionelles Video entstanden, das uns immer an diesen sonnigen Tag und unser Wiedersehen erinnern wird. Ich bin sehr gerührt und dankbar.
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