• Rastete

    Oct 21–22, 2024 in Germany ⋅ ☁️ 14 °C

    3.038 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 133 km/ Gesamt 368.469 km / Ø121,28 km)

    Landvergnügenhof
    26180 Rastete
    Deutschland

    Sonnenaufgang um kurz nach acht, lese ich, es ist noch ganz dunkel, wenn ich den Vorhang hochschiebe. Aber das stimmt natürlich nicht, weil der Morgen graut. In den Bauernhäusern hinter der Weide brennt Licht, das ebenfalls durch die Nacht von der nahen Autobahn hergeistert.

    Ich ertappe mich, wie ich in einer verseuchten Welt Gemüse stehle, um Menschen zu helfen, die abseits leben müssen. Und fahre dann doch zurück, um den Schaden zu begleichen, weil ich mich schäme. Als ich aufwache, sind Rücken und Brust verspannt. Hilde liegt hechelnd neben mir, als ich sie streichele, beruhigt sie sich und schläft wieder ein. Auch Hunde träumen schlecht.

    Vielleicht sind es die Vollmondnächte, die uns im Schlaf besuchen. Vielleicht die vielen Eindrücke, die Stille um uns herum, die eine Spannung, eine Anspannung verursacht, das nahe Meer.

    Ich spüre schon lange, dass ich nicht dauerhaft am Meer sein kein, der fliehende Himmel, der verschwindende Horizont, die unendliche Wasserfläche.

    Ich brauche einen regelmäßigen Wechsel der Landschaftsformen, als würden meine Sinne eine Lebensform nicht aushalten.

    Der Wechsel von Witterung dagegen beeindruckt mich sehr. Regen, Nebel, Sonnenschein, Sturm, in der nächsten Nacht regnet es wieder. Es sei ungewöhnlich warm für die Jahreszeit. Immer scheint etwas Unerwartetes zu passieren, dass eine stabile Wetterlage nicht möglich macht. Und uns so mit sich reißt. Nie bist du vernünftig angezogen, entweder fröstelt es mich, oder mir perlt der Schweiß über den Nacken.

    Hilde beginnt läufig zu werden. Einen Monat zu früh, was auch an den jahreszeitlichen Verstimmungen liegen kann. Seit wir den Vorhang am Heck dauernd geschlossen halten, fühlt sie sich dort viel ungestörter. Sie legt sich öfter schon unterwegs in ihre hinterste Ecke. Unser Höhlenverhalten, das mir auch nicht fremd ist.

    Schon seit meiner Kindheit habe ich dunkle Räume aufgesucht, in denen ich mich wohl gefühlt habe. So ist meine Einsamkeit mir durchaus ein guter Ort. Abends, eine kleine Kerze, Stille. Nachdenken.

    Tagsüber sind wir im goldenen Herbst unterwegs. Der kurze Wetterumschwung verändert auch die Natur. Vor wenigen Tagen noch viel Grünes, jetzt wird das Laub gelb und flattert lustig im leichten Wind. Alleen werden zu Phantasiewegen, auf denen Kutschen mit Pferden fernen Zielen zustreben, leichtes Glockengeläut verliert sich im Wind.

    Wir fahren im Land hoch nach Butjadingen, die Straßen ähneln unebenen Feldwegen mit Wurzeln, immer wieder bricht eine Asphaltplatte nach rechts weg, als habe ein Blinder den Straßenbau betrieben. Vermutlich mögen die Ansässigen die Situation nicht ändern, weil die Höchstgeschwindigkeit dem eines Fuhrwerks ähnelt.

    Mir kommt die Situation zurecht. So kann ich schauen und genießen, denn außer uns fährt hier niemand. Oberhalb von Tossens kommen wir nach Ruhwarden. Langwarden. Biegen ab zum Deichweg. Fedderwardersiel, Burhave.

    Der Aussichtspunkt oberhalb vom Flugplatz. Die Skyline von Bremerhaven im Licht über dem Rücken der Schafe. Blexen. Die Kirche am Ende des Deichweges. Dann über die Fährstrasse zur Weser. Das bekannte Restaurant "Weserschlößchen" an der Fähre.

    Schlafplatzsuche. Am Ende fahren wir ins Landesinnere zu diesem Hof. Einkauf im Hofladen, unser Abendspaziergang, dann kommt die Nacht. Und der neue Morgen. Und was für ein unglaubliches Geschenk platzt da aus dem Himmel heraus. Seh es selber!
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