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  • 2200 km quer durch Anatolien

    November 7, 2021 in Turkey ⋅ ⛅ 26 °C

    Nachdem wir die Türkei erreicht haben, verbrachten wir eine Nacht in der Nahe der Grenze gelegenen kleinen Stadt Hopa - direkt am Schwarzen Meer.
    Von dort ging es dann am Mittwoch mit dem Bus durch eine unglaubliche Landschaft.
    Im Norden der Türkei befindet sich das pontische Gebirge, deren östlichste Ausläufer die Kackar-Berge bilden.
    Wir sehen zu Beginn Hänge mit Teepflanzen für den in der Türkei sehr beliebten Çay (Schwarztee), riesige Staumauern und daraus entstehenden Stauseen, die sich fjordartig weit in die Bergtäler hineindrängen. Ganz anders als noch in der Südkaukasusregion dominieren hier schroffe Felsformationen und enge Canyons das Landschaftsbild.
    Und nach einigen Stunden Busfahrt lassen wir die felsigen Berge hinter uns und vor uns breitet sich ein von Steppe geprägtes Hochland mit einer unglaublichen Weite aus. Wir fahren an von Landwirtschaft dominierten Dörfern vorbei. Zwischendurch ist auch mal ein Schlepplift zu entdecken, bis wir schließlich in der nordostanatolischen Provinzhauptstadt Kars - die auf etwa 1750 Höhenmetern liegt - ankommen.

    Tags darauf besuchen wir die Ruinenstadt Ani (UNESCO Weltkulturerbe) an der türkisch-armenischen Grenze. Vor den Toren des Besucherzentrums weht eine türkische Flagge im Wind und wir durchschreiten die kommenden drei Stunden das 250 Hektar große Gelände der ehemals armenischen Hauptstadt, die in ihren Hochzeiten bis zu 100.000 Einwohner fasste. Die „Stadt der 1001 Kirchen“ lag an der historischen Seidenstraße und stellte einen wichtigen Ort für Händler und Reisende dar.
    Die geographische Lage der Stadt ist beeindruckend. Rundum findet sich nur ein gleichbenanntes kleines türkisches Dörfchen, ansonsten nichts als Landschaft. Die ehemalige Stadt an der Seidenstraße wird an drei Seiten von einem tiefen Graben und Flüssen umsäumt und an der verbleibenden Seite schützt sie nach wie vor eine doppelstöckige Festungsmauer, die nötig war um sich vor Belagerungen - von denen es so einige gab - zu schützen.

    Es gibt Gebäudereste, die bereits 2400 Jahre alt sind. Die mittlerweile seit drei Jahrhunderten verlassene Stadt blickt auf eine wechselhafte Geschichte zurück. So beanspruchten Armenier, Perser, Kurden, Georgier, Russen, Mongolen, Seidschuken und Türken das Gebiet für sich und eine Vielzahl von ihnen hat ihre Spuren in Form von Gebäuden und insbesondere von Kirchen und Moscheen hier hinterlassen. Es ist faszinierend und in Wahrheit nur schwer vorstellbar, dass es hier einst eine so blühende und lebendige Stadt gegeben hat.

    Wir kehren zurück nach Kars und setzten uns tags darauf in den dogu express dem Zug von Kars nach Ankara. Wir buchten uns ein eigenes 4er-Abteil im Liegewagen. Die Liegewägen unterliegen einer Geschlechtertrennung und so war das nach Rücksprache mit der Zuggesellschaft, die einzige Möglichkeit, dass wir die über 1000 km und letztlich fast 30 Stunden lange Zugfahrt im gleichen Abteil verbringen konnten.
    Überraschenderweise spricht unser Schaffner sogar Deutsch. Er erzählt uns, dass er in Deutschland aufgewachsen und dort zur Schule gegangen sei. Seit mittlerweile dreißig Jahren würden er und seine ganze Familie nun wieder in der Türkei leben.
    Die gemächliche Zugfahrt führte uns wunderbar die Größe dieses sehr schönen Landes vor Augen. Alle paar Stunden durchqueren wir größere Städte, wie Erzurum, Erzincan oder Sivas. Ansonsten wirkt das Land hier dünn besiedelt und wir dürfen eine sehr beeindruckende Landschaft bestaunen.

