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  • Leuchttürme der Alpen

    September 16, 2020 in Switzerland ⋅ ☁️ 11 °C

    Am nächsten Morgen wache ich auf und die Berge stehen scheinbar immer noch in Flammen. Dabei kann man sich ganz schnell vergessen, ehrlich! Doch ich darf heute nicht trödeln. Habe später noch einen Termin. Und der Tag hat nun einmal auch immer nur 24 Stunden. Auf meinem Weg hoch in die Berge sagen sich das auch einige Andere. Natürlich darf das Radfahren nicht zu kurz kommen. Aber ich bin noch nie auf die Idee gekommen noch vor dem Frühstück 30km bergan zu fahren und oben nach über tausend Höhenmetern umzukehren weil ich dann doch mal ins Büro muss. So geschehen bei jenem Radfahrer den ich hier getroffen habe. Er meint jetzt im September hat er wieder Luft zum Atmen. Die paar Kilometer fährt er locker in 1:15h. Und die Abfahrt verhindere dass er vollkommen durchgeschwitzt im Büro ankommt. Im Sommer sei so ein Hobby vor der Arbeit unmöglich. hunderte Caravans und Autos die nicht wüssten wie breit die Straße wirklich ist versperrten durch und durch die Straßen. Die Abgaswerte seien schlimmer als in der Stadt. Da fährt er nicht gern. Jetzt habe er die Straße früh ganz für sich allein bis die Motoradfahrer ausgeschlafen haben.
    Zwei Minuten durchatmen, ein Schluck aus der Pulle und weg ist er wieder. Jedenfalls glaube ich ihm dass er das nicht zum ersten Mal macht. So besessen sah er gar nicht aus. Vor mir steht indes schon der nächste Leuchtturm an diesem Tag. Kein Spitzensportler, ein echter Leuchtturm. Mittlerweile ist das Mittelmeer näher als die Nordsee. Und zweihundert Meter entfernt liegt auch ein kleiner Gletschersee. Aber ein Leuchtturm? Hier oben? Der Leuchtturm Rheinquelle ist auf über 2000m der höchstgelegene Leuchtturm der Welt der ebenso noch funktionstüchtig ist, auch wenn er hier nie zu diesem Zweck aufgestellt wurde. Wie ich später noch erfahren sollte gibt es tatsächlich Kajakfahrer die sich hier hoch verirren. Für viele Touristen markiert er die Rheinquelle. Ein paar wenige laufen die zwei Stunden bis hinein ins tatsächliche Quellgebiet. Jeder der wenigstens hundert Franken spendet erhält sogar seinen eigenen Leuchtturmschlüssel für die schöne Aussicht und trägt zu seiner Erhaltung bei um die sich hier ein Verein gebildet hat. Ein sehr schöner Zwischenstopp wie ich finde aber auch nicht mehr. Der Tag ist noch zu jung und ringsum niemand anderes zum Verweilen.
    Durch das Gotthart-Massiv geht es in Richtung Furka. In früher Zeit gab es keine Tunnel quer von Nord- nach Südeuropa. Weder Autobahn noch Zug. Die römischen Armee, die Reisenden und erst recht die Anwohner vor Ort mussten sich ihren unwegsamen Weg über die Berge bahnen. Heute ist er nicht minder unwegsam. An wichtigen Etappenzielen stehen alte Hotels und Rasthäuser mit langer Geschichte. Heute schläft hier keiner mehr, außer vielleicht im Camper nebenan. Die Schweizer lieben das! Kleiner VW-Bus, oben mit Dach Zelt zum Schlafen, unten mit Sitzecke und Küchenzeile. Was braucht es mehr? Ach ja, Hightech-Kletter- und Fotoausrüstung. Damit ist das Auto meist ganz von allein voll. Bei so einem grandiosen Panorama braucht es aber auch nicht mehr! Dazwischen haben sich zwei Radfahrer mit Zelt verirrt. Noch ein Sturmzelt drüber damit der Kaffeekocher vor lauter Sturm auf dem Pass oben nicht ausgeht, so wie es mir erging. Sämtlicher Windschutz hilft nichts. das zweite Frühstück bleibt heute kalt. Als ich komme sind die beiden noch mit Ihrem Frühmorgen-Yoga beschäftigt. (Der Moment in dem ich mich früh auch immer vergesse und bevor die Beine sagen dass man heute vielleicht doch nicht so kraftvoll ist wie man sich fühlt.)
    Gemeinsam mit einem Motorradfahrer entschließe ich mich auf einen kleinen Fußmarsch. Wo auf der einen Seite des Felsmassivs der Rhein entspringt. Fließt auf der anderen die Rhone von einem Gletscher ab. Es ist nicht der Größte aber ein sehr guter Vorgeschmack was mich an diesem Tag noch erwartet. Natürlich tut es weh zu sehen wie die Gletscher schmelzen und immer, immer kleiner werden. Aber hier und jetzt im Sonnenschein strahlt diese Majestät aus Eis erhaben über alle Gipfel.
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