• Eine Nacht im Dschungel

    29 de abril de 2023, Brasil ⋅ ⛅ 33 °C

    Die Nacht verbrachten wir natürlich in Hängematten, bevor wir morgens um 5 Uhr vom Hahn geweckt wurden. Keine Sekunde zu früh, denn wir mussten los für den Sonnenaufgang. Nach einem ausgiebigem Frühstück ging es wieder auf den Fluss, noch etwas tiefer in den Wald hinein, wo wir die grössten Bäume besichtigten, die es in diesem Bereich des Dschungels gibt. Bis zu 70 Meter ragen diese Riesen hier aus dem Boden. Auch auf ein Bad im Fluss konnten wir bei 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von gefühlt 99% nicht verzichten. Wir sprangen von dem wackligen kleinen Kanu in die Richtung, wo wir eben noch Delfine sahen.
    Nur Billy blieb im Boot. Weil er sein Leben liebt, wie gesagt. Dafür aber trank Billy über drei Tage hinweg ausschliesslich das braune, dreckige Flusswasser. Ich liess das bleiben, denn ich liebe mein Leben auch.

    Nach dem Mittagessen in der Lodge, mussten wir unsere Hängematten abbauen, denn nun ging es noch tiefer in den Dschungel. Nach etwa zwei Stunden auf dem Wasser erreichten wir unser Nachtlager, wo wir gerade noch genug Zeit hatten, die Hängematten und Mückennetze aufzuhängen und etwas Feuerholz zu suchen, bevor es eindunkelte. Die perfekte Zeit um Piranhas zu fischen.
    Mit Angelruten und Hühnerhaut ausgerüstet machten wir uns wieder auf und zogen in Ufernähe rund zehn Fische aus dem Wasser, denen Billy jeweils genüsslich in den Kopf biss, bis es knackte und den Fischen die Augen aus dem Kopf ploppten. „Beiss sie, bevor sie dich beissen“, lehrte uns Billy mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht die nächste Dschungelweisheit.
    Nach der erfolgreichen Jagd, war es schon stockfinster. Billy hatte zwar eine Stirnlampe mitgebracht, doch ich sah überhaupt nichts mehr. Nur die unheimlichen Geräusche des Dschungels umgaben mich. Hier und da hörte man das dumpfe Grummeln der Kaimane irgendwo im Gebüsch.
    Billy gab mir das Paddel und stellte sich selbst an die Spitze des kleinen Kanus. Ich paddelte, obwohl ich nicht sah wohin. Plötzlich gebot mir Billy mit einer Handbewegung innezuhalten. Beherzt griff er ins dunkle Wasser und nach ein paar Sekunden Kampf zog er einen kleinen Kaiman aus dem Wasser und streckte ihn mir hin. Das kleine Kerlchen war höchstens ein Jahr alt. Die grössten Kaimane hier werden bis zu sechs Meter lang und können ein Gewicht von einer halben Tonne erreichen. Für Menschen sind sie aber grösstenteils ungefährlich. Zumindest gebe es keine Berichte über Tote nach einem Angriff, meinte Billy. Die Tiere würden nicht unter Wasser jagen. “Wenn du angegriffen wirst, musst du also einfach immer wieder abtauchen. So oft du kannst!” Gut zu wissen.

    Mit einem Baby-Kaiman in der Hand machten wir uns schliesslich auf den Rückweg, den ich nicht einmal bei Tag gefunden hätte. Auf dem Weg zeigte uns Billy noch eine Boa, die auf der Jagd nach Fledermäusen war und die ich ebenso wenig gesehen hätte, wie den riesigen Fisch, der Billy vom Boot aus in der stockfinsteren Nacht mit einem Speer erlegte.
    Wieder zurück im Nachtlager machten wir Feuer, nahmen die Fische aus und kochten uns Abendessen. Denn an diesem Tag, mitten im Dschungel fernab von Zivilisation, gab es nur zu essen, was man fing.
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