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  • Day 26

    Schwarz und Weiß

    February 26, 2019 in Namibia ⋅ ⛅ 30 °C

    Ein Thema, das hier in Afrika unumgänglich scheint, ist die Beziehung zwischen schwarzer und weißer Bevölkerung. Auch wenn die Apartheid offiziell seit Jahren beendet ist - sie existiert weiter.

    Bereits in Johannesburg ist mir einiges aufgefallen, was für mich ungewöhnlich und teilweise unangenehm war, hier aber völlig normal zu sein scheint.
    So haben die Häuser in den eingezäunten Estates oftmals ein sog. staff quarter, einen eigenen kleinen Anbau für die Hausangestellte. Die sind ausnahmslos schwarz. Sie tragen auch entsprechende Arbeitskittel, sodass man sie als Haushälterin erkennen kann.
    Sie wohnen dann unter der Woche dort und führen den Haushalt, waschen, putzen, räumen auf und kochen. Und das häufig, während ich oder wir auf dem Sofa saßen, Fernsehen, uns unterhalten. Und darauf warten, dass das Essen fertig ist. Die in Johannesburg angestellte Haushälterin hat selber zwei Kinder, die sie eben einfach dann tagelang nicht sieht und sich stattdessen um die Kinder ihrer Arbeitgeber kümmert.

    Es wurde auch noch viel gebaut in dem Estate um uns herum und es waren alle Bauarbeiter ausschließlich schwarz. Sie mussten sich jeden morgen am Gate registrieren lassen mit Fingerabdruck und abends ebenfalls das Verlassen des Geländes bestätigen. Ich habe mich gefragt, wie es ist, tagsüber für die Reichen die schönen Häuser zu bauen und abends zurück ins Township in die Blechhütte zurück zu kehren.

    Ihre Fahrten organisieren die Schwarzen mit den Minibussen, für die sie einen guten Teil ihres Einkommens aufbringen müssen. Weiße fahren damit nicht. Einmal war ich zum Feierabend mit Abi in einer der vielen Shoppingmalls innerhalb eines Bezirks dieses riesigen Geländes. Die Straßen waren voll mit den Angestellten, die sich an dem Abholort für den Minibus sammelten. Man sah sie in ihren Hauskitteln oder Gärtneruniformen während wir in dem Cafe saßen und auch hier von schwarzen Serviceangestellten bedient wurden.
    Im Service arbeiten meiner Erfahrung nach nur Schwarze. Die Kunden hingegen sind größtenteils weiß.

    Hier in Namibia wird die Kluft aber noch viel deutlicher. Ich versuche es anhand meiner Beobachtungen und meiner Wahrnehmung zu beschreiben.

    Meine Gastgeberfamilie ist eine weiße, wohlhabende Farmerfamilie mit großem Haus. Und es fühlt sich an wie zu Kolonialzeiten. Allein im Garten und im Haus sind bestimmt ein Dutzend Schwarzer angestellt. Sie erscheinen morgens und räumen das Chaos vom letzten Abend auf.
    Und das ist wirklich so! Schmutziges Geschirr wird in die Spülküche gestellt, damit die Haushälterin es am nächsten Tag abwaschen kann. Oder der Tisch wird gar nicht abgeräumt. Ist die Milch alle, gebe ich die leere Kanne ebenfalls einer der Haushälterinnen und bitte sie ums Auffüllen. Meine Wäsche lege ich ihr ebenfalls hin zum Waschen. Heute ist Milch auf den Boden gelaufen, den Großteil haben die Hunde aufgeleckt und der Rest bleibt für morgen zum wischen übrig.
    Die beiden schwarzen Hausangestellten kümmern sich auch um das Baby, tragen es herum während die Mutter sich z.B. nachmittags vor dem Fernseher ausruht. Hier ist man scheinbar so aufgewachsen und empfindet es als normal.

    Ich habe anfangs versucht, die Angestellten mit einem Lächeln und einem Good Morning how are you? zu begrüßen. Habe aber schnell festgestellt, dass das auf wenig Intersse stößt. Man beachtet einander möglichst nicht. Die Frauen reden in ihrer eigener Sprache, lächeln tun sie nie und mit mir reden sowieso nicht. Auch die Männer im Garten vermeiden meist jeglichen Blickkontakt, sodass erst gar keine Situation, in der man sich grüßt, entsteht. Und so laufe ich nun auch jeden morgen am Gärtner vorbei zu den Ställen und bleibe stumm. Und fühle mich irgendwie allein durch meine Hautfarbe schuldig.

