• Urau

    Jan 9–10 in France ⋅ ☁️ 12 °C

    3.118 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 150 km/ Gesamt 378.155km / Ø121,28 km)

    Wohnmobilstellplatz
    31260 Urau
    Frankreich

    Während ich am Abend meine Sachen erledige, fällt mir auf, dass ich eigentlich die ganze Zeit beschäftigt bin. Es sind Kleinigkeiten, wie das Zubereiten von Hilde's nächtlicher Mahlzeit, oder dem Umbau des Busses für die Nacht, dem Einstellen von Bildern des Tages in Status und Storys, oder meiner Versorgung mit Medizin. Aber jedes Ding will Weile haben, wie die Oma immer sagte, wenn ich als kleiner Junge so ungeduldig war.

    Das verstehe ich jetzt, wobei die Oma die Fallstricke des Internets nicht kannte, und stattdessen Topflappen häkelte. Nur keine Muse aufkommen lassen, denn dann kommt man schnell ins Grübeln und vielleicht auch ins Trauern. Muse im alten Sinne meiner Kindheit war dieses tiefe Nachdenken, was wir heute vielleicht mit depressiven Gedanken beschreiben.

    Die Oma wollte nicht nachdenken über den Mann, den sie im ersten Weltkrieg verloren hat, und dem sie letztendlich ihr Leben lang treu war. Also besser mit dem kleinen Jungen spielen, der ihr auf eine andere Art zugeflogen ist. So bin ich also der Vogel geblieben, der kommt und geht, ruhelos und heimatlos.

    Nur dass mit dem Wegsperren der Gedanken habe ich nicht gelernt. Sie sind immer da, ob ich meine kleinen Aufgaben erledige, oder durchs Land reise auf den Spuren der Katharer damals, und den Reisen anderer Menschen heute.

    Überraschenderweise befinden wir uns zwischen den hohen Bergen und dem Land um Toulouse auf einer Ebene der höchsten Tagestemperaturen. Knackige 16°C und angenehme Lichtverhältnisse begleiten unseren Wege über Puivert, Belésta - von dort hätte ich direkt nach Montségur fahren können - Les Chaubets Saint Nestor, von wo ich dann zum Chateau Montségur abgebogen bin. Allerdings auch zurück fahren musste, weil ich nicht höher in die Berge kommen wollte.

    Aber erstmal über den gleichnamigen Pass auf 1059 Metern, denn von dort hast du den besten Blick auf den Knubbel, von dem jetzt eine Ruine blickt.

    "Der Montségur (okzitanisch „sicherer Berg“) ist ein 1207 m hoher felsiger Berg am Nordhang der östlichen Pyrenäen, etwa 20 km südöstlich der Stadt Foix, im Norden der Gemeinde Montségur im Département Ariège der Region Okzitanien in Frankreich. Auf seinem Gipfel stand die Katharerburg Montségur, die wohl bekannteste Burg der Katharer. Der später an ihrer Stelle errichtete Festungsbau ist heute eine Ruine...

    Im Hochmittelalter befand sich eine Gipfelburg auf dem kuppelartigen Felsen, dem Pog, die Mitte des 12. Jahrhunderts in verfallenem Zustand war. Um das Jahr 1204 ließ Raimund de Péreille sie wiederaufbauen und 1232 die Befestigung der Höhensiedlung verstärken. Im selben Jahr wurde auf Beschluss des Katharerbischofs von Toulouse, Guilhabert de Castres, Montségur Sitz und Hauptstadt der katharischen Kirche.

    Nach dem Albigenserkreuzzug (1209–1229), den Papst Innozenz III. gegen die als häretisch betrachtete Glaubensgemeinschaft der Katharer in Okzitanien initiiert hatte, wurde die Burg Montségur das wichtigste Refugium der katharischen Gemeinde...

    Daraufhin wurde der Montségur 1243 unter Führung des königlichen Seneschalls von Carcassonne durch Soldaten sowie Kreuzritter des Erzbischofs von Narbonne in Angriff genommen und belagert. Die Belagerten mussten im Frühjahr 1244 nach zehn Monaten Widerstand aufgrund von Nahrungsmangel und militärischen Niederlagen in Übergabeverhandlungen eintreten...

    Die Bewohner der Burg wurden vor die Wahl gestellt, entweder ihrem Glauben abzuschwören oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden. Am Morgen des 16. März 1244 wurde die Burg nach einem Waffenstillstand von zwei Wochen an die Belagerer übergeben. 225 Katharer unter ihrem Bischof Bertrand Marty wurden verbrannt, weil sie die geforderte Unterwerfung unter den katholischen Glauben verweigerten..."
    (Wikipedia - Die ganze Geschichte ist es wert zu lesen).

    Eigentlich war die Burg gar nicht auf meinem Reiseweg, dh im Grunde genommen wusste ich am Morgen nicht mal, wohin uns der Weg führen würde. Wir fahren einfach nach Westen, und das lag auf unserem Weg. Foix war ein Ziel wegen dem Stellplatz, auf den ich nicht näher eingehen will, nur soviel, dass die Photos in der App sehr viel dazu beitragen, die Reisenden in die Irre zu leiten.

    Das passiert mir dann nochmal in Castelnau-Durban, wobei man dort zur Not hätte übernachten können, aber es lag halt auf dem Weg, und tatsächlich unterhalb der stark befahrenen Straße. Als ich Urau sehe, fällt mir ein, dass wir hier schon mal übernachtet haben. Und so hoffe ich auf eine gute Nacht.

    Nette französische Nachbarn, ein großartiger Sonnenuntergangshimmel, dem sich eine sternklare Nacht anschließt, die wieder kalt wird, aber ruhig ist. Die Warnung der Franzosen vor den großen, streunenden Dorfhunden lässt uns vorsichtig sein, und im Hellen ein bisschen tiefer ins Tal zum Morgenspaziergang fahren.

    Die Nachbarn sind auch schon früh unterwegs. Das Ehepaar vor uns lebt hier seit zwei Monaten, zwischen zwei Arbeitsverträgen sozusagen. Er fährt große Bagger, und sie arbeitet als Ingenieur, beide mit Zeitverträgen. Auf diese Art reisen sie durchs Land und sparen sich eine Wohnung, denn der Stellplatz ist kostenlos.

    Immer wieder treffe ich in Frankreich diese Art von "Wanderarbeitern", sei es in der Industrie oder auf den Bauernhöfen, in den Weinbergen. Da dient der Camper zum Leben und nicht unbedingt zum Reisen, zumindest nicht in ferne Länder. Ausländer wie wir sind in diesen Regionen seltener unterwegs, den Tag über habe ich nur wenige Camper gesehen, und ausschließlich Franzosen. Aber sie sind freundlich zu uns, das tut uns gut.

    Die Nacht ist ruhig, der Morgen erwacht in grau, windstill, und trocken. Das Meer ist noch drei Tage entfernt, dann sollen die Temperaturen nochmal kurz ins Minus fallen. Eis und Schnee am Atlantik hat es vermutlich schon lange nicht mehr gegeben. Vielleicht machen wir dann doch noch einen spanischen Abstecher, denn da scheint der kalte Strom vorbeizuschleichen.

    Auf jeden Fall geht es uns gut. Meint Hilde auch, und hofft, dass wir heute auch schöne Spazierwege finden.
    Read more