• Vinstra

    Jul 19–20 in Norway ⋅ ☀️ 22 °C

    Gedankenkarussel. Schlimme Nacht. Wach noch um 3.11 Uhr. Vielleicht Vorhofflimmern. Kann mich kaum konzentrieren, nicht einschlafen, überhaupt nicht hinlegen. Der kühle Wind weht um die Häuser. Und schläft dann ein. Motorradfahrer. Wochenende in der Kleinstadt. Hier in der Gegend habe ich mal gelebt. Im Sommer. Vor 53 Jahren. Manchmal holen dich die Geister ein.

    Ich nehme mir vor, nicht nochmal eine Nacht hier zu verbringen, definitiv werde ich das Land weiter nördlich über Schweden verlassen. Auf der nächsten Reise.

    Dabei fängt der Tag spektakulär an. Mit riesigen Bergen und langen Wasserfällen auf der Strecke zwischen Andalsnes Richtung Dombas. Wildwasserflüsse überschlagen sich. Nördlich von Burlia, ich hatte gerade in einem Naerbutikken groß eingekauft, weil ich den Bus mit Hilde im Schatten parken konnte, der Abzweig zum Wasserfall Sagelva, den wir mit einer Brücke queren können. Geteilt in oben und unten. Mit grünem Wasser im Auslauf.

    Dombas. Otta. Zwischendurch ein Badezimmer für Hilde im Fluss. Seit dem frühen Morgen fahre ich eingeweichte große Handtücher in Hilde's Eimer herum. Jetzt wasche ich sie aus, fülle in Otta neues Wasser ein, noch eine Nacht einweichen. Und in der Hitze trocknen.

    Beim Einkaufen habe ich eine Art norwegischen Baguette mitgebracht, das auf der Fensterbank für Hilde trocknet. Neue Möhren für sie gekauft, abends geschält und eingetütet. Endlich wieder Käse und Joghurtdrink, Säfte. Ich trinke zu wenig und schwitze zuviel. Immer der gleiche Kreislauf.

    Später an der Sjoa noch ein zweites Bad für Hilde. Alle Plätze besetzt, sodass für Schafe kein Raum mehr bleibt, und der Fluß nur noch lückenhaft zu sehen ist. Die E6 eine Autobahn voller Reisender inmitten Norwegens. 291 km nach Oslo, dreihundertfünfzig zur Grenze. Das geht jetzt ganz schnell, selbst wenn ich das nicht will.

    Habe an einen Abstecher ins Gebirge Jotunheimen gedacht, das liegt aber im Landesinneren. Und macht keinen Sinn mehr. Ist wie noch ne Runde und noch eine im Kreisverkehr des Lebens. Wie ein Kind, das weiter spielen möchte, weil die Mutter ruft zum Schlafen gehen. Sich versteckt im Reich der Phantasie.

    Ich erinnere mich an einen Song von John Stewart, Pirates of Stone County Road. Das erste Mal habe ich das mit einem Studienfreund 1974 gehört. Wir hatten gekifft und das ganze Album aufgelegt. Als die Frauenstimme ihren Sohn ruft, war ich in meiner Kindheit angekommen. Das kann ich immer noch nicht abschütteln. Wache manchmal aus einem tiefen Schlaf auf und möchte meiner Mutter von meinen Abenteuern erzählen. Erst dann fällt mir auf, daß sie seit vierzig Jahren tot ist. Merkwürdig.

    https://youtu.be/b9IKQfu0jbs?si=A4MS5pB8dKNAJ_JF

    Für Hilde gibt es am Abend den letzten Fisch, den Anna für sie vor Tagen zubereitet und gekocht hat. Jetzt riecht er wieder nach Meer. Die netten Menschen sitzen immer noch am kleinen Hafen zusammen. Keiner hat es eilig, jeder hat noch ein Stückchen Norden im Gepäck. Nur wir nicht.

    Langer Abendspaziergang. Noch eine kleine Fahrt hoch zum Feforsee am Peer-Gynt-Weg oberhalb von Vinstra, wo die Stadtbewohner spät zum Baden gehen, die Luft immer noch mild ist. Ein Blick ins Tal auf den See mit blauem Wasser. Ein letzter Abschied.

    Die Vergangenheit in die Falten der Zeit zurücklegen. Vielleicht hat mich das die halbe Nacht beschäftigt. Jetzt ist ein neuer Tag, und wir legen ab die Sorgen des Gestern, bekleiden uns mit der Vorfreude auf Heute, der sehnsuchtsvollen Erwartung des Morgen.

    Parkplatz (frei)
    Google Code
    HPRC+FF9 Lomoen, Norwegen
    Read more