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  • Day 110

    San Cristóbal de las Casas, Chiapas

    April 18, 2023 in Mexico ⋅ ⛅ 20 °C

    Ich verließ die Pueblo Mágico Chiapa de Corzo am späten Nachmittag des 17. April und nahm auf Anraten des Parkplatzpersonals die Mautstrasse nach San Cristóbal de las Casas, welche nicht gebührenpflichtig ist. Es gab Unruhen auf der Carretera Libre und es hieß, dass auf Teilstrecken Feuer gelegt wurde. Ich fuhr die 55km auf der empfohlenen Straße und wurde auf dem Campingplatz San Nicolas von anderen Campern mit großer Erleichterung empfangen. Ich wusste noch immer nicht, was eigentlich vor sich ging, doch ich erfuhr es schnell. In San Cristóbal kam es an jenem Montag zu Krawallen und Schiessereien mit 3-facher Todesfolge. Nach meiner Ankunft waren noch immer Schüsse zu hören. Die Stadt stand still und es wurde Ausgangssperre verhängt. Die Schulen hatten am nächsten Tag noch geschlossen, allerdings konnte man am Morgen die Häuser wieder verlassen. Die Geschäfte öffneten nach und nach. Irgendwie fiel es mir schwer, hier richtig anzukommen, obwohl die Stadt als eine der Schönsten in Nord-und Zentralamerika gilt, als Sicherste aber wohl nicht.

    Anfang 1994 geriet San Cristóbal de las Casas kurzzeitig sogar einmal in den Fokus der Weltöffentlichkeit, als dort die Zapatisten ihren Aufstand begannen, organisiert in der EZLN (deutsch: Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung), die sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung einsetzt und den Folgen der Globalisierung kritisch gegenübersteht. San Cristóbal wurde ab dem 1. Januar drei Tage von den Zapatisten besetzt, bis sie von der mexikanischen Armee verdrängt wurden. Die Zapatisten zogen sich daraufhin ins umliegende Bergland und in die Urwälder an der Grenze zu Guatemala zurück.

    In San Cristóbal herrschte anderes Klima und es war erst einmal Abkühlung angesagt. Die Stadt liegt im zentralen Hochland von Chiapas, dem südlichsten Bundesstaat Mexikos. Sie befindet sich auf einer Höhe von 2100 m und es fiel mir wirklich schwer, mich mit den vor allem sehr tiefen Abend-und Nachttemperaturen von 10-12 Grad Celsius zu arrangieren. Ich begann beide Schlafsäcke und meine langen Hosen und Pullover wieder herauszusuchen und fror trotz alledem noch immer. Ich wollte die Stadt so schnell wie möglich wieder verlassen und mich in wärmere Gefilde begeben. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich aber noch nicht, dass ich in der Pueblo Mágico meinen bisher längsten Aufenthalt an einem Ort in Mexiko von insgesamt 11 Nächten verbringen würde. Deshalb ist dieser Footprint auch etwas umfassender.

    Mit der Stadt und ihrer wundervollen Kolonialarchitektur konnte ich mich noch nicht recht auseinandersetzen, denn ich hatte momentan andere Prioritäten und die hießen: AUTO. Für den Dienstag hatte ich bei einem deutschen Mechaniker, der in San Cris lebt, einen Termin am frühen Nachmittag abgemacht und hoffte, dass er herausfinden könne, warum der Isuzu ab und zu einfach stehenblieb. Nachdem Jürgen den Fehler bei seiner 1-stündigen Analyse nicht finden konnte und ich etwas ratlos wirkte, schlug er mir vor, dass ich das Auto am Samstagmorgen nochmals vorbeibringen könne. Eigentlich wollte ich nicht so lange in der Stadt bleiben, doch ich entschied mich anders, denn ich vertraute auf eine Lösung.