    Am Samstag sollten wir nun um 13 Uhr – etwa 4 Stunden später als gedacht – Ankara, die Hauptstadt der Türkei, erreichen. Und da gab es dann für uns beim Aussteigen weit mehr „Action“ als gedacht und als gewünscht.
    Wenn man sich so Berichte von Reisenden durchliest oder sich erzählen lässt, dann hört man sehr häufig davon, dass mal ein Gepäckstück oder der Reisepass verloren geht, einem etwas gestohlen wird oder sonstige nicht so erfreuliche Sachen passieren. Am Samstag dachte ich mir dann, dass es nun bei mir nach fast sieben Monaten auch mal soweit ist, als ich kurz bevor der Zug in Ankara am Bahnhof hält meinen Reisepass nicht finden kann. Das ganze Gepäck und alle Kleidungsstücke werden durchsucht. Auf den Liegen und unter den Sitzen des Abteils lässt er sich ebenso nicht finden und auch unter den Polstern, die sich herausnehmen lassen, taucht der Reisepass nicht auf. Ob er vielleicht beim Abziehen der Bettwäsche mit in den Wäschesack gewandert ist? Claudia sucht nach dem (und jetzt noch viel erfreulicher) deutsch sprechenden Schaffner und auch er durchsucht das gesamte Abteil, bevor wir gemeinsam Wäschesack für Wäschesack durchsuchen. Und währenddessen verlässt der Zug den Hauptbahnhof von Ankara auch schon wieder und fährt weiter zum „Zugbahnhof“ der türkischen Eisenbahngesellschaft.
    Während der ganzen Sucherei dürften Claudia und ich unabhängig voneinander bereits daran gedacht haben, dass wir in Ankara zumindest nicht weit zu einer österreichischen Botschaft haben und ich dort um einen neuen Reisepass ansuchen könnte. Auch beruhigte uns innerlich zumindest der Gedanke, dass wir sowieso vor hatten noch eine längere Zeit in diesem Land zu verbringen.
    All das ging uns halt so durch den Kopf als wir versuchten ruhig und gründlich die Bettwäsche der beiden Liegewägen des dogu express zu durchsuchen. In der Zwischenzeit kamen auch noch weitere Kollegen „unseres Schaffners“ vorbei und schließlich der dritte Schaffner, der unser Abteil nach dem Reisepass absuchte, sorgte bei uns für eine riesige Erleichterung als er meinen Reisepass unter dem Polster der Armlehne hervorzauberte.

    Puuuh… nochmal Glück gehabt!

    Die netten Schaffner der türkischen Bahn, für die das Ereignis zumindest genauso aufregend zu sein schien wie für uns, tauschten sich immer wieder untereinander aus und dazwischen hörten wir dann wieder auf Deutsch: „Neuer Pass kostet viel Geld, mindestens … Lira. Gut aufpassen!“ Bevor sie wieder gemeinsam die Ereignisse der vergangenen halben Stunde angeregt durchdiskutierten.
    Schließlich bot uns unser Schaffner bot uns schließlich sogar an, uns mit in die Stadt zu nehmen und brachte uns direkt zum Busbahnhof. Wir bedankten uns erneut vielmals für ihre so wertvolle Hilfe und sie wünschten uns noch eine schöne Zeit in der Türkei.
    Nach einem stärkenden Mittagessen setzten wir dann unsere Reise mit dem Bus nach Antalya fort. 8 Stunden und einem kurzen Nachtspaziergang später fallen wir müde in unser Bett in einem kleinen Hotel in Antalya.
    Tags darauf fuhren wir nochmals vier Stunden mit dem Bus entlang einer wunderbaren Küstenstraße mit Blick auf das in vielen verschiedenen Blau- und Türkistönen schimmernden Mittelmeer von Antalya in die kleine Stadt Kas.

    In Armenien ist uns klar geworden, dass wir in wärmere Gefilde möchten. Die kalten Temperaturen machen das Reisen einfach auch beschwerlicher und so haben wir bei dem Versuch den kürzesten Weg (ohne Flugzeug) zu finden, in 10 Tagen etwa 63 Stunden in Bussen und Zügen verbracht, um die rund 3400 Kilometer bis an die türkische Riviera zurückzulegen.

    Ehrlicherweise muss ich schon gestehen, dass das richtig anstrengend und manchmal auch echt zäh war.

    Zugleich haben uns gerade diese Fahrten viel von den unterschiedlichsten Landschaftsformen und ihren Übergängen ineinander gezeigt. Wir durften besondere Orte wie das Höhlenkloster von Vardzia oder die Ruinen der ehemaligen Stadt an der Seidenstraße Ani besuchen. Wir lernten die herzliche Katja und ihren Mann Sergej in Achalziche kennen und dürfen nun die Vielfalt des so großen Landes der Türkei erleben. Und dabei lässt sich so gut erfahren, wie die Landschaft, die Geologie, die Geographie und das Klima das Leben der Menschen maßgeblich beeinflusst. Und so haben wir die Veränderungen von der Schwarzmeerküste ins Anatolische Hochland, zur türkischen Hauptstadt und der türkischen Urlaubsregion erfahren dürfen.

    Wir freuen uns jetzt darauf eine längere Zeit hier am Mittelmeer genießen zu dürfen und sind dankbar für das Privileg, dass wir das machen dürfen.
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