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  • Day 17

    Moskau putzt sich heraus

    June 4, 2017 in Russia ⋅ ⛅ 11 °C

    Nach 7964 Kilometern auf Schiene, einer letzten Nacht im Bett des Schlafwagens, wo um vier Uhr morgens bereits die Sonne durch das Fenster hinein blinzelte, trafen wir auf die Minute genau in Moskau ein.

    Schon eine Stunde ausserhalb dieser Grossstadt reihte sich Hochhaus an Hochhaus, gebaut im typischen, schnörkellos schlichten Stil des Kommunismus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Es war damals kein Wohneigentum der darin lebenden Bevölkerung, der Staat hatte sie erstellt und teilte ihr die Wohnungen zu, welche dann höchstens innerhalb der Familien weitergegeben werden konnten, ansonsten aber wieder an den Staat zurück gingen für die Nächsten auf der Warteliste. Erst in den Neunzigerjahren, mit dem Zerfall des Kommunismus in der Sowjetunion wurde das Privateigentum für Wohnraum eingeführt. 12 Millionen Menschen leben heute offiziell in Moskau, 14 Millionen sind es scheinbar inoffiziell.

    Welch ein Kontrast zu diesen grau-beigen, quadratischen, mehrfach nebeneinander kopierten Wohnblocks dann im Stadtzentrum. Für die riesige unverkennbare Kremlanlage, die plötzlich vor uns auftauchte, und mit ihren mächtigen roten Mauern und Türmen, hoch über dem der Stadt den Namen gebenden Flusses Moscow, einen überwältigenden Anblick bot, zeichneten italienische Architekten verantwortlich. Diese waren aufgrund einer damals geschickt eingefädelten Ehepolitik der Zarendynastie ins Land gekommen und bauten diesen bekannten Befestigungsring um den Regierungssitz.

    Gleich daneben, in einem noch grösseren Kontrast zur im Vergleich dazu richtig trostlos erscheinenden Architektur des Kommunismus, die Basilius Kathedrale, mit den bekannten Zwiebelkopftürmen in den leuchtenden Farben blau, grün und weiss. Auch wenn zwischendurch noch Gottesdienste in einem der Türme stattfinden, wird dieses Wahrzeichen von Moskau heute vor allem als Museum für die Ikonenmalerei Russlands verwendet. Es hatte für mich etwas Ehrfürchtiges, am frühen Morgen des Pfingstsonntages durch die so wunderschön ausgeschmückten Hallen der Kathedrale zu laufen und die farbenstark gestalteten, goldig leuchtenden Bilder der Märtyrer und Heiligen auf mich wirken zu lassen.

    Als dritter Architekturstil fielen mir auf der nachmittäglichen Stadtrundfahrt noch die Bauten Stalins auf, der es liebte auf allen Gebäuden noch irgendwelchen Statuen oder Verschnörkelungen zu platzieren. Dieser tyrannisch herrschende Regierungschef, der durch seine politischen Säuberungen soviel Leid über Russland brachte, aber trotzdem immer noch eine Beliebtheit zu geniessen scheint, leitete grosse Bauprogramme in Moskau, um in dieser so schnell wachsenden Stadt, viel Wohnraum zu schaffen.

    Der Übergang mag nun etwas abrupt sein: Auch Staatspräsident Vladimir Putin lässt gegenwärtig in Moskau überall die Baumaschinen auffahren. Die grossen Boulevards werden über Kilometer neu belegt, die öffentlichen Plätze saniert und nebst der Basilius Kathedrale entsteht gar eine neue, riesige Parkanlage. Ein Bauprogramm, das jedoch exakt heute in einem Jahr fertig sein muss, denn dann startet in Russland die Fussball-WM 2018 und für diesen Prestigeanlass putzt sich das Land gerade unübersehbar heraus, nicht nur in Moskau.
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