    Als ich vor einigen Tagen mit Margo in der nächstgelegegen Stadt war (nur am Rande die Anmerkung: 1,5h Fahrt nur geradeaus), mussten ich eine Weile vorm Supermarkt auf Callie, unseren Gastvater warten. Dabei fiel mir auf, dass viele Kunden am Ausgang vom Sucherheitspersonal auf den Inhalt ihrer Tüten und die Übereinstimmung mit dem Kassenbon geprüft wurden. Kontrolliert wurden nur Schwarze, von Schwarzen. Wir konnten unseren Großeinkauf unkontrolliert vorbei schieben.

    Und dann ist da noch die generelle Haltung der weißen Farmer, die ich hier kennengelernt habe, zu den Schwarzen. Einer unter ihnen ist ein Extrembeispiel. Er hat Margo gefragt, wie man in Belgien die Schwarzen nennt und verwendet seitdem nur noch das Wort Makaken.
    Er bringt Sprüche wie „ Habt ihr schon gehört, was die Makaken heute wieder angestellt haben? Sie haben es geschafft den Traktortank zu schrotten“. Oder als wir durch die Felder gefahren sind und wir auf- und abspringen mussten um Weidetore zu öffnen: „dafür nimmt man normalerweise einen Makaken mit.“
    Bei einem Ausritt schwärmte er von schwarzen Pferden, schob aber gleich hinterher, dass das das einzige schwarze sei, was er möge.
    Er vertritt zudem die Theorie, dass nur die Weißen mit noch nicht zusammen gewachsenen Schädelplatten geboren werden. Die Schwarzen nicht, daran könne man ihre Abstammung vom Affen und die biologiscche Verschiedenheit der Rassen wissenschaftlich belegen. Dies sind nur mal einige Beispiele.
    Eine Mischung der Ethnien findet hier jedenfalls so gut wie gar nicht statt. Jeder bleibt unter sich.

    Nun kann ich natürlich daherkommen und das alles aus meiner deutschen oder europäischen politisch korrekten Sozialisierung heraus verurteilen. Ich glaube aber, dass ich mir damit auch etwas anmaßen würde, was ich selber nicht wirklich beurteilen kann. Meine Beobachtung ist, dass schwarz und weiß tatsächlich sehr unterschiedliche Verständnisse von Arbeitstempo, Pünktlichkeit sowie selbstständigem und mitdenkendem Arbeiten haben. Ich erlebe es ja nur mit den beiden Pferdepflegern. Man muss sich sehr genau verständlich machen, was man möchte und vor allem wann man zb die Pferde braucht. Und dann bestellt man sie am besten eine Stunde früher ein und dann ist die Wahrscheinlichkeit gut, dass man sie zur vereinbarten Zeit im Stall hat. Muss aber auch nicht.

    Vor einigen Tagen haben wir die Sattelkammer aufgeräumt, Halfter, Trensen und Longen sortiert und an Haken aufgehängt. Inzwischen bin ich jeden Tag wieder aufs Neue dabei, die sorglos irgendwo abgelegten Longen etc an ihren Platz zu verstauen. Putzen wir die Pferde oder wie heute das Lederzeug, werden wir dabei ungehemmt vom Stallburschen beobachtet, der dann halt einfach so im Stall in der Gegend rumsteht. Und in dieser Haltung erlebe ich ihn des Öfteren.
    Also von daher glaube ich ein wenig nachvollziehen zu können, woher die Spannungen und die Konflikte herrühren.

    Uns wurden Geschichten erzählt, in denen Farmen von Weißen enteignet wurden und an die schwarze Bevölkerung übertragen. Nach einem Jahr war alles runtergewirtschaftet und die Farm verlassen. Ehrlich gesagt, kann ich mir das sogar vorstellen. Es sind einfach ganz andere Herangehensweisen und Denkweisen.

    Ich finde die Situation irgendwie schwierig, denn bei mir ruft sie Unsicherheit, ein diffuses Schuldgefühl und manchmal aber auch Ärger und Unverständnis hervor. Unsicherheit, weil ich nicht weiß, wie ich mich korrekt verhalten soll. Unsicherheit in der Form, dass ich mich allein durch meine Hautfarbe als potentielles Angriffsziel wähne. Schuldgefühl als eine Art per se Kollektivschuld der Weißen in Afrika. und Ärger und Unverständnis, wenn in der Zusammenarbeit Absprachen nicht eingehalten werden, Dinge für mein Empfinden viel zu umständlich erledigt werden oder eben auch gar nicht, aus mir nicht erklärbaren Gründen. Und genau darin besteht wahrscheinlich das große Konfliktpotenzial bzw rührt die von Missmut und Herablassung geprägte Meinung der Farmer her. Die Sichtweise der Schwarzen kenne ich nicht und so, wie ich es bisher erlebt habe, wird auch keiner von ihnen mit mir über das Thema reden.

    Es fühlt sich für mich hier so an, dass die Kolonialzeit weiterlebt.
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