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  • Day 91

    Gipfelstürmer

    February 18 in New Zealand ⋅ ⛅ 10 °C

    Das junge französische Paar ist zeitig wach. Angenehmer Kaffeegeruch steigt mir in die Nase und alles in mir ruft: „Macht mir bitte gleich einen mit!“. Leider kommt diese Botschaft nicht an, so dass ich mich aus meinem Schlafsack schäle und schnell was überziehe, denn es ist sehr frisch hier oben in den Bergen. Dafür scheint das Wetter heute fabelhaft zu werden, es ist kaum ein Wölkchen zu sehen, nur das erste Morgenrot der aufgehenden Sonne. Ich wecke Danny und frage ihn, ob er mit auf den Hügel kommt, um den Sonnenaufgang zu sehen. Noch etwas verschlafen klettert er aus dem Doppelstockbett herunter und kommt mit mir mit. Einen Sonnenaufgang sehen wir zwar nicht, doch die Bergkulisse im Morgenlicht ist mindestens genauso schön.

    Schnell packen wir unsere Sachen zusammen und sind bereits 7:30 Uhr unterwegs, denn die heutige Etappe ist laut App der schwierigste Teil der Richmond Ranges. Noch spüre ich davon wenig, es geht erstmal entspannt an der Bergkante entlang. Danny immer vorneweg, ich hinterher. Wo ich auch hinschaue, ist die Aussicht spektakulär, ich könnte stundenlang nur dastehen und Fotos machen. Das würde den Abstand zu Danny aber weiter vergrößern, also halte ich mich ran und versuche, aufzuschließen.

    Auf Geröll und losem Untergrund steigen wir langsam immer weiter nach oben. An einem besonders schönen Aussichtspunkt legen wir unsere Rucksäcke ab und machen ein kleines Picknick. Außer uns ist niemand weiter da, wir haben eine super Fernsicht und blicken auf Berge und Felsformative. Es scheint, als würden sich sämtliche Probleme, die man so im Alltag mit sich rumschleppt, hier oben in Luft auflösen.

    Danach laufen wir weiter Richtung Old Man Hut, wo wir die letzte Cola trinken, die Danny mit in die Berge geschleppt hat. Erst habe ich mich darüber aufgeregt. Aber es geht wirklich nichts über einen guten Schluck Cola, wenn man einen extra Energie-Kick und ein bisschen Motivation braucht.

    Unser Weg führt weiter durch den Busch und dann über die Buschlinie zum Gipfel des kleinen Mount Rintoul auf 1643 Höhenmetern. Zwischendurch müssen wir immer mal wieder klettern und über Geröllhaufen nach oben steigen. An manchen Abschnitten habe ich große Angst, abzustürzen oder daneben zu treten. Doch genau da, wo es wirklich etwas kritisch wird, weicht Danny nicht von meiner Seite und hilft mir über die Felsvorsprünge zu klettern. Im Großen und Ganzen ist bis hierhin noch alles ok. Und in meiner Naivität denke ich, die Etappe sei so gut wie geschafft, schließlich bin ich ja oben. Genau, aber eben nur oben. Und nicht ganz oben. Denn jetzt kommt noch ne Schippe obendrauf.

    Wir blicken auf einen gegenüberliegenden Felsen, auf dem an der linken Seite eine kleine Mini-Spur zu erkennen ist. „Da schicken die uns nicht rauf. Da sind doch gar keine Pfähle“, sage ich noch zu Danny. Er schaut erst auf die App und dann mitleidig auf mich. „Ich fürchte, doch.“ Fassungslosigkeit macht sich in mir breit, gepaart mit Angst. Ernsthaft? Da rauf? „Sieht doch erstmal ganz entspannt aus. Geht geradeaus hoch, ist machbar“, sagt Danny und dann läuft er auch schon los. Ich dackele mit einem flauen Gefühl im Magen hinterher.

    An Aussicht genießen ist jetzt nicht mehr zu denken, denn ich muss bei jedem Schritt genau hinschauen, wohin ich trete. An einem sehr steilen Geröllfeld klettern wir hoch, zuerst Danny, dann ich. Die Steine geben immer wieder unter unseren Füßen nach. Ich habe das Gefühl, jeden Moment eine Steinlawine auszulösen, die mich mit nach unten reißt. Endlich oben angekommen, können wir erstmal verschnaufen. Auf der Kante läuft es sich super und anscheinend haben hier schon mal besonders mutige Wanderer gezeltet. Ein Windschutz aus Steinen im Halbkreis ist hier aufgebaut.

    Der Weg nach unten ist leider genauso unwegsam und unangenehm. Wir schlittern und rutschen auf losen Steinen nach unten. Mehrfach falle ich hin. Zum Glück bin ich darauf vorbereitet und lande jedes Mal auf meinem Allerwertesten. Ein spitzer Stein gräbt sich tief in meine Haut und hinterlässt einen großen lila-grün-blau gefärbten Fleck.

    Die Schlittenfahrt ist genau 17:30 Uhr zu Ende. Wir erreichen fix und foxi die Mount Rintoul Hut. Das junge französische Paar ist schon seit Stunden da und hat sich in der Hütte ausgebreitet. Wir beschließen, unser Zelt aufzubauen, damit wir genug Raum und Platz für uns haben. Unsere Rucksäcke lassen wir wie immer draußen unter dem Vorzelt, diesmal sehr zur Freude von Familie Maus. Der Müll, denn Danny seit Tagen mit sich rumträgt, hat sie vermutlich angezogen. Doch Danny ist viel zu müde, um sich über angefressene Mülltüten Sorgen zu machen. Er liegt schon schon friedlich vor sich hin schnarchend in seinem Schlafsack und träumt von einem großen Bier, wenn wir wieder in der Zivilisation angekommen sind.
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