• Etappe 6 – die Schöne

    August 15 in France ⋅ 🌙 17 °C

    6:38 Uhr: Auf geht's. Die Nacht war ganz gut, allerdings spüre ich jetzt auch an der Innenseite meinen Knöchel etwas mehr – wahrscheinlich etwas Neues.
    Toll, es sind doch mehr internationale Leute hier als gedacht: Heute Morgen einen Kurden und einen Franzosen kennengelernt, der aus der Türkei kommt. Beide Raucher, sodass ich heute Abend vielleicht mal meine erste Zigarette rauchen kann – denn allein wollte ich nicht.

    Ich bin ganz zufrieden mit meinem Wassersystem: Ich habe zwei 0,5-l-PET-Flaschen. In die eine kommt immer eine Magnesiumcitratmischung und die andere Flasche ist quasi der Reservekanister, der Reserve-Tank für meine Wasserblase. In dieser habe ich dann je nach Etappe 1 bis 2 1/2 Liter. Das Blöde an so einem Camelbag ist, dass man nie genau weiß, wie viel noch drin ist. Daher der Reservekanister.

    Es entsteht irgendwie immer mehr Nähe zwischen den Wanderern beziehungsweise den Gruppen. Wahrscheinlich ist es dieser einfache psychologische Effekt, dass Nähe entsteht, wenn man Leute regelmäßig wieder trifft. Und das ist hier ja der Fall und man sieht sich jeden Abend und jeden Morgen und vielleicht auch noch mal unterwegs. Und so langsam empfindet man Nähe zueinander – es ist mehr als eine Person, die man nur flüchtig zum ersten Mal gesehen hat oder die zufällig den gleichen Weg geht.

    Die Morgenstimmung ist wunderschön. So friedlich. Wenn ich an die armen Leute denke, die gestern diese Etappe noch um 13:00 Uhr gestartet sind und mitten in das Gewitter oder vielmehr: die Gewitter gekommen sind! Es ist unvorstellbar, wie groß der Unterschied ist.

    Vor zwei oder drei Tagen habe ich abends das Gefühl gehabt, dass ich die Magnesium-Tablette nicht richtig geschluckt habe oder mit zu wenig Wasser genommen habe; sie schien mir irgendwie im Rachen hängen geblieben zu sein. Das Gefühl ist geblieben und es ist jetzt ein bisschen runtergerutscht, ich würde sagen, auf knapp unterhalb des Kehlkopfs. Ich wollte es nur einmal für mich festhalten, damit ich mich später erinnere, wann es begonnen hat.

    Es ist jetzt genau 7:30 Uhr, und der Anstieg beginnt. Für die 3,6 km hierher habe ich etwas unter 1 Stunde gebraucht, das sagt auch etwas über die Beschaffenheit des schönen Waldpfads aus.

    7:44 Uhr: Der erste Sattel ist erreicht, aber das war natürlich nur ein kleiner Teil davon.
    Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie es für die Gruppe von Franzosen war, die um 13:00 Uhr weitergewandert ist. Die müssen bei dem krassen Gewitter über diesen exponierten Gebirgsrücken gegangen sein. Der einzige Hoffnungsschimmer, ein Strommast, der hoffentlich die Blitze abfängt.
    Gerade habe ich Elena aus Belarus kennengelernt. Sie ist auch allein unterwegs und will es in 14 Tagen schaffen. Ihre Lieblingsstadt ist Lüneburg.

    8:35 Uhr: Es sind angenehme 19° bei 70 % Luftfeuchtigkeit. Teilweise im Schatten schon frisch, aber da der Weg auch immer wieder in die Sonne kommt, ist es perfekt. Schwitzen tue ich allerdings trotzdem. Ich habe aber auch nur noch circa 100 m Anstieg nach…
    Ganz in der Ferne sieht man das Hotel von letzter Nacht.

    8:40 Uhr. Ich habe den Pass erreicht, aber wo geht es hier weiter? Bin ich sogar falsch?