    Mir standen somit 3 Tage für die Besichtigung der Stadt und der näheren Umgebung zur Verfügung. Ich entschied mich am nächsten Tag einige Karsthöhlen zu besuchen und begann mit der Größten und wohl Touristischsten, der Höhle im Parque Ecoturístico Rancho Nuevo, welche mich nicht besonders in ihren Bann gezogen hat. Die Gruta del Mamut war die Zweite und ihr Charme übte Wirkung aus. Hier sind an den Wochentagen nur wenige Touristen und man kann sich, die durch Tropfstein geformten Figuren in Ruhe anschauen. Das Mammut existiert wirklich und schlummert in der Höhle vor sich hin ;). Da es noch nicht allzu spät war, entschied ich mich, die Höhle El Arcotete im gleichnamigen ökotouristischen Park noch als Letzte anzuschauen. Sie hatte zwar bereits geschlossen, aber der Platzwart war so nett, sie für mich und ein Paar aus Spanien wieder zu öffnen. Ich fand diese Höhle sehr besonders und einzigartig und sie hat mir von den Dreien am Besten gefallen. Im Park kann man außerdem Spaziergänge und längere Wanderungen unternehmen.

    Am frühen Abend kam ich auf den Campingplatz zurück. Er hatte sich merklich geleert, da viele Camper an dem Tag abgereist sind. Allerdings kam ein Ehepaar aus Colorado und deren Mops Miles zurück von einem mehrtägigen Ausflug und wir hatten bis zu deren Abreise eine wirklich coole Zeit zusammen. Miles kam morgens immer in den Genuss der Reste meines Yoghurt-Drinks und er liebte es und ich hatte meinen Spaß. Bei den kühlen Temperaturen am Morgen machte auch das Joggen richtig Freude. Ich fuhr dazu kurz nach 6 Uhr jeweils in einen etwa 5 km entfernten Sportpark, wo bereits viele andere Fitnessfreaks trainierten. Im SEDEM schaffte ich auch erstmals meinen morgendlichen 9k.

    Am Donnerstag und Freitag meiner ersten Woche in San Cristóbal erkundete ich das bezaubernde Zentrum. Mit seinen ca. 200 000 Einwohnern und den Touristen, hat die Stadt Einiges zu bieten. Es gibt
    4 Fußgängerzonen mit vielseitiger Gastronomie und abwechslungsreichen Geschäften im Stadtzentrum. Hier gab es dann auch mal wieder einen neuen Hut. Neben den teuren Geschäften in der Stadt, sieht man in San Cristóbal unzählige fliegende Händler. Vor allem die Mayas, die das Bergland um die Stadt bewohnen, kommen für den täglichen Verkauf aus ihren Dörfern ins Zentrum. Angeboten wird in der Regel Handarbeit. Der Mercado de Artesanias befindet sich um die Kirche Santo Domingo herum. Die vielen Plastikplanen lassen den Blick auf das Gotteshaus leider etwas unattraktiv erscheinen. Es war plötzlich spannend und interessant mit Zeit durch die Stadt zu streifen und ich entdeckte immer wieder neue Gassen und Gebäude.

    Nachdem ich während mehrerer Tage in den Straßen dieser interessanten Stadt unterwegs war, hieß es am Samstag, den 22. April, den ersehnten Termin bei Jürgen wahrzunehmen. Ich ließ ihm den Isuzu wie besprochen 4 Stunden da und machte mich mit dem Collectivo für geradeso 8 Pesos, aber total zusammengequetscht zwischen anderen Mitfahrern, ins Zentrum auf. Auch an diesem Samstagmorgen entdeckte ich wieder neue Orte in der Pueblo Mágico, die diese Auszeichnung wirklich verdient. Die Stadt versprühte Charme und zog mich mehr und mehr in ihren Bann.

    Auf dem Campingplatz herrschte wieder Hochbetrieb und gute Stimmung. Ich bekam auf Nachfrage von der Besitzerin Maria sogar eine Gratisnacht angeboten, die ich gerne annahm, denn mit Pesos 300 pro Nacht war San Niclas kein günstiger Ort für Overlander. Noch dazu musste man zum Frust aller Camper, immer seine eigene Rolle Toilettenpapier mit sich umhertragen und die brauchte man in San Cristóbal dringend. Obwohl es im Umland qualitativ ausgezeichnetes Trinkwasser gibt, kommt dies nicht bis in die Haushalte, sondern zu Coca Cola Mexiko, wo das hervorragende Quellwasser für die Getränkeproduktion genutzt wird.
    Aus den Leitungen fließt stattdessen unsauberes Wasser und vor allem Touristen leiden die ersten Tage oft am sogenannten „San Cris belly.“ Wer sauberes Wasser benötigt, muss es in großen Behältern am Wasserfahrzeug kaufen. Paradox.