    8:43 Uhr: Es war nicht *der* Pass, sondern *ein* Pass – weiter geht der Anstieg…

    9:14 Uhr: Jetzt bin ich wirklich am Pass angekommen. Von hier an geht es heute nur noch ganz entspannt bergab. Ich mache jetzt erst mal eine kleine Pause, trinke etwas Magnesiumcitrat und esse ein paar Erdnüsse. Später mache ich dann eine kleine zweite Frühstückspause.

    9:35 Uhr: Das Wetter sieht heute so aus, als könnte es keiner Fliege oder keinem Wanderer etwas zu Leide tun, aber es ist ja auch erst 9:35 Uhr, da kann noch einiges passieren…

    9:45 Uhr: Ich mache eine Frühstückspause am Lac de Nino.

    10:05 Uhr: Und es geht weiter! Zwischenzeitlich konnte ich mal den Satelliten-Messenger nutzen und Steffi bei einer Frage etwas Support geben.

    Ich finde diese Aufteilung, dass man für Notfälle erreichbar ist, aber ansonsten einfach offline bleibt, sehr angenehm. Sehr angenehm ist auch die Landschaft, also der Teil, der sich dem See anschließt – einfach nur malerisch.

    10:55 Uhr: Nach einem sehr leckeren Tiramisu und einem Kaffee in einer neuen Bergerie geht es weiter auf dem Trail. Die neue Herberge sieht sehr nett aus und ich habe mir dort auch noch ein Stückchen Käse mitgenommen. Allerdings habe ich die sichere Variante gewählt und einen Tomme genommen, der nicht so streng ist.

    11:12 Uhr: Bei der Wasserplanung habe ich wirklich Quatsch gemacht, denn es gibt ja einen wunderbaren Bach. Und darin bade ich gerade meine Beine. Venentraining 😅

    11:24 Uhr: Und weiter geht's!

    11:35 Uhr: Hier wäre jetzt schon die nächste Bademöglichkeit!

    11:37 Uhr: Jetzt geht es durch einen lichten Buchenwald. Naja, eher so etwas wie eine Heide, in der einige Buchen stehen. Wunderhübsch.

    11:44 Uhr: Es sind noch 3 km zu gehen. Ich schätze, ich bin um 13:15 Uhr in der Hütte. Keine schlechte Zeit für ein Omelett, ein Bad und einen Mittagsschlaf.

    Das war ein schöner Nachmittag und ein schöner Abend hier auf dem Refuge Manganu. In der Badegumpe (19 °C) war ich gleich zweimal. Einmal direkt nach dem Ankommen und einmal nach dem Mittagsschlaf. Das Omelett war wieder hervorragend und auch das Abendessen war ziemlich schmackhaft. Der kleine Thunfischsalat als Vorspeise und die Panna Cotta mit Himbeersauce waren mal was anderes.
    Beim zweiten Baden hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit dem Türken, der in Frankreich lebt. Beim Abendessen habe ich lange mit dem Ehepaar aus Québec und mit Vater und Sohn aus Belgien gesprochen. Davor ein kleiner Ausflug in Richtung AI und Computer mit einem französischen Pärchen und später dann noch, nachdem ich Paula das Knie getapt habe, noch ein gutes Gespräch mit drei Deutschen, die eigentlich auch schon die ganze Zeit zusammen mit mir unterwegs sind, die ich aber irgendwie noch nie wahrgenommen habe – und andersrum genau so wenig.

    Mal gucken, wie die nächsten Tage werden, da viele jetzt noch doppeln wollen oder in Vizzafona geplant aufhören und so weiter. Ich hoffe, dass ich im südlichen Teil auch noch ein paar Mitwandernde haben werde, die ich schon länger kenne. Ich versuche, dem offen entgegenzublicken.
    Das Zelt wird einem auch hier zugeteilt.

    16,6 km in 6:12 h davon 4:41 h in Bewegung = 3,5 km/h
    662 m Aufstieg, 477 m Abstieg. Standard: 6:45 - 8:15 h
    Read more