    Nach 4 Stunden nahm ich mir ein Taxi für Pesos 50 zurück zu Jürgens Werkstatt. Ich war voller Hoffnung, doch als ich dort ankam, meinte er nur, dass er den Fehler nicht gefunden habe. Ein Gefühl von Ratlosigkeit, Enttäuschung und auch Frust machte sich in mir breit. Jürgen meinte dann, es könnte vielleicht der Kurbelwellensensor sein, aber das sei nur eine Vermutung. Ich bestellte diesen jedoch bei AutoZone, musste auf dem Weg zum Autozubehörladen aber wieder 3 Ausfälle des Autos in Kauf nehmen und das nach Stunden in der Werkstatt. Es bedeutete auch, dass ich meinen Aufenthalt nochmals um 2 weitere Nächte verlängern „durfte.“ Den Sensor holte ich am Morgen des 24. April ab und fuhr zur Werkstatt. Ich bat Jürgen nach dem Einbau noch um eine Probefahrt, die er mir aus zeitlichen Gründen absagte und meinte, ich solle sie ohne ihn machen. Da ich nach der „Verdachts-Reparatur“ erstmal keine Ausfälle mehr hatte, entschied ich mich am nächsten Tag für die Weiterfahrt zu den Wasserfällen von El Chiflón.

    In San Niclas packte ich alles zusammen und fuhr etwa 3 km durch die engen Straßen von San Cristóbal, bis das Auto wieder plötzlich abstellte. Zum Glück ließ es sich aber immer wieder neu starten und trotzdem: ich hatte kein gutes Gefühl. Solange ich noch in einer großen Stadt war, gab es mehr Möglichkeiten, als in der „Pampa.“ Ich versuchte nochmals mit Jürgen Kontakt aufzunehmen, doch ich erreichte ihn nicht mehr. Ich wusste , dass er 2 Tage später nach Deutschland fliegen würde.
    Von der Campingplatz-Besitzerin Maria erhielt ich den Tipp, mir Hilfe bei der Motor Tec Garage zu holen. Ich lernte Ivan kennen und bin von seiner Geduld und seinem Know-how noch immer begeistert. Ivan las mit seinem Scanner einen Fehler am Kraftstoffsensor aus, er wollte sich allerdings am nächsten Morgen Sicherheit auf einer Probefahrt verschaffen. Außerdem war dieser Sensor für den Isuzu so schnell nicht lieferbar.

    Ich fuhr wieder zurück auf den Campingplatz und wurde mit Erstaunen, aber mit Freude wieder in die „Community“ aufgenommen. Ben, Sara und Miles waren auch noch da und es tat gut liebgewonnene Menschen um sich rum zu haben.

    Am Mittwochmorgen fuhren Ivan und ich 1.5 Stunden mit dem Auto, ohne dass er sich auch nur 1x von seiner schlechten Seite gezeigt hätte. Es war bereits Mittag und ich schlug vor, noch etwas weiter zu fahren, um zu testen. Ich fuhr nach San Juan Chamula, einem besonderen Ort, der einen eigenen Footprint wert ist. Das Auto lief super.

    Am Donnerstag, den 27. April schaute ich am Vormittag nochmals bei Ivan vorbei. Ich war wieder bereit zur Abreise nach El Chiflón. Ivan bat mich gerade mal um Pesos 300 (€15) für die Serviceleistung, was ich wirklich fair fand. Eine Lösung für das Problem gab es nach wie vor nicht. Ich bewegte mich stadtauswärts und was passierte? Der Isuzu ging aus. Ich startete ihn wieder und er fuhr mich bis zu den Wasserfällen. Ich war ein Stück weiter auf meiner unglaublich eindrücklichen Reise. Ich kann dieses Auto nicht ändern, es ist abenteuerlich und doch hat es mich bisher an Orte gebracht, die ich ohne diesen Wagen wohl kaum bereist hätte. Ich beginne ihn wertzuschätzen, anstatt mich über ihn aufzuregen.

    San Cristóbal de las Casas ließ ich nach 11 Tagen hinter mir. Obwohl ich mich allmählich heimisch fühlte, wollte ich weiter an wundervolle Orte in Mexiko. Ich freute mich auf die Cascadas El Chiflón und auf tropische Gefilde.
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